Stellungnahme von Frau Prof. Ferlitsch

In Bezug auf die Seite des niedergelassenen Internisten möchte ich die Entstehungsgeschichte des „Qualitätszertifikats Darmkrebsvorsorge“ näher darstellen:
Bei den Anfangsverhandlungen der ÖGGH mit dem Hauptverband war immer ein „Abgesandter der Ärztekammer“ vertreten, welcher sich anschließend zurückgezogen hat. Die Leitlinie „Qualitätsgesicherte Vorsorgekoloskopie“ wurde auf Anstoß des Bundesministeriums für Gesundheit geschrieben, an welches wir uns 2009 mit Bitte um Übernahme des Zertifikats durch eine „Qualitätssichernde Organisation“ wie ÖBIG oder BIQG gewandt hatten. Es wurde uns zugesichert, dass durch die Implementierung des Leitlinienprozesses eine Übernahme bzw. Erweiterung auf ganz Österreich möglich sein sollte. Als weiteres Zeichen eines Aufbaus der Zusammenarbeit mit der Ärztekammer wurde der Präsident der Ärztekammer zum Round Table des internationalen Symposiums „Ist Qualitätssicherung bei der Vorsorgekoloskopie wichtig?“ am 6. November 2012 in Wien eingeladen. Es wurde Dr. Fiedler nominiert, er musste jedoch aus privaten Gründen 6 Tage vor dem Symposium absagen. Die Leiterin der Arbeitsgruppe Qualitätssicherung der ÖGGH hat sich leider ohne Erfolg um Ersatz gekümmert. Es wurden somit von der ÖGGH mehrere Versuche einer Zusammenarbeit mit der Ärztekammer unternommen, und die Gesellschaft wird auch künftig darum bemüht sein.
Unabhängig davon wurde in den letzten 6 Jahren ein herzeigbares Qualitätssicherungsprojekt, welches durch zahlreiche Publikationen mittlerweile international anerkannt wurde, aufgebaut. Als Zeichen der Wirkungsbreite ist Österreich in der Arbeitsgruppe Qualitätssicherung der Europäischen Gesellschaft für gastrointestinale Endoskopie (ESGE) vertreten. Das gibt uns die Möglichkeit, mit Vorreitern aus Europa weitere Qualitätssicherungstools zu entwickeln und anzuwenden.
Im internationalen Vergleich schaut es um die Qualität der Vorsorgekoloskopie in Österreich gut aus: In Österreich wurde bei 96 % der Vorsorgekoloskopien das Zökum erreicht (komplette Koloskopie). 87 % der Vorsorgekoloskopien wurden in Sedoanalgesie – als „sanfte Koloskopie“ – durchgeführt. Die durchschnittliche Adenomentdeckungsrate liegt bei 20 % (25 % bei Männern und 15 % bei Frauen), was den internationalen Erwartungen entspricht. Zudem haben wir gezeigt, dass bei Männern zwischen 50 und 55 Jahren das Risiko für Vorstufen und frühe Formen von Dickdarmkrebs (Adenome) doppelt so hoch ist wie bei gleichaltrigen Frauen. Das Adenomrisiko bei 45- bis 50-jährigen Männern ist gleich hoch wie jenes bei um zehn Jahre älteren Frauen. Passend dazu zeigt die aktuelle Auswertung von Statistik Austria, dass die Männer in Österreich doppelt so häufig an Darmkrebs erkranken und daran versterben wie Frauen. Alle diese Aspekte unterstreichen die Notwendigkeit der Anpassung des Zuweisungsalters zur Vorsorgekoloskopie, um die Darmkrebsneuerkrankungen und die Mortalität bei den Männern zu senken1. Die Sedoanalgesie erhöht die Zökumerreichrate v. a. bei Frauen, hat aber keinen Einfluss auf andere Qualitätsparameter wie Adenomentdeckungsrate2. Zudem haben wir herausgefunden, dass das maligne Potenzial der Polypen mit deren Größe und weniger mit deren Form zusammenhängt3.
Bezüglich der Diskussion über die Notwendigkeit der „chemisch-thermischen Desinfektion“ der Endoskope mittels einer Waschmaschine möchte ich nur zu bedenken geben, dass es sich beim Koloskop um ein 1,3 m langes Gerät mit sehr engem Arbeits- und Spülkanal handelt, und dieses nur in der Waschmaschine effizient gereinigt werden kann. Zudem zeigen gastrointestinale Endoskope das höchste (auch wenn dieses marginal ist) Risiko für übertragbare Infektionen4.

 

1 Ferlitsch M et al., Sex-specific prevalence of adenomas, advanced adenomas, and colorectal cancer in individuals undergoing screening colonoscopy. JAMA 2011; 306:1352–8

2 Bannert C et al., Sedation in screening colonoscopy – impact on quality indicators and complications. Am J Gastroenterol 2012; DOI: 10.1038/ajg.2012.347, [Epub ahead of print]

3 Reinhart K et al., Prevalence of flat lesions in a large screening population and their role in colonoscopy quality improvement. Endoscopy; accepted 2012 Dec 4

 4 Weber DJ, Managing and preventing exposure events from inappropriately reprocessed endoscopes. Infection Control and Hospital Epidemiology 2012; 33:657–60