Fehlende Mittel, fehlende Kassenstellen, fehlende Gesprächsbasis: aus den Bundesländern häuft sich die Kritik der Ärztekammern an der ÖGK. Die Ärzteschaft warnt vor einer Aushöhlung des Systems.
Die angespannte Finanzlage der ÖGK macht sich auch in den Bundesländern bemerkbar. In der RELATUS-Redaktion häufen sich die Meldungen über Probleme in den Bundesländern. Die Vorarlberger Ärztekammer warnt etwa vor einem Kollaps der kassenärztlichen Versorgung im Bundesland. Diese stehe „auf der Kippe“, das Gesundheitssystem werde kaputtgespart, kritisierte Ärztekammer-Präsident Burkhard Walla in einer Aussendung. Alexandra Rümmele-Waibel, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte, sprach von immer länger werdenden Wartezeiten und ausgelasteten Ordinationen. Oftmals könnten keine neuen Patient:innen mehr aufgenommen werden: „Der Versorgungsbedarf steigt enorm, die Zahl der Kassenstellen jedoch stagniert.“ Die Vorarlberger Ärzteschaft habe bisher mit dem sogenannten Job-Sharing reagiert: Dabei teilen sich zwei Ärzt:innen eine Kassenstelle und können die Versorgungskapazität dieser einen Stelle auf bis zu 190 Prozent erweitern. Für zusätzliche Job-Sharings sei nun aber kein Geld mehr vorhanden.
Die Ärztekammer in Kärnten fürchtet, dass das Bundesland zum Testfall dafür wird, „wie man ein solidarisches Gesundheitssystem systematisch schwächt“ und die Kassenmedizin ruiniert. Leistungen für Patient:innen würden reduziert und gleichzeitig werde der Berufsstand der Kassenärzt:innen durch inflationsbedingt sinkende Honorare inklusive der fehlenden Tarif- und Leistungsanpassung und ignorierten Bedarfsanalysen zunehmend demotiviert. Die Kärntner Ärztekammer kündigt daher Widerstand an: Eine umfassende Informationsoffensive in den Ordinationen soll die Bevölkerung auf Leistungseinschränkungen aufmerksam machen – auch Streiks und weitere Maßnahmen stehen im Raum. Den Auftakt macht ein Warnstreik am 18. August mit eingeschränkten Ordinationsöffnungszeiten.
Die neue Kurienobfrau für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Niederösterreich, Dagmar Fedra-Machacek, fordert, dass Gesundheitsleistungen im urbanen Raum anders geplant werden als am Land: „Wir haben im Bezirk Horn andere Themen und Herausforderungen als im Bezirk Mödling. Das kann nicht am Reißbrett in Wien entschieden werden. Bis vor einem Jahr hatten wir noch zu den jeweiligen Themen Ansprechpersonen in der ÖGK-Landesstelle. Jetzt liegt die Zuständigkeit für Medikamentenbewilligungen in Kärnten, die Vorsorgeuntersuchung im Burgenland und die Hausapothekenangelegenheiten in Wien. Wobei sich diese Zuständigkeiten ständig ändern. Das lähmt auf allen Ebenen“, sagt Fedra-Machacek.
Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Steiermark, Dietmar Bayer ortet, dass die „medizinische Realität“ vor Ort von der ÖGK-Zentrale in Wien nicht mehr verstanden, geschweige denn umgesetzt wird: „Wir brauchen starke Landesstellen mit echter Entscheidungskompetenz. Der Föderalismus ist kein Auslaufmodell, sondern Grundbedingung für eine funktionierende Versorgung im niedergelassenen Bereich.“ Dazu gehöre auch, auf Augenhöhe mit den Ländern und der Ärztekammer zusammenzuarbeiten.
In Oberösterreich erreichen die Ambulanzzahlen in den Spitälern einen Allzeit-Rekord. „Die horrenden Zahlen sind größtenteils hausgemacht. Bedingt durch die Alterspyramide sind vor allem die chronischen Erkrankungen gestiegen, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle, können die Erkrankungen im niedergelassenen Bereich, also in den Ordinationen, bestens versorgt werden. Das geht allerdings nicht, da es im niedergelassenen Bereich noch immer 47 unbesetzte Kassenstellen gibt“, sagt Harald Mayer, Kurienobmann der angestellten Ärzte in der Ärztekammer für Oberösterreich. Er fordert, dass die ÖGK nicht nur die vielen unbesetzten Kassenstellen besetzt, sondern auch weitere Kassenstellen zusätzlich schafft, da sich der Bevölkerungsanstieg der vergangenen Jahre nicht in der Gesamtzahl der Kassenstellen wiederfindet. (rüm)