Kassenärzte erhalten mehr Freiheit

Wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Entscheidungsfreiheit über die Wahl der Therapie sowie der dazu notwendigen Heil- und Hilfsmittel ist für 100 % der niedergelassenen Fachärzte zentral. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von ARZT & PRAXIS. Konkret ist für 100 % die Entscheidungsfreiheit über die Therapie „sehr wichtig“. Die Freiheit bei der Wahl der Heil- und Hilfsmittel ist für 92 % „sehr wichtig“ und für 8 % „wichtig“. Kern für diese Autonomie ist die Freiberuflichkeit des Arztes, und die Grundlage dafür schafft die wirtschaftliche Unabhängigkeit, sagen 84 % der Fachärzte („sehr wichtig“) beziehungsweise 16 % („wichtig“). Eine überwältigende Mehrheit von 96 % wünscht sich zudem einen Abbau von Bürokratie und die Verlagerung der Verantwortung zum einzelnen Arzt.

Ein zentraler Schritt, um diese Forderungen der Ärzte zu erreichen, wird nun in Wien ab Anfang Juli umgesetzt: Niedergelassene Ärzte können künftig frei entscheiden, welchen Ordinationsbedarf sie wirklich haben. Dafür erhalten sie im Juli die dazu reservierten Geldmittel direkt ausbezahlt und müssen keine standardisierten Sachleistungen der Krankenkasse mehr beziehen. Während die neue Österreichische Gesundheitskasse derzeit den Honorardruck auf die Ärzte erhöhen will und mit der Fusion der Gebietskrankenkassen auf Zentralisierung setzt, ist das für MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, ein wichtiger Schritt zu mehr Entscheidungsfreiheit und weniger Bürokratie. Die Neuregelung sei zentral, um den Bezug des Ordinationsbedarfs zu erleichtern. „Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Beschwerden von Ärzten über den zentralen Einkauf von Ordinationsbedarf durch die GKK. Einmal hat die Qualität der Produkte nicht gepasst, einmal wurde zu wenig geliefert, ein anderes Mal zu viel, aber das Falsche. Auch die GKK war immer wieder mit dieser Kritik konfrontiert.“

Also hat man nach Auswegen gesucht und diese in Form einer Dezentralisierung gefunden. „Was nur wenige wissen, ist, dass die Ausgaben der Krankenversicherung für den Ordinationsbedarf immer Teil des gesamten Honorartopfes der Ärzte waren.“ Die Lieferungen an die Ordinationen waren also keineswegs gratis, was laut Umfrage aber nur 48 % der Fachärzte bekannt ist. Kaufte die Kasse zu viel oder falsche Produkte oder zu teuer ein, ging das zulasten des Honorartopfes. Bei einer Gesamtsumme von rund 4,5 Millionen Euro war das nicht wenig. Künftig sollen den Ärzten diese Honorarposten nach einem speziellen Schlüssel direkt ausgezahlt werden, und sie sollen das einkaufen können, was sie tatsächlich benötigen. Für Fälle, in denen es sich nicht ausgeht oder wenn es künftig andere und teurere Produkte braucht, wurde ein Mechanismus definiert, um die Zahlungen der Kasse erhöhen zu können. Steinhart: „Ab Juli 2020 bekommen niedergelassene Kassenärzte mit einem WGKK-Vertrag den finanziellen Gegenwert des von den Kassen im Vorjahr bezogenen Ordinationsbedarfs plus Inflationsabgeltung ausbezahlt. Die Zeit der Zuteilung von Gebrauchsmaterialien durch die WGKK an die Ordinationen ist damit vorbei. Anschließend müssen sich Kassenärzte selbst um die Beschaffung aller für den Ordinationsbetrieb benötigten Produkte kümmern. Das klingt vielleicht aufwändig, aber wenn einmal das Bestellmuster einer Ordination klar ist, wird der Aufwand sicher deutlich geringer.“ Die Ärztekammer arbeite hier zudem an Lösungen, um ihre Mitglieder zu unterstützen.

 

So funktioniert die neue Regelung

Rund 4,5 Millionen Euro gehen nun direkt an die niedergelassenen Ärzte. „Wir haben uns intensiv bemüht, dass das neue System so fair wie möglich gestaltet wird“, erklärt MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte. Der zur Auszahlung gelangende Wert beziehe sich nicht nur auf die Fallzahl, sondern bilde auch spezielle Schwerpunkte der Ordination wie Endoskopie, Wundversorgung etc. ab. „Weiters wurde ein Sicherheitsfallschirm eingebaut, für den Fall, dass man nach einem Jahr feststellt, dass das zugeteilte Geld nicht ausreicht oder der technologische Fortschritt in Zukunft höhere Kosten verursacht.“ In diesen Fällen gebe es die Möglichkeit, dass man zusätzliche Gelder beantragen kann.