Spontane bakterielle Peritonitis 


Das Infektionsrisiko von Patienten mit Leberzirrhose ist wegen des stark beeinträchtigten Immunsystems sehr hoch. Die spontane bakterielle Peritonitis (SBP) tritt als häufigste Komplikation bei ambulanten Patienten ohne Symptome mit geringer Prävalenz (< 3,5 %) auf, diese steigt aber bei Hospitalisierung auf 8–36 % an, gefolgt von Harnweginfektionen, Pneumonie und Bakteriämie. Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung aller Ärzte, diese wichtige Komplikation so rasch wie möglich zu erkennen und zu behandeln.



Pathophysiologie: Die Entwicklung einer SBP beginnt vermutlich mit einer intestinalen bakteriellen Überbesiedelung und führt durch bakterielle Translokation zu einer Bakteriämie, Endotoxinämie und zur Besiedelung der mesenterialen Lymphknoten bis zur Verbreitung der Bakterien im Aszites.


Klinik: Patienten können Zeichen einer Peritonitis (Bauchschmerzen, schmerzhafte Bauchdeckenspannung, Erbrechen, Durchfall, Darmverschluss), einer systemischen Entzündung (Hypo- oder Hyperthermie, Schüttelfrost, veränderte Leukozytenzahl, Tachykardie und/oder Tachypnoe), eine Verschlechterung der Leberfunktionsparameter, ein Nierenversagen sowie eine gastrointestinale Blutung haben. Es ist jedoch wichtig, zu betonen, dass eine SBP asymptomatisch verlaufen kann, insbesondere bei ambulanten Patienten.

Prognose: Die Sterblichkeit lag 1964 noch bei über 90 %, konnte aber inzwischen durch rechtzeitige Diagnose und antimikrobielle Therapie auf ca. 20 % reduziert werden, die Sterblichkeitsrate liegt jetzt, 1–2 Jahre nach Diagnosestellung, bei 50–75 %.


Definition und Diagnostik: Eine SBP liegt vor, wenn > 250 neutrophile Granulozyten (PMN)/mm3 im Aszites nachgewiesen werden können, wobei eine intraabdominelle Infektionsquelle (= sekundäre bakterielle Peritonitis) oder eine maligne Erkrankung ausgeschlossen sein müssen. Zu den Unterformen der SBP gehören die „Kultur-negative SBP“ (Kultur negativ und PMN > 250/mm3) sowie der Bakteriaszites (Kultur positiv und PMN < 250/mm3). Wegen der­höheren Sterblichkeitsrate bei nosokomialen Infektionen, hervorgerufen durch multiresistente Erreger, sollte außerdem zwischen nosokomialer und ambulant erworbener SBP unterschieden werden. Eine zu späte Diagnose der SBP stellt ein ernstes Problem dar. Da viele Fälle asymptomatisch verlaufen, sollte eine diagnostische Parazentese bei allen Patienten mit Aszites durchgeführt werden, die ins Krankenhaus aufgenommen werden, unabhängig davon, ob ein klinischer Verdacht besteht oder nicht. Dies gilt auch bei jeder Verschlechterung des Allgemeinzustands, der Leberfunktionsparameter (wie Bilirubin, INR, Albumin) sowie der Kreatinin- und Harnstoff-werte, bei gastrointestinalen Blutungen, Zeichen eines septischen Schocks oder einer hepatischen Enzephalopathie. Kulturen schlagen in bis zu 65 % der neutrozytischen Aszites fehl, eine Beimpfung am Bett des Patienten kann die Sensitivität aber auf fast 80 % erhöhen. Bei Patienten mit einer Eiweißkonzentration < 15 g/l im Aszites liegt ein erhöhtes Risiko für eine SBP vor. Diese Patienten können von einer antimikrobiellen Prophylaxe profitieren. Andere Marker sind nicht genügend sicher oder differenzierend, da sie auch bei malignen Erkrankungen erhöht sein können. Bei Verdacht auf malignen Aszites sollte eine zytologische Diagnostik durchgeführt werden. Es ist sehr wichtig, differenzialdiagnostisch die SBP von einer sekundären Peritonitis infolge einer Perforation oder Entzündung eines intraabdominalen Organs zu unterscheiden, weil die resultierende Mortalität so extrem hoch ist. Sie sollte bei Verdacht durch eine Computertomografie ausgeschlossen werden. Die Differenzialdiagnosen eines lymphozytenreichen Aszites schließen üblicherweise die tuberkulöse Peritonitis, Neoplasien, eine dekompensierte Herzinsuffizienz, Pankreatitis und das Myxödem ein, aber nicht die SBP.

Komplikationen und Risiken der Parazentese: Die erste Punktion sollte nach sonografischer Kontrolle durchgeführt werden. Diagnostische Parazentesen sind nicht mit schwerwiegenden Komplikationen verbunden, eine höhere Komplikationsrate besteht aber bei den therapeutischen Parazentesen. Die häufigste Komplikation dabei ist mit 5 % ein protrahierter Austritt von Aszites durch den Stichkanal. Die prophylaktische Gabe von Blutprodukten zur Vermeidung von Blutungskomplikationen ist in der Regel nicht erforderlich und wird auch bei erniedrigten Thrombozytenzahlen und Gerinnungsfaktoren nicht empfohlen. Ausnahmen können jedoch eine disseminierte intravasale Koagulopathie und/oder Thrombo­zyten < 20.000/μl und/oder Quick 2,5 darstellen. Bei stark erhöhten Kreatininwerten (> 6 mg/dl) sollte eine längere Nachbeobachtung erfolgen.

Erregerspektrum und Therapie: Wenn die Dia­gnose gestellt ist, muss sofort mit einer empirischen Therapie begonnen werden. Ein kulturnegativer neutrozytischer Aszites wird üblicherweise genauso behandelt wie eine typische SBP, da die natürliche Progression gleich verläuft. Es gibt eine nicht ganz einheitliche Meinung, ob Bakteriaszites eine sofortige antimikrobielle Therapie erfordert. Wegen des Fehlens klinischer Symptome, sogar in Fällen einer hohen bakteriellen Last, scheint eine antimikrobielle Therapie jedoch indiziert zu sein.
Meist wurden gramnegative Bakterien (v. a. Enterobakterien) im Falle einer SBP isoliert. Erst kürzlich fand man zunehmend grampositive oder multiresistente Bakterien. Patienten ohne vorherige Hospitalisation oder antimikrobielle Therapie/Prophylaxe benötigen nur eine Therapie gegen die leicht zu behandelnden Enterobakterien mit Cefotaxim oder anderen Cephalosporinen der 3. Generation, Amoxicillin-Clavulansäure oder mit Chinolonen.
Ein in letzter Zeit beobachteter Anstieg von Resistenzen gegen Aminopenicillin und β-Lak­tamase-Hemmer könnte deren Nützlichkeit aber einschränken. Bei Patienten ohne Komplikationen, die eine therapeutische Wirksamkeit einschränken (Schock, Ileus, gastrointestinale Blutungen, schwere hepatische Enzephalopathie, Serum-Kreatinin > 3 mg/dl) ist eine orale Behandlung mit Chinolonen aus­reichend, sofern die Chinolonresistenz gegen E. coli kein Problem darstellt.
Die oben empfohlenen Antibiotika haben jedoch kürzlich nicht-akzeptable Therapieerfolge bei der Behandlung nosokomialer SBP geliefert. Bekannte unabhängige Risikofaktoren für Multi­resistenzen (u. a. MRSA, ESBL) sind eine frühere Hospitalisation (< 3 Monate oder in einer Intensivstation) sowie vorangegangene prophylaktische oder therapeutische antimikrobielle Behandlungen. Es wurde daher vorgeschlagen, bei Patienten mit nosokomialer SBP oder solchen Risikofaktoren eine wirksamere antimikrobielle Therapie mit Carbapenemen einzusetzen. Eine Therapie von 5 Tagen ist ausreichend. Sie kann sicher beendet werden, wenn der PMC-Wert auf Werte < 250/mm3 gefallen ist. Darüber hinaus empfehlen die aktuellen Leitlinien, dass man die Therapie verändert, wenn nicht innerhalb von 2 Tagen der PMC-Wert um mindestens 25 % abfällt. Eine unterstützende Gabe von Albumin konnte nicht nur bei Hochrisikopatienten positive Wirkungen erzielen. Welche Dosierung im Einzelnen am besten wirkt, muss erst durch weitere Studien geklärt werden.


Prophylaxe: Eine antimikrobielle Prophylaxe ist unstrittig bei Patienten mit gastrointestinaler Blutung oder vorausgegangener SBP. Eine routinemäßige Primärprophylaxe bei Patienten mit geringem Proteingehalt im Aszites wird von den meisten Expertenrunden nicht empfohlen, wenn nicht weitere Risikofaktoren vorliegen. Die am besten abgesicherten Erfolge zur Sekundärprophylaxe wurden mit Norfloxacin erzielt. Bei gastrointestinalen Blutungen werden Chinolone am häufigsten verwendet, da sie die stärkste Reduktion schwerer Infektionen und der Mortalität bewirkt haben. Sind zwei der folgenden Kriterien erfüllt: Aszites, schwere Unterernährung, Enzephalopathie oder Bilirubin > 3 mg/dl, ist ein Cephalosporin der 3. Generation einer oralen Therapie mit Norfloxacin überlegen. Ist eine Lebertransplantation innerhalb weniger Monate zu erwarten, ist Norfloxacin zur Primärprophylaxe einzusetzen. Obwohl keine Langzeitstudien existieren, nimmt man an, dass die zeitliche Wirksamkeit der Therapie genauso wie in der Sekundärprophylaxe gegeben ist. Bei Patienten, die einen invasiven Eingriff benötigen, werden zu­nehmend Infektionen durch grampositive ­Bakterien beobachtet. Hier ist eine parenterale Therapie einer oralen vorzuziehen. In den anderen Fällen wird eine antimikrobielle Langzeitbehandlung von den Leitlinien empfohlen, ist aber nach Meinung des Autors einer rezenten Veröffentlichung abzubrechen, sobald es zu einer Besserung kommt.

Literatur:
– Bernardi M., Intern Emerg Med 2010; 5 (Suppl. 1):S37-44
– Bonnel A.R. et al., Clin Gastroenterol Hepatol 2011; 9:727-738
– EASL-Guidelines, J Hepatol 2011; 53:397-417
– Gerbes A. et al., Z Gastroenterol 2011; 1-31
– Horinek E. et al., AACN advanced critical care 2009; 20:121-5
– Wiest R. et al., Gut 2012; 61:297-310