Die ELGA-Story – Ein Versuch zur Verständniserhöhung über eine Darstellung komplexer politischer Zusammenhänge

Besagte Ministerin lenkte mit eiserner Hand die Geschicke der medizinischen Versorgung der Republik. Das mündete in eine Bundesgesundheitskommission, Landesgesundheitsplattformen oder Bundesqualitätsleitlinien bis hin zur „Patientenakte“. Alles hochbürokratische Schöpfungen und Verwaltungsgebilde.
Klingt es nicht schick, alles, noch dazu umgehend und auf einen Blick über unsere Patienten zu erfahren? Gerade wir Internistinnen und Internisten sollten doch von einer aktuellen und verlässlichen Medikamentenauflistung träumen. Was spräche denn gegen Entwicklung eines einheitlich gestalteten Arztbriefes, elektronisch versandt oder abrufbar? Wenig, oder doch mehr? Schon damals, in der ELGAFrühzeit also, schienen mir die Betreiber und deren Weg zur politischen Umsetzung ihrer Pläne hochverdächtig.
Sie erinnern sich? Dieselbe Frau Ministerin erließ mit 1. 1. 2005 über Nacht eine „Arzneimittelbewilligungs- und -kontrollverordnung“! Das bedeutete die Einführung des „Boxensys – tems“ als absurde komplizierte Verschreibebehinderung. Heute, also nach bald 7 Jahren Erfahrung mit dieser Innovation, darf man eines ganz sicher sagen: Diese Verordnung hat ihr Grundziel, nämlich Kostenersparnis durch reduzierte Rezepturrate, gründlich verfehlt. Dafür entstanden den Sozialversicherungsträgern durch die notwendige Aufstockung des chefärztlichen Dienstes erhebliche Mehrkosten, von den Belastungen für unsere Ordinationen ganz zu schweigen.
Zur Hand ging Frau Ministerin in dieser Zeit ihr Kabinettschef und oberster „Normengeber“ im Ministerium, Dr. Auer mit Namen. Obwohl weder Arzt noch Jurist, zeigten all die fortschrittlichen Gesetzesänderungen und Verordnungserlässe seine Handschrift. Auch die Akte ELGA wurde vom Duo Kallat-Auer vorbereitet. Dass sie noch nicht umgesetzt werden konnte, lag an den Ergebnissen der Nationalratswahlen 2006. Gusenbauer und Molterer führten nun eine große Koalition und unsere einstige Kollegin Frau Dr. Kdolsky das Gesundheitsministerium. In ihrer kühnen Agenda sollte ELGA schon 2008 die österreichische Gesundheitslandschaft bereichern – oder zumindest einige EDV-Industriezweige. Und siehe da, wieder fand sich Dr. Auer auf ministerieller Seite, wenn auch nun nicht als Chef ihres Kabinetts, sondern als Sektionschef! Hatte doch Rauch-Kallat als eine ihrer letzten Taten den getreuen Weggefährten zu einem unkündbaren, pragmatisierten und hochbezahlten Ministerialbeamten gemacht. Sie selbst rettete zwar ein Nationalratsmandat, aber orientierte sich auch mit einer eigenen Beratungsfirma privatwirtschaftlich. Sicher behilflich waren da die Erfahrungen ihres Ehemannes gerade in dieser Sparte. So darf es auch nicht wundern, dass Dr. Auer noch heute auf der Homepage der Firma von Rauch-Kallat seiner Wohltäterin verbale Rosen streut.
Vielleicht nur am Rande bedeutsam, aber doch nicht uninteressant erscheint mir, dass Frau Exministerin nun für Apotheker lobbyiert. Brisanz gewinnt diese Tatsache dadurch, dass zur Amtszeit Kallats ein die Hausapotheker eindeutig schlechter stellendes Gesetz Minis – terrat und Parlament passierte. Seither hält sich in Ärztekammerkreisen hartnäckig eine Dolchstoßlegende zu dieser Gesetzeswerdung. Verstehen Sie nun, warum mich neben sachlichen Argumenten zu Datenschutz, Haftungsfragen, verpflichtender Teilnahme mit Strafandrohung so manches um die ELGA-Thematik nicht ganz geheuer ist?
Aber auch 2008 brachte nicht die so ersehnte, glorreiche elektronische Zukunft, aber dafür einen Koalitionsbruch, Neuwahlen und einen neuen Minister. Minister wechseln, aber die Beamten bleiben. Und mit der neuerlichen Thematisierung der Gesundheitsakte betritt auch wieder Dr. Auer die Bühne.
2011 sollte mit der e-Medikation endlich der erste Schritt zur praktischen Umsetzung des politischen Prestigeprojekts gesetzt werden. Die Apothekerkammer, die sich endlich eine „Versilberung“ ihrer qualitativ unzureichenden Wechselwirkungsdatei erhoffte, jubelte. Der Hauptverband agierte vergaberechtlich ungeschickt. Die Ärzteschaft kooperierte erst, boykottierte dann und nahm letztlich wieder teil. So stottert der ELGA-Motor durch den Herbst 2011. Öffentlich interessierte es kaum. Eine breite Diskussion über Sinn und Unsinn von umfangreichen Datenspeicherungen fand nicht statt. Datenklau war immer, überall und wurde alltäglich. Plötzlich aber wieder Feuer am Dach! Das Auer’sche ELGA-Gesetz, in der Begutachtungsfrist zerfranst, sollte überfallsartig in den Ministerrat. Noch immer war kein eindeutiger Nutzen erkennbar. Über die Kostenfrage gab es nur vage Vermutungen. Was kostet ELGA der Gesellschaft? Wie hoch sind die Aufwendungen für die Einzelordination? Braucht ein grenzwertig finanzierbares Gesundheitswesen einen Daten-Maserati? Viele Fragen, keine Antworten. Man wusste zwar nicht was, warum und wohin, aber dass die Kassenärzte zum Mitmachen gezwungen werden, war den Verantwortlichen klar. Auch kannte man schon die Höhe der Strafe für nicht kooperative Kollegen, bis zu 10.000 Euro nämlich. Diese Handschrift kenne ich. Fast Identes hatten wir mit Einführung des Boxensystems zu lesen bekommen.
Ich habe kein Problem mit EDV in der Ordination. Ich bin für Veränderungen, wenn sie den Patienten, den Ordinationsmitarbeitern und der Ärzteschaft das Dasein und die Arbeitswelt verbessern. Auch wenn das mit Mehrkosten verbunden ist. Aber als Arzt bin auch der Leiter eines Betriebes und will mir selbst aussuchen, wann ich wo investiere. Und ich will auch als Patient selbst wählen, wer wann, wo und wie Wissen über meine Leiden und meine Krankheiten erhält.