Aktuelle Empfehlungen bei COPD

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) stellt weiterhin eine Volkskrankheit dar. Die Prävalenz der COPD, die zwischen einzelnen Ländern deutlich variiert, wird global auf ca. 10,3% geschätzt.1,2 Sie wird aufgrund der steigenden Lebenserwartung in den Ländern mit hohem Einkommen sowie der Zunahme des Nikotinkonsums in Ländern mit niedrigem bzw. mittlerem Einkommen weiterhin steigen.

Neue Begriffsdefinitionen

Der GOLD-(Global-Initiative-for-Chronic-Obstructive-Lung-Disease-)Report 2023 beinhaltet mehrere neue Empfehlungen zu Definitionen, Klassifizierung, Präventionskonzept sowie Diagnose und Behandlung der stabilen chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.2 Die neue Definition beschreibt die COPD weiterhin als Lungenerkrankung, die mit einer persistierenden Atemwegsobstruktion einhergeht. Sie betont jedoch nun den oftmals progredienten Charakter der Erkrankung sowie die Heterogenität hinsichtlich der Genese und Symptomatik, aber auch hinsichtlich der strukturellen Lungenveränderungen (Bronchitis, Bronchiolitis, Emphysem). Es wird zudem hervorgehoben, dass die COPD zwar vorwiegend durch inhalative schädliche Schadstoffe verursacht wird, jedoch werden u.a. auch Entwicklungsstörungen, Infektionen sowie die bereits bekannten genetischen Ursachen deutlicher betont.
Erstmalig wurde zudem der Begriff „GETomics“ eingeführt, um den komplexen Zusammenhang zwischen genetischen Faktoren („genetic background“, G) und Umweltfaktoren („environmental risk factors“, E) über die Zeit („time“, T) zu verdeutlichen.3 Diese komplexen Interaktionen können zur Lungenschädigung und/oder zu Veränderung der pulmonalen Entwicklungs- oder Alterungsprozesse führen. In den entwickelten Ländern ist die raucherassoziierte COPD nach wie vor führend. In Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen spielt jedoch die Exposition gegenüber Biomasse und Umweltverschmutzung eine wesentliche Rolle. Außerdem können Entwicklungsstörungen und Infektionen (Infektionen in der frühen Kindheit, Tuberkulose, HIV) ebenfalls zu einer COPD führen. Neben der Mutation des SERPINA-1-Gens, das zum Alpha-1-Antitrypsin-Mangel führt, bestehen auch andere genetische Variationen (Genkodierung für Matrix-Metalloproteinase-12, Glutathion-S-Transferase, alpha-nikotinischer Acetylcholinrezeptor, Hedgehog-interagierendes Protein), die – wenn auch im geringeren Ausmaß – mit einer reduzierten Lungenfunktion und einem Risiko für eine COPD verbunden sind.

Um diese unterschiedlichen Ätiologien und somit Phänotypen – die sogenannten „Ätiotypen“ – einer COPD besser abbilden zu können, wurde die in der Tabelle genannte Taxonomie der COPD vorgeschlagen.2, 4

Auch wenn diese derzeit noch keine Bedeutung für das therapeutische Vorgehen hat, weist sie auf die Vielfalt der COPD hin und soll zukünftige Forschung bezüglich differenzierter Behandlungsansätze forcieren. Nach wie vor kann die COPD-Diagnose nur gestellt werden, wenn im entsprechenden klinischen Kontext eine bronchiale Obstruktion (FEV1/FVC < 0,7% nach Bronchodilatation) vorliegt. Um jedoch die frühen Entwicklungsphasen der COPD zu erfassen, wurden bereits die Begriffe „pre-COPD“, „young COPD“, „mild COPD“ sowie „early COPD“ definiert. Im Rahmen dieses Präventionskonzepts der COPD wurde in den aktuellen Empfehlungen auch der Begriff PRISm (Preserved Ratio Impaired Spirometry) eingeführt.5 Individuen mit PRISm haben einen normalen Tiffeneau-Index (FEV1/FVC ≥0,7% nach Bronchodilatation), aber ein forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde (FEV1) < 80% des Referenzwertes nach Bronchodilatation. Die Prävalenz der PRISm variiert von 7,1–20,3% und ist besonders hoch bei Raucher:innen und Exraucher:innen. Individuen mit hohem oder niedrigem Body-Mass-Index haben ebenso eine erhöhte Prävalenz von PRISm. Die klinische Relevanz liegt darin, dass PRISm mit einer erhöhten Gesamtmortalität und mit einem ca. 50%igen Risiko für die Entwicklung einer fixierten Bronchialobstruktion einhergeht. Aus diesem Grunde sollten die Individuen mit einer pre-COPD oder einer PRISm als Patient:innen betrachtet und dementsprechend behandelt werden. Die Studienlage hinsichtlich der Pathogenese und Therapie ist allerdings derzeit noch unzureichend.

Neue Gruppeneinteilung

In der neuen GOLD-Empfehlung 2023 ist die ehemalige Gruppeneinteilung A, B, C und D einer Gruppeneinteilung A, B und E gewichen. Bei dieser neuen Einteilung wird die klinische Relevanz einer COPD-Exazerbation zum Ausdruck gebracht. Patient:innen mit mindestens einer COPD-Exazerbation, die einen Spitalsaufenthalt erforderte, bzw. mindestens zwei moderaten Exazerbationen werden nun unabhängig von der Symptomatik (CAT- und mMRC-Scores) der Gruppe E (statt Gruppe C oder D) zugeordnet. Die Kriterien zur Einteilung in Gruppe A (mMRC 0–1 Punkte, CAT < 10 Punkte sowie keine oder eine moderate Exazerbation) und Gruppe B (mMRC-Score ≥ 2, CAT ≥ 10 sowie keine oder eine moderate Exazerbation) blieben unverändert. Patient:innen mit COPD-A sollen mit einem Bronchodilatator therapiert werden, während Patient:innen in der Gruppe B mit einer dualen Bronchodilatation (LAMA [„long-acting muscarinic antagonists“] + LABA [„long-acting beta 2 agonists“]) behandelt werden. Bei Patient:innen in der Gruppe E wird eine Kombination von LAMA + LABA bzw. LAMA + LABA + ICS (inhalative Kortikosteroide) bei vorliegender Eosinophilenzahl > 300/µl empfohlen.

Die Definition einer COPD-Exazerbation hat sich ebenfalls geringfügig geändert und ist nun als ein akutes Ereignis definiert, das durch eine Zunahme von Dyspnoe und/oder produktiven Husten in weniger als 14 Tagen charakterisiert ist und häufig von einer erhöhten lokalen und systemischen Inflammation begleitet wird. Ein medizinisches Handeln wird nicht mehr als Kriterium einer Exazerbation gefordert. Bei einer respiratorischen Verschlechterung sollten weiterhin Differenzialdiagnosen wie Pneumonie, Obstruktion der oberen Atemwege, Pleuraerguss, Pneumothorax, linksventrikuläres Versagen, Lungenembolie, Lungenkrebs, Rechtsherzinsuffizienz sowie wiederkehrende Aspirationen ausgeschlossen werden.

Resümee

Zusammenfassend werden in der 2023 veröffentlichen GOLD-Empfehlung die Heterogenität der COPD betont und unterschiedliche Ätiotypen definiert. Auch wenn diese derzeit noch keinen Einfluss auf das therapeutische Vorgehen haben, weisen sie auf die Vielfalt der COPD hin und sollen zukünftige Forschung bezüglich differenzierter Behandlungsansätze forcieren. Ein weiterer Fokus wird auf die Identifizierung von Personen gelegt, die ein erhöhtes Risiko haben, an einer COPD zu erkranken. Hier sind jedoch weitere Studien, welche die Prädiktoren für die Entwicklung einer COPD evaluieren, erforderlich.