Therapie der chronischlymphatischen Leukämie (B-CLL)

Während sich in der Erstlinientherapie  der CLL zuletzt auf Basis eines randomisiert  erhobenen Überlebensvorteiles für  fitte Patienten FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid  und Rituximab) als klarer Standard  erwiesen hat, sind weiterhin viele Bereiche  der CLL-Therapie im Fluss, insbesondere bleiben  Fragen nach Maintenance-Strategien,  nach geeigneten Konzepten für die relabierte  und refraktäre Erkrankung und nach der zukünftigen  Rolle von Signaltransduktionsinhibitoren offen.
Wenn bei einer diagnostizierten B-CLL nach  den aktuellen Behandlungsleitlinien aufgrund  Aktivität oder Stadium eine Therapieindikation  vorliegt, sollte die Therapie optimalerweise  als kombinierte Chemoimmuntherapie durchgeführt  werden. Die Auswahl des Therapieregimes  erfolgt hierbei je nach Belastbarkeit  und Komorbidität des Patienten. Ein kurzer  Überblick über einige sinnvolle mögliche und  mit Studiendaten belegbare Therapieabfolgen  soll im Folgenden gegeben werden.

First-Line-Therapie

Bei fitten Patienten ist aktuell die Kombination  Fludarabin, Cyclophosphamid und Rituximab  als Therapie der ersten Wahl anzusehen, da  sich in der deutschen CLL8-Studie mittlerweile  ein Überlebensvorteil für die mit FCR behandelte  Gruppe gezeigt hat. Hier ist jedoch darauf  hinzuweisen, dass das Kollektiv, das in der  Studie untersucht wurde, durchaus stark  nach Fitness selektioniert war und dass auch  für diese fitte Gruppe FCR eine durchaus toxische  Therapie darstellt. So konnten in der  Studie bei 25 % der Patienten nicht alle geplanten  6 Zyklen Therapie mit FCR durchgeführt  werden, in fast 50 % der Fälle wurde auch  eine Dosisreduktion nötig, und das in einem  relativ „gesunden“ und gut belastbarem Patientenkollektiv  (charakterisiert durch CIRS <  6 [Cumulative Rating Illness Scale] sowie  einer eGFR von > 70 ml/min/KO).  In der Praxis lässt sich der Vorteil der Rituximab-  Behandlung (die ja der randomisierte  Anteil in der CLL8-Studie war) bei weniger  belastbaren Patienten allenfalls mit weniger  intensiven Chemotherapie „backbones“ verwirklichen.  Die Zulassung erlaubt dabei ja  die Kombination mit allen anwendbaren Chemotherapeutika  (z. B. Bendamustin, Fludarabin,  Cyclophosphamid oder auch Chlorambucil). 

AGMT-Studien CLL-4, CHAIROS, und CLL-8/A,  MABTENANCE: Ein durchaus relevantes Problem stellt das Problem des early relapse nach FCR dar, hier ist das Patientensurvival aus bislang dokumentierten Serien (die erste  davon aus der Kohorte des MD Anderson  Cancer Center) beunruhigend schlecht. Es  ist dabei anzunehmen, dass die Relapsrate  bei weniger intensiver Initialtherapie (wie oben  für weniger fitte Patienten angedeutet) höher  sein wird. Für beide Situationen könnte eine  Strategie zur Remissionserhaltung Vorteile  bringen. Wir haben daher im Rahmen der  österreichischen Studiengruppe in der Phase-  II-Studie CLL-4 der AGMT (CHAIROS) nach  leicht reduzierter FCR-artiger Induktion die  Machbarkeit einer 2-jährigen Erhaltung (8 x  Rituximab alle 3 Monate) getestet. In der  letztes Jahr beim ASH präsentierten vorläufigen  Endauswertung zeigte sich eine gute Tolerabilität,  mit einer Rate an Infektionen, die nicht  über der nach FCR zu erwartenden lag. In  der Auswertung des Ansprechens zeigte sich  eine signifikante Verbesserung der Responsetiefe,  sowohl im klinischen Ansprechen als  auch in der Auswertung der MRD-Messungen,  sodass das im indirekten Vergleich mit der  CLL8 sehr gute PFS durchaus plausibel erscheint.  Insbesondere für die Hochrisikogruppe  der Patienten mit del11q war das Ergebnis  überraschend gut. Aus diesen Daten haben  wir die Rationale für eine randomisierte Studie  bezogen. Im Rahmen der AGMT-CLL-8/AStudie  (MABTENANCE) wird somit aktuell  eine Erhaltungstherapie mit Rituximab nach  Ansprechen auf eine Rituximab-hältige Erstoder  Zweitlinientherapie evaluiert (> Abb.).  Wir laden alle herzlich ein, in diese von Österreich  aus geführte internationale Studie zu  rekrutieren, um diese wichtige Frage beantworten  zu können. Alternative Erhaltungsstrategien  mit Lenalidomid sind ebenfalls in  Testung, die dazu laufenden Studien haben  aber einige Probleme in Design und Rekrutierung.

AGMT-Studie CLL5, REVLIRIT: Eine weitere,  zuletzt international beachtete Studie der  AGMT befasste sich mit einer möglichen  Weiterentwicklung von FCR. Die so genannte  REVLIRIT-Studie (AGMT-CLL5) hat dabei ein  alternatives Erstlinienschema mit Fludarabin,  Rituximab sowie der immunmodulatorischen  Substanz Lenalidomid etabliert und dabei ein  deutlich repräsentativeres Kollektiv rekrutiert  (medianes Alter 66 Jahre) als z. B. die  deutsche CLL8-Studie (medianes Alter 61  Jahre). Während die Wirksamkeit in dieser  Phase-I/II-Studie sehr überzeugend war, zeigten  sich überraschenderweise zwei Patientengruppen  mit sehr unterschiedlicher Toleranz  für Lenalidomid in der Kombination. Diesbezüglich  ist es gelungen, aus T-Zell-Analysen  einen prädiktiven Faktor für die Tolerabilität  zu etablieren, der einen optimierten Einsatz  von Lenalidomid in der Zukunft ermöglichen  könnte. Diese Daten werden in einem Vortag  am ASH 2011 präsentiert werden.

Therapie der relabierten Erkrankung

Im Relaps einer CLL nach vorangegangener  Therapie in erster oder auch späterer Linie  sind zwei Gruppen zu unterscheiden: Patienten  mit längerem rezidivfreien Intervall, für die  eine Wiederholung der vorangegangenen Therapie  für adäquat gehalten wird und für die  oft auch in der Folge weitere Optionen aktiv  sind, und Patienten mit relativ raschem  Rezidiv, für die die therapeutischen Entscheidungen  rasch schwierig werden. In dieser  letzten Gruppe sammeln sich oft Patienten  mit molekularen Hochrisikofaktoren wie einer  Deletion 17p oder mit Mutationen im p53-  Lokus. Für solche Patienten ist eine allogene  Transplantation je nach klinischer Machbarkeit  eine wichtige Option (allenfalls nach OFAR-  [Oxaliplatin, Fludarabin, Ara C, Rituximab]  oder R-DHAP-Induktion [Rituximab, Dexamethason,  Ara C, Cisplatin]).

Antikörpertherapien: Insgesamt sind für Folgetherapien  einige Optionen zur Verfügung,  darunter erfolgversprechende Therapien mit  Antikörpern, allenfalls auch in Kombination  mit einem Chemotherapeutikum. Zugelassene  Antikörper sind Alemtuzumab (CD52-Antikörper)  und Ofatumumab (CD20-Antikörper)  (letzteres überwiegend in Monotherapie).  In der Vergangenheit ist in Österreich eine  Kombination von Alemtuzumab mit Fludarabin  getestet worden. Hier zeigte sich, ähnlich  einer deutschen Studie, eine recht gute  Krankheitskontrolle und ein gutes therapiefreies  Überleben vor allem für Patienten,  die eine MRD-(Minimal Residual Disease)-  Negativität erreichten. Die Toxizität war  dabei durchaus beachtenswert, wenn auch  mit Erfahrung vernünftig zu handhaben, sodass  solche Therapien eher in die Hände  erfahrener Zentren gehören. Gerade abgeschlossen  ist das Folgeprojekt dieser Studie,  eine Kombination mit Bendamustin und  Alemtuzumab. Wir erwarten eine erste Auswertung  zur Effektivität Mitte kommenden  Jahres.  Für Patienten mit mehrfachen Rezidiven wird  die Situation zunehmend komplex: Hier sind  eine Reihe von Optionen in Erprobung, jedoch oft nicht außerhalb von Studien zugänglich.  Relevante Erfolge (bei auch bemerkenswerten  Toxizitäten) sind mit Kombinationen von Alemtuzumab  mit sehr hoch dosierten Steroiden  erzielt worden. Als zusätzlich Option erscheint  hier Lenalidomid eine Rolle zu erwerben, allenfalls  auch in Kombinationen mit CD20-Antikörpern.  Besondere Aufregung im Feld verursachen  derzeit erste Daten aus der Behandlung mit  Inhibitoren des B-Zell-Rezeptorsignalweges,  also von Kinasen wie Syk, PI3K und Btk.  Diese haben teilweise bemerkenswerte Ansprechraten,  vor allem der Lymphknoten, in  stark vorbehandelten Kollektiven. Hier ist insbesondere  kritisch, dass es bei diesen Substanzen  initial durch eine Umverteilung zu  massiven Leukozytosen kommen kann, die  nicht mit einem Progress verwechselt werden  dürfen. Die weitere Entwicklung dieser Substanzen,  wohl teilweise in Kombination mit  Antikörpern, hat durchaus das Potenzial, die  Therapie der CLL im kommenden Jahrzehnt  zu revolutionieren.

FACT-BOX
Die Erstlinientherapie fitter CLL-Patienten  mit FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid,  Rituximab) ist derzeit die bestabgesicherte  Entscheidung in der CLL-Therapie. Komplexer  sind Therapieentscheidungen für  weniger fitte Patienten, wo Erhaltungsstrategien  oder die Hinzunahme neuer Medikamente  eine wichtige Rolle spielen werden.  Im Rezidiv wird die Situation durch eine  Reihe molekularer Risikofaktoren noch  komplexer und wir hoffen auf neue Signaltransduktions-  Inhibitoren, die in ersten Studien  vielversprechend waren.