Therapie der Tuberkulose


Tuberkulose ist eine der wichtigsten Infektionskrankheiten. Nach einer weltweit kontinuierlichen Zunahme der Erkrankungszahlen ist es 2011 erstmals zu einer Stagnation gekommen. In Österreich nehmen Tuberkuloseerkrankungen seit Jahren ab. Allerdings haben sowohl weltweit als auch in Österreich resistente und besonders multiresistente Formen deutlich zugenommen.


Unkomplizierte Tuberkulose

Obwohl seit Jahren in die Entwicklung neuer Medikamente investiert wird, ist paradoxerweise die erste Reihe der Tuberkulosemedikamente kleiner geworden. Wir behandeln die unkomplizierte Tuberkulose weiterhin mit Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazin­amid. Aufgrund der Nebenwirkungen und der ausschließlich intramuskulären Anwendungsmöglichkeit wird Streptomycin nicht mehr der ersten Reihe zugeordnet.


Die Grundprinzipien der Therapie sind eine rasche Therapieeinleitung mit einer Kombination aus zumindest 3–4 Medikamenten, um eine Resistenzentwicklung zu vermeiden. Nach einer Intensivphase der Therapie, die zumindest 2 Monate dauert, wird eine lange Erhaltungstherapie von zumindest 4 Monaten angeschlossen, um verbleibende Mykobakterien zu eliminieren. Rifampicin und Isoniazid sollten als die potentesten Mittel über die gesamte Therapiedauer verabreicht werden. Unter Experten gelten neuere Fluorchinolone (Moxifloxacin und Levofloxacin) bereits als Medikamente der ersten Reihe.


Tuberkulose ist in Österreich eine meldepflichtige Infektionskrankheit: Durch die Anzeige wird bei den Gesundheitsbehörden einerseits die Umgebungsuntersuchung zur Auffindung weiterer Erkrankungsfälle, andererseits eine konsequente Überwachung des Patienten hinsichtlich Therapiefortschritt und Therapietreue eingeleitet. Sollte der Patient nicht kooperativ sein, kommt das Tuberkulosegesetz zur Anwendung, das eine Duldungspflicht vorschreibt. Der Patient ist verpflichtet, die Therapie zu befolgen. Tuberkulosemedikamente sind für den Patienten kostenfrei (auch keine Rezeptgebühr!).

 

 

Multiresistente Tuberkulose

Wie bei vielen Infektionskrankheiten hat uns die Resistenzentwicklung auch bei der Tuberkulose zu verstärkter Aufmerksamkeit gezwungen. Vor allem die multiresistente Tuberkulose, definiert durch eine Resistenz gegenüber den zwei wichtigsten Medikamenten Rifampicin und Isoniazid, stellt eine besondere Bedrohung dar. Diese wurde gesundheitspolitisch anerkannt und hat zu einer Forcierung der Entwicklung neuer Medikamente geführt.

Die Therapie einer multiresistenten Tuberkulose ist wesentlich aufwändiger. Es wird eine Kombination aus zumindest 4 Medikamenten, davon eines intravenös, über 8 Monate und eine Erhaltungstherapie über zumindest 10 und 16 Monate gefordert. Dabei spielen einerseits die Fluorchinolone (besonders Moxifloxacin und Levofloxacin) und die injizierbaren Medikamente Capreomycin, Amikacin oder Kanamycin eine wesentliche Rolle. Aus alten Tuberkulosemedikamenten einerseits (Paraaminosalicylsäure, Prothionamid/Ethionamid, Cycloserin/Terizidon) und aus Medikamenten der Gruppe der so genannten Reservemedikamente (Linezolid, Clarithromycin, Clofazimin, Imipenem mit Clavulansäure, Amoxicillin mit Clavulansäure), andererseits wird schließlich eine möglichst verträgliche Kombination erstellt.
Die Therapie der sensiblen Tuberkuloseerkrankungen erfolgt überwiegend bei den Lungenfachärzten (auch die Therapie der Organtuberkulosen wie z. B. Lymphknoten-, Nieren- und Knochentuberkulose). Multiresistente Patienten sollten ausschließlich in spezialisierten Zentren behandelt werden.

Als neue Medikamente sind vor allem ein Diarylchinolinderivat (TMC207 – Bedaquiline), Nitroimidazole (OPC-67683 – Delamanid), ein Oxacolidinon (PNU-100480) und ein Ethylanediamin (SQ109) in ersten Studien vielversprechend. Damit wird vielleicht in naher Zukunft nach Rifampicin (Zulassung 1964) erstmals wieder ein Tuberkulosemedikament zugelassen werden können.
Die lange Therapiedauer bei MDR-Tuberkulose und die massive Belastung des Organismus durch die häufigen Nebenwirkungen verlangen sowohl vom Patienten als auch vom Arzt eine konsequente Zusammenarbeit über die gesamte Therapiedauer. In Österreich sind alle Vo­raussetzungen für eine optimale Therapie gegeben. Sowohl die Medikamente sind verfügbar als auch die Kompetenz zur Behandlung der besonders resistenten Formen ist gegeben. Unter diesen Voraussetzungen sind Heilungserfolge bei kooperativen multiresistenten Tuberkulosen von über 85 % möglich und wir liegen damit international im obersten Spitzenfeld.

Unsere multiresistenten Patienten sind fast ausschließlich Zuwanderer und kommen aus Ländern, in denen gerade noch Medikamente der ersten Reihe verfügbar sind. Da diese oft nicht sachkundig eingesetzt werden oder lückenlos verfügbar sind, werden immer wieder neue resistente Erkrankungsformen entstehen. Schließlich werden diese so genannten sekundären Resistenzen übertragen und führen zu primär resistenten Neuerkrankungen.

RESÜMEE: Die multiresistente Tuberkulose weltweit konsequent zu behandeln, den Zugang zu wirksamen Medikamenten zu ermöglichen und die Gesundheitssysteme in ihren Bemühungen zu stärken ist erforderlich, um die Bedrohung international in Grenzen zu halten. In Österreich gilt es vor allem weiterhin zu sensibilisieren, um Tuberkulose rasch zu erkennen, das hohe Niveau an Fachkompetenz zu erhalten und adäquat ausgestattete Therapiezentren auszubauen, um Sicherheit und Infektionsschutz für Mitpatienten und Personal zu gewährleisten.