Prävention katheterassoziierter Infektionen – Stellenwert „beschichteter“ zentralvenöser Katheter im klinischen Alltag

 

Es ist jedoch zu erwähnen, dass die Kontamination einer Katheterspitze nicht als Infektion gewertet wird, sondern nur die Catheter- related Blood Stream Infection (CRBSI) klinisch relevant ist. Das Auftreten einer CRBSI verlängert signifikant den Aufenthalt auf der Intensivstation, führt zu einer dramatischen Erhöhung der Spitalskosten und führt auch in einigen Studien zu einer erhöhten Mortalität.

Catheter-related Blood Stream Infection (CRBSI): Die Pathogenese der CRBSI ist multifaktoriell und kann durch einer bakterielle Kolonisation der äußeren Wand des Katheters im Rahmen der Insertion, Kontamination im Rahmen von Manipulationen an Kathetern über die äußere Katheteröffnung, hämatogene Streuung in Rahmen von Bakteriämien und unter Umständen bakterielle Kontamination von Infusionslösungen, die über den zentralen Venenkatheter appliziert werden, verursacht werden. Bei den Risikofaktoren für eine CRBSI kann zwischen patientenbezogenen und krankhausbezogenen Risikofaktoren unterschieden werden. Bei den patientenbezogenen Risikofaktoren sind vor allem hohes Alter, gestörte Immunabwehr, Komorbiditäten und Vorliegen systemischer Infektionen bekannt. Bei den krankenhausbezogenen Risikofaktoren sind vor allem die mangelnde Einhaltung von Hygienerichtlinien bei ZVK-Anlage, der Applikationszugang (vor allem die femorale ZVK-Anlage ist mit einer deutlich erhöhten CRBSIRate assoziiert), das Kathetermaterial und die Erfahrung des ZVK-anlegenden Arztes von Bedeutung.

Entwicklung antiinfektiv beschichteter Katheter: Aufgrund der Häufigkeit und der klinischen Relevanz der CRBSI wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue ZVKs entwickelt, mit dem Ziel, das Risiko für eine CRBSI zu reduzieren. Die meisten Innovationen verwendeten dafür eine antiinfektive Substanz, die entweder antiseptisch oder antibiotisch wirkt und die entweder auf der internen oder externen Oberfläche des zentralen Venenkatheters aufgebracht ist. Die neueste Generation dieser „beschichteten“ Katheter ist sowohl an der Innen- als auch an der Außenfläche mit einer antiinfektiven Substanz bedeckt.
Diese „beschichteten“ Katheter sind entweder mit Silberionen/Platin/Karbon oder mit Minocyclin/ Rifampicin oder mit Chlorhexidin/Silbersulfadiazin beschichtet.

CRBSI-Rate im Studienvergleich mit unbeschichteten Kathetern: In der bislang größten Metaanalyse zu dem Thema der beschichteten ZVKs (Hockenhull J. C. et al., Health Technology Assessment 2008) wurden die Auswirkungen der verschiedensten beschichteten ZVKs auf die CRBSIRate untersucht. Insgesamt wurden 32 randomisierte, kontrollierte Studien in diese Metaanalyse aufgenommen. 24 kontrollierte Studien hatten als Hauptzielparameter die CRBSI-Rate. Insgesamt wurden 5.700 Patienten in diesen 24 Studien eingeschlossen. Die Metaanalyse zeigte, dass durch Anwendung eines beschichteten ZVKs die CRBSI-Rate signifikant gesenkt werden kann (Odds Ratio 0,45; 95%- KI 0,34–0,60). Bei genauerer Analyse der einzelnen Studien zeigte sich jedoch, dass in 19 dieser 24 Studien (dies entspricht 79 %) keine signifikante Senkung der CRBSI-Rate erzielt werden konnte. Lediglich 5 kontrollierte Studien zeigten ein signifikantes Ergebnis, sodass letztendlich in der gesamten Analyse doch eine signifikante Reduktion statistisch berechnet werden konnte. Hervorzuheben ist, dass in der größten Studie von Loggher, die insgesamt 680 Patienten inkludierte, ebenfalls keine signifikante Reduktion der CRBSIRate erzielt wurde (Odds Ratio 1,15; 95%-KI 0,57–2,35). Die Studienautoren erwähnten in ihrer umfassendenMetaanalyse zahlreiche Limitationen ihrer Ergebnisse. Insgesamt war die Studienqualität der eingeschlossenen Studien äußerst schlecht, vor allem methodische Kritikpunkte, aber auch unzureichende Outcomeparameter und ein sehr inhomogenes Kollektiv in den verschiedensten Studien wurden für die schlechte Studienqualität verantwortlich gemacht. Erwähnenswert ist auch, dass 2 Drittel der inkludierten Studien direkt durch die Industrie gesponsert wurden und somit ein äußert relevanter „Conflict of Interest“ besteht.


Untersuchung zur Beeinflussung der Mortalität:
Eine weitere rezente Metaanalyse (Efalagas M. E., JAC 2007) von 7 randomisierten kontrollierten Studien zu diesem Thema hatte die Mortalität als Hauptzielparameter. Diese Metaanalyse zeigte, dass zwischen Rifam – picin-imprägnierte ZVKs im Vergleich zu nichtbeschichteten ZVKs bezüglich der Mortalität sowohl in der Intention-to-Treat- als auch in der Per-Protocol-Analyse kein Unterschied bestand (ITT: Odds Ratio 1,16; Per Protocol: Odds Ratio 1,30).
In einer ganz rezenten Publikation von Ramos et al. (Critical Care Medicine 2011) wurde die CRBSI-Rate vor und nach Einführung von Minocyclin/Rifampicin-beschichteten ZVKs unter Einführung einer „Bundle“-Strategie, die strenge Hygienerichtlinien bei der Applikation des ZVKs beinhaltet (chirurgischer Händewaschen vor Applikation, standardisierte Hautdesinfektion der Insertionsstelle, strenge Barrieremaßnahmen, vorzugsweise Applikation des ZVKs über die Vena subclavia und Vermeidung zusätzlicher Lines) untersucht. Insgesamt wurden über 9.000 beschichtete ZVKs bei 8.000 Intensivpatienten der Jahre 1999 bis 2006 untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass im Vergleich zur Vorphase durch die beschichteten ZVKs die CRBSI-Rate von 8,3 pro 1.000 ZVK-Tage auf 3,5 pro 1.000 ZVK-Tage reduziert werden kann. In der Phase 3, wo die „Bundle“-Strategie eingesetzt wurde, jedoch keine beschichteten ZVKs verwendet wurden, kam es wieder zu einem leichten, nicht-signifikanten Anstieg von 3,9 CRBSI pro 1.000 ZVK-Tage. Auch eine andere rezente Studie (Venkateran S., J Crit Care 2010) zeigte, dass ein Maßnahmenpaket mit chi – rurgischer Händereinigung, chirurgische Hautdesinfektion und strengen Barrieremaßnahmen bei Legen des ZVKs die CRBSI-Rate dramatisch senken kann.
Der Preis eines beschichteten ZVKs liegt zirka 2–3-fach über dem von unbeschichteten ZVKs. Umfassende Berechnungen zeigen jedoch, dass insgesamt die Verwendung eines beschichteten Katheters durchaus kosteneffektiv sein kann, wenn dadurch Nachfolgekosten einer CRBSI vermieden werden können.

In Leitlinien nur bedingt empfohlen: Insgesamt ist die Datenlage für die klinische Indikation von beschichteten ZVKs trotz zahlreicher randomisierter kontrollierter Studien und mehrerer Metaanalysen aufgrund der schlechten Studienqualität gering. Die Leitlinien des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) empfehlen daher zur Verhinderung einer CRBSI die Verwendung von beschichteten Kathetern nur dann, wenn die CRBSI-Rate trotz maximaler Ausschöpfung anderer prophylaktischer Maßnahmen (vor allem das Einhalten strenger Hygieneregeln beim Setzen und bei der Manipulation mit dem zentralen Venenkatheter) hoch bleibt. Da jedoch zahlreiche Studien belegen, dass das strenge Einhalten von standardisierten Hygieneregeln durchwegs zu einer dramatischen Senkung der CRBSI-Rate führt, gibt es derzeit nur ganz wenige Indikationen für die Anlage eines beschichteten ZVKs (z. B. „Out of vessel“- Patienten).

ZUSAMMENFASSEND muss festgehalten werden, dass katheterassoziierte Infektionen eine der häufigsten Ursachen für nosokomiale Infektionen darstellen, die mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert sind. Die wohl mit Abstand wichtigste Maßnahme zur Reduktion von katheterassoziierten Infektionen ist das strenge Einhalten standardisierter Hygienemaßnahmen, sowohl bei der Applikation des ZVKs als auch bei der Manipulation am ZVK. Derzeit kann, bis auf spezielle Sonderfälle, eine Anwendung von „beschichteten“ ZVKs nicht allgemein empfohlen werden.