BK-Virus-assoziierte Nephropathie – ein Update

Die Gruppe der Polyomaviridae besteht aus mindestens 14 verschiedenen Viren mit einem hohen Grad an genetischer Homologie. In der Transplantationsmedizin spielen primär das BK- und das JC-Virus eine relevante Rolle. Während das JC-Virus auch bei anderen Krankheitsbildern mit Immundefizienz (z. B. HIV, MS) schwere Komplikationen (z. B. progressive multifokale Leukenzephalopathie, PML) verursachen kann, kommt es durch das BK-Virus nur nach Nieren- oder Knochenmarktransplantation zu klinisch manifesten Infektionen. Dabei stehen zwei Krankheitsbilder im Vordergrund: die hämorrhagische Zystitis nach Knochenmarktransplantation und die BK-Virus-assoziierte Nephropathie (BKVAN) nach Nierentransplantation.

Risikofaktoren für BKV-Nephropathien

nach Nierentransplantation

Die Erstinfektion mit dem BK-Virus erfolgt meist bereits in der Kindheit und manifestiert sich mehrheitlich in Form von leichten Infekten der oberen Atemwege. Die Durchseuchungsrate im Erwachsenenalter ist hoch und wird auf min. 75 % geschätzt. Nach der Infektion persistieren die Viren ohne Krankheitswert lebenslang im Körper, vorwiegend in Niere, Ureter und Harnblase. Nach Nierentransplantation entwickeln ca. 30–60 % der Patienten eine Virurie, bei 10–20 % lässt sich das Virus im Blut nachweisen (Virämie). Während eine Virurie bzw. eine niedrige Virämie nicht zwingend eine Schädigung des Transplantats zur Folge haben, kann es bei Fortschreiten der Infektion und Zunahme der Viruslast im Blut zu einer invasiven Infektion des Transplantats (BKVAN) kommen.

Immunsuppressive Therapien: Im Lauf der letzten 20 Jahre wurde eine Vielzahl an Risikofaktoren für die Entstehung einer BKV-Infektion identifiziert. Die Anwendung einer Tacrolimus-basierten Immunsuppression zeigte in der Mehrheit der Studien, insbesondere in Kombination mit Mycophenolat-Mofetil (MMF), ein signifikant höheres Risiko für klinisch relevante BKV-Infektionen. Zudem steigt nach Anwendung von leukozytendepletierenden Substanzen das Risiko einer Infektion, wie mehrfach am Beispiel von Antithymozytenglobulin (ATG) oder Alemtuzumab gezeigt werden konnte. Frühe, der Infektion vorangegangene Abstoßungsreaktionen sind, vermutlich indirekt aufgrund der dadurch bedingten erneuten Intensivierung der Immunsuppression, ebenfalls vielfach bestätigte Risikofaktoren. Ob die genannten Immunsuppressiva per se oder eher die generelle Intensität der Immunsuppression eine Infektion begünstigen, konnte noch nicht gänzlich geklärt werden. Eine rezente Studie von Doberer et al. untersuchte Assoziationen zwischen der Höhe der Torque-Teno-Viruslast (TTV, ein nichtpathogenes, ubiquitär im Menschen nachweisbares Virus und indirekter Marker der Gesamtlast an individueller Immunsuppression) und dem Auftreten von BKV-assoziierten Komplikationen (Virämie, BKVAN).1 Es zeigte sich eine deutliche Zunahme an BKV-Infektionen mit steigenden TTV-Viruslasten, eine Erkenntnis, die wiederum den Stellenwert der Immunkompetenz hervorhebt. Passend dazu wurde auch bei AB0-inkompatiblen Transplantationen, die in der Regel mit intensiverer Induktionstherapie einhergehen, ein höheres Risiko für eine BK-Virämie beobachtet.2

Auch spenderassoziierte Faktoren dürften demgegenüber eine Rolle spielen. Anders als früher vermutet, gibt es mehrere Studien, die eine Transmission des pathogenen Virusstammes durch die Transplantation und weniger eine Reinfektion des im Spender latent verbliebenen Virus als zugrundeliegenden Pathomechanismus vermuten: Andrews et al.3 zeigten, dass eine Seropositivität des Spenders mit einer erhöhten Inzidenz von BKVANs beim Empfänger assoziiert ist. Bohl et al. bestätigten diese Ergebnisse und zeigten ein 3-fach höheres Risiko einer BKV-Infektion bei Empfängern eines von BKV-Antikörper-positiven Spendern stammenden Organs im Vergleich zu seronegativen Spendern.4 Während der Virussubtyp klinisch keine Rolle spielte, zeigte sich, dass die Höhe der BKV-Antikörpertiter beim Spender invers mit der Dauer bis zur Entwicklung einer Virurie nach Transplantation korrelierte. Wunderink et al. führten 2017 eine retrospektive Analyse an 497 NTX-Paaren durch: Dabei bestimmten sie die spezifischen BKV-IgG-Titer sowie deren Seroaktivität und setzten diese in Abhängigkeit zur Entstehung von BKV-Infektionen und BKVANs. Es zeigte sich, dass eine hohe Spender-Seroaktivität in Verbindung mit einer niedrigen des Empfängers das Entstehen einer Virämie und eine hohe Seroaktivität des Spenders unabhängig vom Empfänger das Entstehen einer BKVAN begünstigten.5

Screening und Diagnosesicherung

Die aktuellen Guidelines empfehlen ein Screening mittels BK-Virus-PCR-Nachweis monatlich innerhalb des ersten halben Jahres (bzw. laut amerikanischen Guidelines bis Monat 9) und 3-monatlich bis zum Ende des zweiten Jahres nach Transplantation, nach behandelten Abstoßungsreaktionen sowie im Falle eines Anstiegs des Serumkreatinins unklarer Genese.6 Die Virus-PCR aus dem Serum stellt eine der wichtigsten Untersuchungsmethoden in der Früherkennung einer BKVAN dar, aufgrund der hohen Sensitivität und des hohen positiv-prädiktiven Werts empfehlen manche Autoren, ab einer Viruslast von ≥ 104 copies/ml von einer „mutmaßlichen/präsumptiven BKVAN“ auszugehen, auch wenn keine Biopsie vorliegt.7

Die Biopsie ist jedoch weiterhin der klinische Goldstandard zur Diagnose einer BKVAN. Typischerweise präsentiert sich eine BKVAN lichtmikroskopisch als tubulointerstitielle Nephritis, positive immunhistochemische SV40-Färbungen bestätigen das Vorhandensein von BK-Viren im Transplantat. Zur Kategorisierung der histologischen Befunde und zur weiteren prognostischen Abschätzung wurde 2017 von Nickeleit et al. im Rahmen der Banff Working Group Classification of Definitive Polyomavirus Nephropathy ein Scoring-System vorgestellt (PVN-Klasse 1–3). Dieses beinhaltet das Ausmaß der interstitiellen Fibrose als Marker chronischer Transplantatschäden sowie den pvl-Score als Indikator für virusinduzierte tubuläre Veränderungen. Sowohl im Rahmen der ersten Publikation als auch bei einer weiteren Follow-up-Studie konnte gezeigt werden, dass der Score prognostische Aussagen über das Risiko eines folgenden Transplantatverlusts zulässt und dadurch von Nutzen sein könnte, um Patienten mit hohem Risiko zu selektieren und ggf. eine engmaschigere Überwachung oder Therapieumstellung zu empfehlen.8, 9 Allgemein ist jedoch bei der Interpretation von Transplantatbiopsien neben den bekannten Limitationen (Sampling Error, Interobserver-Variabilität) zu berücksichtigen, dass eine zeitliche Latenz zwischen Virämie und histologisch nachweisbarer BKVAN bestehen kann (im Median 8 Wochen). Histologisch ist die klare Unterscheidung zwischen BKVAN und zellmediierten Abstoßungen oft schwierig – insbesondere in der Phase abnehmender Virämie („Resolving“ BKVAN). SV40-Positivität untermauert die Diagnose einer BKVAN, SV40-negative BKVANs sind allerdings möglich und bei niedrigerer Viruslast häufig. In einer 2020 publizierten Studie zeigten Adam et al. erstmals, dass in Zukunft durch den Nachweis BKV-spezifischer Gene mittels kommerziell erhältlicher Genexpressionsanalyseplattformen ein weiteres vielversprechendes diagnostisches Werkzeug zur Differenzierung zwischen Abstoßung und BKV-Infektion zur Verfügung stehen könnte.10

Therapie

Es existieren zurzeit keine kausalen Therapien für Infektionen mit dem BK-Virus. Internationale Guidelines empfehlen primär eine Reduktion der Immunsuppression bei mehrfachem Nachweis einer signifikanten Virämie (> 103 copies/ml) bzw. bei einer „präsumptiven BKVAN“ (> 104 copies/ml). Bei sich verschlechternder Transplantatfunktion ist jedoch unabhängig von der Viruslast eine Biopsie empfohlen. Als Zweitlinientherapie wurden Cidofovir, Leflunomid und/oder intravenöse Immunglobuline (IVIG) eingesetzt. Aufgrund fehlender randomisierter kontrollierter Studien mit Nachweis eines eindeutigen klinischen Nutzens kann jedoch zu diesen Substanzen weiterhin keine klare Empfehlung ausgesprochen werden – der Einsatz ist im Einzelfall abzuwägen.
In einer rezent publizierten, randomisierten Doppelblindstudie von Patel et al. wurde der Einsatz von Ciprofloxacin zur BKV-Prophylaxe untersucht. Dabei zeigte sich jedoch nicht nur eine höhere Rate von BK-Virämien und BKV-Nephropathien in der Interventionsgruppe, sondern auch eine Zunahme von Fluorchinolon-resistenten Harnwegsinfekten.11

Stellenwert von IVIG zur Prophylaxe: Im Gegensatz dazu dürfte es einen potenziellen Nutzen von intravenösen Immunglobulinen (IVIG) zur Prophylaxe von BKV-Infektionen geben. In einer rezenten Studie von Benotmane et al. wurden nierentransplantierte Patienten je nach Vorhandensein neutralisierender Antikörper (NAb) und verabreichter Immunglobuline in drei Gruppen unterteilt (NAb vorhanden: „low risk“; keine NAb: „high risk“). Nach 12 Monaten zeigte sich die gleiche Häufigkeit von BK-Virämien bei Patienten der „High risk“-Gruppe, die IVIG erhielten (6,8 %), wie bei Patienten mit „low risk“ ohne IVIG (10,1 %). Bei Patienten in der „High risk“-Gruppe, die keine IVIG erhielten, kam es deutlich häufiger zu einer BK-Virämie (36,6 %, p < 0,001).12 Eine multizentrische, kontrolliert randomisierte Studie zur Bestätigung dieser Befunde ist gerade in Planung (NCT 04222023).

 


  1. Doberer K et al., Am J Transplant 2020; 20:2081–2090
  2. Sharif A et al., Clin J Am Soc Nephrol 2012; 7:1320–1327
  3. Andrews CA et al., J Infect Dis 1988; 158:176–181
  4. Bohl DL et al., Am J Transplant 2005; 5:2213–2221
  5. Wunderink HF et al., Am J Transplant 2017; 17:161–172
  6. Hirsch HH et al., Clin Transplant 2019; 33:e13528
  7. Hirsch HH et al., Am J Transplant 2013; 13(Suppl 4):179–188
  8. Nickeleit V et al., J Am Soc Nephrol 2018; 29:680–693
  9. Nickeleit V et al., Am J Transplant 2021; 21:669–680
  10. Adam BA et al., Am J Transplant 2020; 20:3486–3501
  11. Patel SJ et al., Am J Transplant 2019; 19:1831–1837
  12. Benotmane I et al., Am J Transplant 2021; 21:329–337