Rezente Therapie bei Polyangiitis – Klares Therapiemanagement und rasche Behandlung

Die primär idiopathischen Vaskulitiden der kleinen Gefäße umfassen die Granulomatose mit Polyangiitis (früher als Morbus Wegener bezeichnet), das Churg-Strauss-Syndrom und die mikroskopische Polyangiitis. Diese werden als ANCA-assoziierte Vaskulitiden zusammengefasst, wobei seltener auch ANCA-negative Polyangiitiden vorkommen. Die hohe Morbidität, Toxizität der Behandlung und vor allem – wenn unbehandelt – auch Mortalität erfordern ein klares Therapiemanagement. 


Allgemeines

Rasche Behandlung ist prognostisch günstig, während ein höheres Alter und ein erhöhter Kreatininwert bei Erstdiagnose prognostisch ungünstig sind (Takala J. H. et al., 2010). Die Patienten sind auch zu den möglichen Komplikationen aufzuklären und Kontraindikationen wie Infektionen zu berücksichtigen. Von der EULAR wurden 2009 bereits Empfehlungen zur Therapie der Polyangiitis veröffentlicht (Mukhtyar C. et al., 2009), die nun durch die Ergebnisse jüngster Studien zu ergänzen sind. Rezente Studien zeigen vor allem, dass Rituximab eine gut tolerierte Alternative zu Cyclophosphamid für die Remissionsinduktion, möglicherweise auch für die Erhaltungstherapie ist.
Nach wie vor wird die Therapie in die Phase der Induktion und die Phase der Erhaltungstherapie unterteilt. Die Krankheitsaktivität wird üblicherweise mit Hilfe des Birmingham Vasculitis Activity Scores (BVAS) beschrieben.

Remissionsinduktion

Eine alleinige Beteiligung der oberen Atemwege oder eine lokalisierte Erkrankung ohne systemische, Nieren- oder andere Organbeteiligung kann durch Gabe von Kortikosteroiden, Methotrexat oder Azathioprin behandelt werden. Cotrimoxazol (Trimethoprim-Sulfamethoxazol) wird als Einzeltherapie nur manchmal eingesetzt, ist aber zur Remissionserhaltung bei generalisierter Polyangiitis wenig effektiv.

Bei früher generalisierter Erkrankung (ohne Nieren- oder anderer Organbeteiligung) ist entweder Cyclophosphamid oder Methotrexat mit Kortikosteroiden einzusetzen (NORAM-Studie). Derzeit wird untersucht, ob Mycophenolat-Mofetil bei dieser Patientengruppe ebenso effektiv ist wie Cyclophosphamid (MYCYC-Studie).

Bei aktiver generalisierter Erkrankung lag die Gesamtdosis von Cyclophosphamid in der randomisierten, kontrollierten CYCLOPS-Studie unter Pulstherapie (15 mg/kg i. v. alle 2–3 Wochen) deutlich niedriger als bei täglicher oraler Einnahme von 2 mg/kg, jedoch ergab auch eine rezente retrospektive Langzeitauswertung eine höhere Rezidivhäufigkeit unter Pulstherapie als bei oraler Dauerapplikation.
Aktuell liegen die Ergebnisse von 2 großen randomisierten Multicenterstudien vor, die den Einsatz von Rituximab mit Cyclophosphamid vergleichen (RITUXVAS-Studie und RAVE-Studie). In der RITUXVAS-Studie zeigte sich, dass die Kombination von Cyclophosphamid mit Rituximab (375 mg/m2 alle 4 Wochen) nicht schlechter war als Cyclophosphamid-Pulse alleine mit anschließender Azathioprintherapie zur Remissionserhaltung (mit 76 % vs 82 % Remissionsrate kein Unterschied bezüglich primärem Endpunkt), sodass Cyclophospha-mid eingespart werden konnte. In der nächs­ten randomisierten, doppelblinden, doppel-„dummy“ RAVE-Studie wurde gezeigt, dass Patienten mit Kreatinin < 4 mg/dl unter Rituximab und Cyclophosphamid (2 mg/kg/die) gleich effektiv behandelt wurden, Azathioprin wurde anschließend zur Remissionserhaltung über 18 Monate eingesetzt. Somit kann Rituximab als Alternative zu Cyclophosphamid in der Remissionsinduktion bei schwerer ANCA-assoziierter Vaskulitis angesehen werden, was vor allem bei jungen Patienten wegen der Fertilitätsnebenwirkungen unter Cyclophosphamid in Betracht gezogen werden sollte. Allerdings fehlen noch Langzeitdaten. Nachdem eine Rolle der B-Zellen bei Pneumocystis jirovecii pneumonia (PCP) eine Rolle zu spielen scheinen, ist auf eine routinemäßige PCP-Chemoprophylaxe unter Rituximab hinzuweisen.


Bei schwerer generalisierter Granulomatose mit Polyangiitis und respiratorischer oder schwerer renaler Insuffizienz (Kreatinin > 5,7 mg/dl) kann zusätzlich Plasmaaustausch eingesetzt werden (MEPEX-Studie und – derzeit laufend – die PLEXIVAS-Studie).

Erhaltungstherapie

Darüber hinaus gibt es derzeit keine neuen Studien zur Erhaltungstherapie. Sie ist jedenfalls notwendig, da es trotz dieser Maßnahme immer noch bei bis zu 40 % der Patienten zu einem Relaps innerhalb von 24 Monaten kommt.

Methotrexat, Azathioprin und Leflunomid werden als Optionen zur Erhaltungstherapie eingesetzt, Langzeittherapie mit Cyclophosphamid ist auf Grund seiner Toxizität sicher keine Option. In der EUVAS-gesponserten CYCAZAREM-Studie gab es keinen Unterschied zwischen Cyclophosphamid und Azathioprin, sodass Azathioprin derzeit am häufigsten eingesetzt wird. Derzeit wird auch Rituximab als Alternative zu Cyclophosphamid von der französischen Vasculitis Study Group im direkten Vergleich zu Azathioprin untersucht. Cotri­moxazol kann bei Manifestationen im oberen Atemwegsbereich eingesetzt werden, ist aber weniger effektiv verglichen mit Methotrexat. Der Einsatz von Kortikosteroiden ist nicht standardisiert. Eine Metaanalyse aus 13 Studien ergab weniger Rezidive unter Kortikosteroiden als ohne Zusatztherapie (Walsh M. et al., 2010).

Die optimale Therapiedauer ist nicht bekannt, oft treten Rezidive nach Absetzen der Erhaltungstherapie auf (bei 11–58 % der Patienten). Die EUVAS-gesponserte randomisierte REMAIN-Studie wird 24 Therapiemonate mit 48 Therapiemonaten als Rezidivprophylaxe vergleichen. Die British Society of Rheumatology empfiehlt 24 Monate, bei anhaltend positivem ANCA-Status sogar 5 Jahre.

Behandlung der therapierefraktären WG

Als therapierefraktär wird die Polyangiitis dann bezeichnet, wenn innerhalb von 4–8 Wochen keine zumindest 50%ige Reduktion der Krankheitsaktivität erreicht wird, oder die primären Therapieschemata wegen Nebenwirkungen oder Kontraindikationen nicht angewendet werden können. Bei diesen Patienten kommen neben Rituximab auch Infliximab, Hochdosis-Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil, Alemtuzumab, Deoxyspergualin, Antithymozytenglobulin und intravenöse Immunglobuline (IVIG, bei Patienten mit Begleitinfektionen) in Frage, wenn auch die Evidenz für ihre Wirksamkeit bei diesen Patienten nicht sehr fundiert ist. In Ausnahmefällen wird eine autologe nicht-myeloablative hämatopoetische Stammzelltransplantation in Betracht gezogen.
Derzeit wird Rituximab bei diesen Patienten am häufigsten verwendet. Die doppelblinde, doppel-„dummy“ RAVE-Studie ergab bei Patienten mit relapsierender Erkrankung ein Ansprechen von Rituximab bei 67 % der Patienten verglichen mit 42 % bei Cyclophosphamid, und somit bestätigte diese Studie die Ergebnisse von mehr als 16 offenen Studien bei therapierefraktärer Polyangiitis.

Literatur:
– Holle JU, Laudien M, Gross WL, Clinical manifestations and treatment of Wegener’s Granulomatosis. Rheum Dis Clin N Am 2010; 36:507–26
– Holle JU, Wieczorek S, Gross WL, The future of ANCA-associated vasculitis. Rheum Dis Clin N Am 2010; 36:609–21
– Jones RB, Cohen Tervaert JW et al., Rituximab versus cyclophosphamide in ANCA-associated renal vasculitis. N Engl J Med 2010; 363:211–20
– Mukhtyar C, Guillevin L, Cid MC et al., EULAR recommendations for the management of primary small vessel vasculitis. Ann Rheum Dis 2009; 68:310–7
– Rich EN, Brown KK, Treatment of antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitis. Curr Opin Pulm Med 2012 Sep; 18(5):447–54.
– Stone JH, Merkel PA, Spiera R, Seo P, Langford CA et al., Rituximab versus cyclophosphamide for ANCA-asso­ciated vasculitis. N Engl J Med 2010; 363:221–32
– Takala JH, Kautiainen H, Leirisalo-Repo M, Survival of patients with Wegener’s granulomatosis diagnosed in Finland in 1981-2000. Scand J Rheumatol 2010; 39:71–6
– Walsh M, Merkel PA, Mahr A, Jayne D, Effects of duration of glucocorticoid therapy on relapse rate in antineutrophil cytoplasmic antibody-associated vasculitis: A meta-analysis. Arthritis Care Res (Hoboken) 2010; 62:1166–73