Diabetes-Komplikationen: Herzinsuffizienz und Diabetes

Sowohl Diabetes mellitus Typ 2 als auch Herzinsuffizienz sind häufige Erkrankungen. Beide Entitäten werden immer wichtiger aufgrund der höheren Lebenserwartung unserer Bevölkerung. Eine interessante Frage für den praktizierenden Arzt ist nun, ob eine über­zufällige Häufung vorliegt (dass z. B. Herzinsuffizienz bei Diabetes häufiger ist und, falls ja, welche Mechanismen dem zugrunde liegen). Im Weiteren sollte überlegt werden, welche Therapieformen des Diabetes bei Herzinsuffizienz besonderer Überlegungen bedürfen, und auch umgekehrt, welche Herzinsuffizienz-Medikamente bei Diabetes besonders berücksichtigt werden müssen.

In der Entwicklung der modernen Medizin mit ihrer Spezialisierung ist es nicht überraschend, dass der Typ-2-Diabetes vom Diabetologen, die Herzinsuffizienz jedoch vom Kardiologen behandelt wird. Wenige Ärzte spezialisieren sich auf beide Gesichtspunkte, obwohl ein und derselbe Patient beide Probleme haben kann.

Seitens der Forschung muss zugegeben werden, dass für die Koexistenz von Diabetes und Herzinsuffizienz wenige, inkonklusive Daten vorliegen und folgerichtig starke Kontroversen bestehen. Es ist also dieses Kapitel ein wichtiges Forschungsgebiet. Im Folgenden soll zwischen gesicherten Fakten und offenen Fragen unterschieden werden.

Gesicherte Fakten

Herzinsuffizienz ist eine maligne Erkrankung. Auch heute mit moderner Therapie ist das Überleben meist kürzer als bei den meisten Malignomen, lediglich das Bronchuskarzinom hat eine schlechtere Prognose. Auch die absolute Todeszahl an Herzinsuffizienz mit etwa 600.000 Fällen pro Jahr in der Europäischen Union ist höher als jene aller Krebsarten zusammen mit etwa 500.000 Fällen.

Bei so häufigen und schweren Erkrankungen ist es natürlich einladend, einen Blick in die Epidemiologie zu werfen: Gehen wir einmal davon aus, dass wir eine Population mit bereits existierender Herzinsuffizienz untersuchen. Hier zeigt es sich, dass die Prävalenz, d. h. das Vorhandensein von Typ-2-Diabetes, etwa verdoppelt ist. Erstaunlicherweise ist aber auch die Inzidenz, also die Neuerkrankungsrate von Typ-2-Diabetes etwa 1,5-fach erhöht. Diese beiden Befunde sprechen dafür, dass bei Herzinsuffizienz ein diabetogener Faktor besteht.

Umgekehrt nehmen wir an, es besteht eine Population von Patienten mit Typ-2-Diabetes, in welcher wir die Prävalenz von Herzinsuffizienz untersuchen. Dann stellen wir fest, dass Herzinsuffizienz bei Diabetes etwa 2,5-fach erhöht ist und dass die koronare Herzkrankheit mit allen Entitäten 2-fach erhöht ist. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Diabetes sowohl für koronare Herzkrankheit als auch für Herzinsuffizienz ein Risiko darstellt, wobei das Risiko für Herzinsuffizienz noch größer ist als für koronare Herzkrankheit (KHK). Diese Daten sind auch aus der NHANES-I-Erhebung gut belegt: Wie in der Tab. ersichtlich, ist die KHK weitaus das führende Risikoelement für Herzinsuffizienz; diese Aufstellung ist nicht diabetesspezifisch.

Wie entsteht Herzinsuffizienz bei Diabetes?

Es ist spannend zu überlegen, dass durch das metabolische Syndrom, welches ein Schlüssel zwischen Diabetes und KHK ist, auch die Herzinsuffizienz begründet sein könnte. Tatsächlich konnten andere Arbeitsgruppen und auch wir zeigen, dass das metabolische Syndrom ein starker Prädiktor für kardiovaskuläre Ereignisse ist (Abb.). Die Kausalkette lautet jetzt also: Metabolisches Syndrom ” Diabetes ” KHK ” kardio­vas­kuläre Ereig­nisse

Daten aus der Framingham Heart Study zeigen auch klar, dass die Adipositas sowohl bei Frauen als auch bei Männern das Risiko für Herzinsuffizienz erhöht.

Therapie bei Diabetes und Herzinsuffizienz: offene Fragen

Zuerst soll festgehalten werden, dass die Diabetestherapie wie auch die Herzinsuffizienztherapie genauen Guidelines unterliegt. Weniger klar ist, wie die Diabetestherapie bei Herzinsuffizienz und die Herzinsuffizienztherapie bei Diabetes spezifisch erfolgen sollte.

Metformin ist kontraindiziert bei Herzinsuffi­zienz (als chronische Erkrankung, die zu einer Gewebshypoxie führen kann), wird allerdings häufig verwendet, da die Alternativen limitiert sind. Die Angst vor der Laktat­azidose ist groß, obwohl das Risiko recht klein ist. Einzelne Studien haben auch gezeigt, dass Patienten mit Diabetes und Herzinsuffizienz unter Metformin einen besseren Verlauf haben als mit Sulfonylharnstoff oder Insulin. Daher wird heute oft der lapidare Satz verwendet, dass man eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung machen sollte. Dies ist zwar sicherlich nicht falsch, aber meistens in der Praxis keine Hilfe. Wir brauchen randomisierte Studien für die Nutzen-Risiko-Abwägung.

Glitazone führen zu einer Herzinsuffizienz, die allerdings eine andere Pathophysiologie zu haben scheint als die, welche natürlich auftritt. So ist z. B. unter Pioglitazon keine Zunahme der KHK, im Gegenteil eine Abnahme der kardiovaskulären Endpunkte zu verzeichnen. Jedoch werden periphere Ödeme häufiger beobachtet. Das Risiko für Herzinsuffizienz ist etwa 1,7-fach erhöht, das Risiko für kardiovaskulären Tod ist aber nicht von 1 verschieden. Daher scheint unter Glitazonen eine andere Herzinsuffizienz vorzuliegen als natürlicherweise, die „Glitazon-Herzinsuffizienz“ hat eine besonders gute Prognose, ist also „benigne“. Dennoch empfiehlt die European Society of Cardiology in ihren Empfehlungen zur Therapie der Herzinsuffizienz (2012), Glitazone im Stadium NYHA II–IV nicht einzusetzen, weil sie die Herzinsuffizienz verschlechtern und das damit assoziierte Hospitalisatuionsrisiko erhöhen können.

Betablocker: In der Herzinsuffizienz-Therapie bei Diabetes fällt auf, dass Betablocker weniger verschrieben werden, obwohl sie die Mortalität reduzieren und auch die Hospitalisationsrate zurückgeht. Es wird also empfohlen, kardio­selektive Betablocker durchaus häufiger einzusetzen. Interessant ist auch, dass unter Betablockern wie auch unter ACE-Hemmern und Angiotensinrezeptorblockern noch im verstärkten Maß die Diabetesinzidenz in Studien der Herzinsuffizienztherapie abnimmt.

Aldosteronantagonisten: Besondere Berücksichtigung könnten in Zukunft Aldosteronantagonisten wie Spironolacton und neuerdings vor allem Eplerenon finden. Hervorragende Daten sind z. B. in der EPHESUS-Studie gezeigt worden, allerdings nicht spezifisch für Menschen mit Diabetes.

Zusammenfassung und Resümee

Herzinsuffizienz und Diabetes kommen häufig gemeinsam vor, die koronare Herzkrankheit ist der Mediator zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz. Andere Mechanismen spielen eine untergeordnete Rolle und werden hier nicht diskutiert. Die therapeutischen Besonderheiten bei der Koexis­tenz beider Krankheiten stellen weiterhin interessante Forschungsprojekte dar.

Literatur beim Verfasser
Abteilung für Innere Medizin und Kardiologie, Akademisches Lehrkrankenhaus Feldkirch, Vorarlberg Institute for Vascular Investigation and Treatment (VIVIT), Feldkirch