ÖGPB 2011: Therapieadhärenz in der Schizophrenie – eine tägliche Herausforderung

Eine der wichtigsten Herausforderungen in der Behandlung der Schizophrenie ist die Reduktion des Rückfallrisikos, und mangelnde Therapieadhärenz stellt ein zentrales Problem für den Therapieerfolg dar. Bereits 7–10 Tage nach der Entlassung aus der stationären Behandlung nehmen 25 % der Patienten ihre Medikation nicht mehr oder nicht mehr regelmäßig ein, nach einem Jahr liegt der Anteil bei 50 % und nach 2 Jahren bei 75 %1. Die Folge sind erhöhte Rückfallraten: Nach einer Unterbrechung der medikamentösen Therapie von 1 bis 10 Tagen müssen 12 % der Patienten wegen eines Rezidivs hospitalisiert werden. Nach einer Unterbrechung von 11 bis 30 Tagen steigt diese Zahl auf 16 % und bei mehr als 30 Tagen beträgt die Rehospitalisierungsrate 22 %2.

Die Gründe für Non-Adherence sind vielfältig. Freilich würden Ärzte häufig nicht nur ihre Überzeugungskraft, sondern auch die Compliance ihrer Patienten überschätzen, sagte Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Geretsegger, Christian-Doppler- Klinik Salzburg, der dazu eine eigene, an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie I durchgeführte Studie vorstellte. Über 6 Wochen wurde bei allen stationär aufgenommenen Patienten innerhalb von zwei Stunden Blut abgenommen und eine genaue Medikamentenanamnese erhoben. Mittels eines EDV-Programms wurde unter Berücksichtigung der Parameter Dosis, Einnahmezeit, Gewicht, Geschlecht und Alter der zu erwartende Blutplasmaspiegel errechnet.

In der Auswertung zeigte sich, dass 51,6 % der 161 eingeschlossenen Patienten einen deutlich zu niedrigen Plasmaspiegel (< 50 % des zu erwartenden Plasmaspiegels) aufwiesen, bei Patienten mit Schizophrenie lag der Prozentsatz sogar bei 65,5 %. 21,1 % hatten mit mehr als 200 % einen zu hohen Plasmaspiegel, bei F2-Diagnosen war dies aber nur bei 3,6 % der Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten nicht den gewünschten Plasmaspiegel haben, liegt bei drei zu eins“, so Geretsegger. Als Ursache käme im Wesentlichen eine mangelnde Adhärenz in Frage, da nur ca. 10 % der europäischen Bevölkerung Ultra Rapid Metabolizer seien.

Vorteile einer Depotbehandlung: Zu einer verbesserten Therapieadhärenz kann eine antipsychotische Depotbehandlung beitragen. So weist beispielsweise eine große Kohortenstudie aus Finnland auf die Überlegenheit von Depotbehandlungen gegenüber oralen Therapien hin3. Von 2000 bis 2007 wurden in dieser Studie 2.588 Patienten, die mit der Diagnose Schizophrenie aus der stationären Behandlung entlassen worden waren, durchschnittlich zwei Jahren lang nachbeobachtet. Verglichen wurde eine orale mit der Depotmedikation. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Vorteil der Depotbehandlung im Vergleich zu den äquivalenten oralen Formulierungen. Es stellte sich heraus, dass das Rehospitalisierungsrisiko unter Depot nur rund ein Drittel des Risikos unter oraler Medikation betrug (Abb.). „Patienten mit Depot waren auch länger adhärent. Von den weniger als 50 %, die sich ihre Medikation innerhalb von zwei Monaten nicht wieder besorgten, hatten drei Viertel eine orale Medikation“, betonte Geretsegger. Ein deutlicher Rückgang der Hospitalisierungsrate, der Aufenthaltsdauer und der gesamten Kosten unter einer Depotbehandlung konnte auch in einer Untersuchung von Peng et al.4 nachgewiesen werden. In Österreich stehen derzeit drei atypische Depotantipsychotika zur Verfügung. Neben Risperidon LAI (Risperdal Consta®) und Olanzapin LAI (Zypadhera®) ist seit kurzem auch Paliperidonpalmitat (Xeplion®) für die Erhaltungstherapie der Schizophrenie bei Erwachsenen zugelassen.

Quelle: 13. Tagung der ÖGPB, Satellitenvortrag „Therapieadhärenz in der Schizophrenie – eine tägliche Herausforderung“, 18. 11. 2011, Wien

1 Keith SJ & Kane JM, J Clin Psychiatry 2003; 64(11):1308-15

2 Weiden PJ et al., Psychiatr Serv 2004; 55(8):886-91

3 Tiihonen J et al., Am J Psychiatry 2011; 168(6):603-9

4 Peng X et al., ClinicoEconomics and Outcomes Res 2011; 3:9-14