Pulmonale Ossifikation – Echte Rarität: verknöcherndes Lungeninterstitium

Anamnese: Es handelt sich um einen 40-jährigen männlichen Patienten, der in der Kindheit häufig an pulmonalen Infekten erkrankt war; gelegentlich war im Säuglingsalter eine Behandlung im Sauerstoffzelt notwendig. Seither besteht eine geistige Retardierung unklarer Genese (hypoxisch, DD genetisch bedingt?). Der Patient wird erstmals im April 2010 zur Abklärung einer unklaren interstitiellen Lungenerkrankung (Abb. 1) an unserer Pneumologie vorstellig.

 

 

Klinik und Befunde: Seit Jahren klagt der Patient über eine leicht progrediente Belastungsdyspnoe, die primär auf das bestehende Übergewicht zurückgeführt wurde. Die vermehrten pulmonalen Infekte im Säuglings- und Kleinkindesalter sistieren in der Adoleszenz völlig. Die Thorax-CT zeigte vergrößerte mediastinale Lymphknoten und eine deutliche interstitielle Strukturvermehrung mit erheblicher Fibrosierung.
Diese Lungenveränderungen spiegelten sich funktionell im Sinne einer mittelschweren restriktiven Ventilationsstörung, Diffusionsstörung, einer Ruhe- und Belastungshypoxämie wider. Eine immunologische Genese konnten wir mittels negativer (Auto-)Immunserologie ausschließen.
Die primär durchgeführte Bronchoskopie war endoskopisch unauffällig; da sowohl die histologische als auch die zytologische Aufarbeitung der BAL und TBB unspezifisch – nicht aussagekräftig – war, erfolgte als weiterer diagnostischer Schritt eine VATS (Video-assisted Thoracoscopic Surgery) mit Wedge-Resektion. Die histologische Diagnose des Operationspräparates ergab eine diffuse pulmonale Ossifikation: es fanden sich ausgeprägte Anteile interstitiellen reifen metaplastischen Lamellenknochens, zum Teil mit Verzweigungen, zum Teil mit fettreichem Knochenmark (Abb. 2).

 

 

Verlauf und Therapie: Bei histologisch gesicherter Diagnose einer diffusen pulmonalen Ossifikation zeigte die spärlich vorhandene Literatur, dass diese ausgesprochen seltene Erkrankung meist einen asymptomatischen Verlauf aufweist. In unserem Fall bestanden jedoch klinisch erhebliche Symptome. Die Pathogenese ist noch völlig ungeklärt. Man vermutet, dass bestimmte Zytokine und Signalmoleküle einen Prozess in Gang setzen, der zu einer Degeneration der arteriellen Lamina media, zur Inflammation und Hyalinisierung des perivaskulären Interstitiums mit vermehrter Formation extrazellulärer Matrix führt.
International beschreiben bisher ca. 30 Fallberichte eine idiopathische Form der pulmonalen Ossifikation. Zum Ausschluss einer möglichen sekundären Form führten wir folgende Untersuchungen durch: PET-CT zum Ausschluss einer Tumorerkrankung (Sarkom, Metastasen eines Melanoms, Mamma-CA), Laborparameter (Kalzium, Phosphat, Vitamin D, Parathormon) und Herzultraschall (mit der Fragestellung Mitralstenose, Pericarditis constrictiva, Rechtsherzbelastung etc.).
Bei unserem Patienten waren die Ergebnisse der Folgeuntersuchungen unauffällig, wodurch eine idiopathische Form per exclusionem gesichert werden konnte.
Nach Diagnosestellung wurde in Ermangelung klarer evidenzbasierter Therapieempfehlungen ein Kortison-Versuch gestartet. Als wahrscheinliche Komplikation der Therapie trat nach Wochen eine Pulmonalembolie bds. mit begleitender schwerer pulmonaler Hypertonie und Hypoxämie auf. Beide Komplikationen bildeten sich jedoch vollständig zurück, die Kortisontherapie wurde währenddessen unter OAK weitergeführt.

In den folgenden Kontrollen kam es zu einer Besserung der Lungenfunktionsparameter (VCmax, FEV1, TLC und DLCO), der Blutgase und auch der CT-Veränderungen (Abb. 3). Über das histologisch-morphologische Substrat für diese Verbesserung kann naturgemäß nur spekuliert werden.

 

 

Nach Beendigung der 6-monatigen Prednisolontherapie verschlechterte sich die Oxygenierung wieder, seitdem läuft eine Erhaltungstherapie mit 5 mg.
Der Patient ist bei stabilen Lungenfunktionsparametern bis auf eine Belastungsdyspnoe ab 75 Watt beschwerdefrei.

 

Fact-Box

Bei der diffusen pulmonalen Ossifikation handelt es sich um eine ausgesprochen seltene Erkrankung. Knapp 30 Fallberichte sind in der Literatur beschrieben, daher gibt es aufgrund der unklaren Pathogenese und der Seltenheit der Erkrankung keine evidenzbasierten Therapieempfehlungen. Bei unserem Patienten führte der Therapieversuch mit systemischem Kortison zu einer deutlichen radiologischen und funktionellen Besserung. Als Komplikation der Therapie ist allerdings eine –vollständig reversible – Pulmonalembolie mit begleitender PH aufgetreten. Wegen des klinisch und funktionell guten Ansprechens verbleibt der Patient vorläufig unter einer niedrig dosierten Erhaltungstherapie.