Bei Gichtpatient:innen ist der Harnsäurewert im Routinelabor oftmals nicht „fett“ hervorgehoben – Normalität bedeutet nicht immer Gesundheit. Der Zielwert für die Harnsäure sollte unter 6mg/dl liegen, um Harnsäureablagerungen zu reduzieren. Bei Patient:innen mit Tophi, chronischer Gichtarthritis oder häufigen Anfällen wird eine Senkung auf < 5 mg/dl empfohlen. Die Ausbildung zur Hyperurikämie ist stark genetisch determiniert: Das internationale Global Urate Genetics Consortium (GUGC) identifizierte insgesamt 28 genetische Risikofaktoren für erhöhte Harnsäurespiegel nach der Analyse des Genoms von mehr als 140.000 Personen.
Die Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) hat im Jahr 2022 ihre Empfehlungen für Lebensstil-Optimierungen für Patient:innen mit Gicht und Hyperurikämie aktualisiert. Die wesentlichen Maßnahmen: Gewichtsabnahme bei bestehendem Übergewicht, Reduktion von rotem Fleisch und verarbeiteten Fleischwaren sowie Einschränkungen bei Genuss von Meeresfrüchten und Alkohol. Man kann sich stark an den Grundsätzen der Mittelmeerkost mit viel Gemüse, Obst, maßvollem Fleischkonsum und regelmäßigem Verzehr von Fisch ohne Haut orientieren. Auch die DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension), die auf einem hohen Anteil von Vollkornprodukten, fettarmen Milcherzeugnissen, Früchten und Nüssen sowie einem niedrigen Anteil von Fleisch basiert, sei diesbezüglich empfehlenswert.
Kleinigkeiten, wie beim Konsum von Fleisch dieses vorher zu kochen, da Purine zu einem großen Teil ins Kochwasser übergehen, senken die Harnsäureaufnahme. Es gibt auch mehrere Beiträge, die zeigen, dass Kaffee den Harnsäurespiegel senken kann. Auf den positiven Effekt von Vitamin C sei hinzuweisen, denn die tägliche Einnahme von 500 mg senkt den Harnsäurespiegel innerhalb von zwei Monaten um 20 %. Auch Kirschextrakte (insbesondere solche aus Montmorency-Sauerkirschen) können zur Senkung beitragen. Bezüglich der Kritik an diesen Studien, diese seien nicht placebokontrolliert, kann nur angemerkt werden, dass es schwerfällt, 1.000 Patient:innen ohne Kaffee zu kontrollieren.
Patient:innen mit Hyperurikämie und Gicht sollten vor allem Fruchtsäfte mit „künstlichem“ Fruchtzucker meiden, da der Abbau von Fruktose zum Anstieg des Harnsäurespiegels führt. Die künstliche Fruktose, High-Fructose-Corn-Syrup (HFCS), basiert auf Maisstärke und steigert den Harnsäurespiegel um das Vier- bis Achtfache. Außerdem fördert sie die Entstehung einer nichtalkoholischen Fettleber.
Der Nachweis von Uratablagerungen in der Synovia ist nach wie vor der Goldstandard, nur nicht immer verfügbar oder möglich. Mittels Dual-Energy-CT können die Gichtablagerungen ebenso dargestellt werden. Es hat sich dabei gezeigt, dass Gichttophi (Abb.) nicht nur augenscheinlich im Subkutangewebe auftreten.
Abb.: Gichttophi sind eine klare Therapieindikation, die asymptomatische Hyperurikämie nicht. Quelle: Lunzer, 2024
Sie finden sich z.B. auch im Bursa praepatellaris, auf der Tendo calcanei, in den Tubuli der Nieren und anderen Organen, am Kehlkopf oder an der Wirbelsäule. Nur wenn es sich um den ersten Gichtanfall handelt oder die Patient:innen sehr adipös sind, kann die Dual-Energy-CT falsch negativ ausfallen. Die Ultraschalldiagnostik in geübten Händen ist in den letzten Jahren zur Routine geworden. Wenn sich schon im Röntgen ausgestanzte Läsionen zeigen, wird es sich schwerlich um eine Früherkennung handeln! Übrigens leiden Frauen genauso an Gicht, nur etwas später als Männer – dem Östrogen wird eine harnsäuresenkende Komponente zugeschrieben.
Bei einer (gesicherten) Gichtattacke empfiehlt die ÖGR folgende Vorgangsweise für den Akutfall: Erstlinientherapie ist die sofortige Gabe von 1 mg Colchicin, nach einer Stunde wird eine weitere Tablette eingenommen. Eine spätere Einnahme hat keine Relevanz, weil Colchicin nur innerhalb von 12 Stunden nach Anfallsbeginn seine Effektivität ausspielen kann. NSAR können in der Akutphase genommen werden, allerdings muss der Einsatz gegen das Risiko bei bestehenden Nierenerkrankungen und einer Hypertonie, die sich dadurch in dieser Phase der Entzündung verschlechtern können, abgewogen werden. Eine weitere Option ist natürlich die Verabreichung von Glukokortikoiden. Ich empfehle 3 Tage lang 25 mg oral oder intramuskuläre Injektionen. Wenn das nicht ausreicht, ist die Lokaltherapie des betroffenen Gelenks ideal. Dabei wird einerseits Flüssigkeit aus dem betroffenen Gelenk punktiert (Druckentlastung), andererseits Kortison ins Gelenk injiziert. In Ausnahmefällen wie bei Patient:innen im Zustand nach einem Myokardinfarkt oder bei einem schweren Diabetes mellitus können Off-Label Interleukin-1-Inhibitoren Einsatz finden. Diese IL-1-Inhibitoren setzen genau am Entzündungsmechanismus der Gicht an, und die Patient:innen sind innerhalb von 24 Stunden deutlich beschwerdegebessert.
Colchicin ist früher in Verruf geraten, da – wenn falsch dosiert – schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können (korrekt dosiert aber nicht). Die Colchicin-Dosis zur Prophylaxe sollte nach der derzeitigen Datenlage bei 0,5–1 mg pro Tag liegen. Diese Erkenntnisse stammen auch aus den (Zulassungs-)Studien mit dem Harnsäuresenker Febuxostat, bei denen Colchicin als Prophylaxe erlaubt war. Die Dauer der Prophylaxe wird mit 8 Wochen bis 6 Monate angeführt. An dieser Stelle sei auch auf die hervorragenden kardiovaskulären Daten verwiesen, bei denen die tägliche Gabe von Colchicin bei >70.000 Gichtpatient:innen mit deutlich geringeren Raten an kardiovaskulären Ereignissen verbunden war. Ob der guten kardiovaskulären Outcome-Parameter diskutieren Expert:innen eine durchaus längere Colchicin-Prophylaxe (12 Monate). Aber, und das ist heiß umstritten: Unter Colchicin wird „nur“ das Herzinfarktrisiko gesenkt, nicht jedoch das Schlaganfallrisiko.
Voraussetzung für alle verfügbaren Therapieoptionen ist aber schlussendlich, dass die Nierenfunktion aufrechterhalten bleibt, denn die Harnsäure kann nur über die Niere ausgeschieden werden – und nicht über „das Gelenk“! Wie einleitend angeführt wird, dass die Harnsäure allein nicht tangiert werden muss, so muss umso konsequenter nach einem Gichtanfall die Harnsäure tangiert werden. Die Kristallurie ist ein wesentlicher Faktor für die Nierenschädigung. Ob jetzt Allopurinol oder Febuxostat eingesetzt wird, ist hinsichtlich der kardiovaskulären Warnung mittlerweile revidiert. Durch die Ergebnisse vieler Kohortenstudien wurden robuste und beruhigende Daten im Hinblick auf die kardiovaskuläre Sicherheit von Febuxostat bei Patient:innen mit Gicht erhoben.
Eine Option zur Harnsäure-Elimination mittels der SGLT2-Inhibitoren wäre mit einer Senkungsrate von 1,8mg/dl in Studien aufgefallen. Die URAT-1-Inhibitoren sind immer wieder auf Kongressen präsent, aber bis jetzt in Europa nicht verfügbar. Angesprochen wird wiederholt, ob nicht eine Harnsäuresenkung zur Demenz führe. Dies resultiert aus der Tatsache, dass bei Demenzpatient:innen sehr geringe Harnsäurewerte vorliegen, aber derzeit große Analysen keinen Zusammenhang mit einer Harnsäuresenkung erkennen lassen.