Allergie und Haut – ein kom­plexes Zusammenspiel

Allergische Erkrankungen liegen laut Österreichischer Gesundheitsbefragung 2019 hinter Rückenschmerzen an zweiter Stelle der häufigsten chronischen Krankheiten. Etwa zwei Millionen Menschen in Österreich leiden an einer Allergie. Die Hygienehypothese begründet die Zunahme der Allergien und Autoimmunerkrankungen mit der gleichzeitigen Abnahme von Infektionen seit Ende des 2. Weltkriegs. Tatsächlich scheinen mikrobielle Lipopolysaccharide, wie sie auf Bauernhöfen mit Milchwirtschaft vorkommen, wichtige Faktoren bei der Entwicklung unseres Immunsystems zu sein.

Kutane Arzneimittelreaktionen

Neben der Leber und dem Knochenmark gehört die Haut zu den von einer unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW) am häufigsten betroffenen Organen. Die meisten UAW sind pharmakologisch bedingt (Typ A, siehe Tabelle).
Allergische Reaktionen vom Typ I bis IV nach Coombs und Gell sowie pseudoallergische Reaktionen (Typ B) sollten allergologisch abgeklärt werden, sofern es sich um relevante Medikamente handelt. Häufige Fragestellungen betreffen Antibiotika, Analgetika, Lokalanästhetika, Narkosemittel und Kontrastmittel.
Etwa 8 % aller PatientInnen geben anamnestisch Allergien auf ein Antibiotikum an, wovon sich nur 10 % auch tatsächlich bestätigen lassen. Unterlassene Abklärungen führen zu einer eingeschränkten Auswahl an Medikamenten, zu einer ineffektiveren Behandlung, längeren Krankheitsdauer, Förderung von Resistenzen und zu höheren Kosten.
IgE-vermittelte Soforttypreaktionen äußern sich als Urtikaria, Angioödem und Anaphylaxie innerhalb einer Latenz von 60 Minuten. Als Allergen fungieren bei Aminopenicillinen meist die Seitenketten, wodurch sich Kreuzreaktionen zu Cephalosporinen der ersten und zweiten Generation ergeben. Seltener sind die spezifischen IgE gegen den Beta-Laktamring gerichtet – mit möglicher Kreuzreaktivität zu anderen Beta-Laktamantibiotika.
T-Zell-vermittelte Spättypreaktionen zeigen sich klinisch als Arzneimittelexantheme (AME). Sie imponieren mit einer Latenz von Tagen bis Wochen zumeist als generalisiertes, makulopapulöses Exanthem mit leichtem Juckreiz. Schwerwiegende Formen präsentieren sich mit Pusteln, Schleimhautbeteiligung, Gesichtsödem, brennenden Hautveränderungen, Bildung von Blasen oder Erosionen im Sinne eines positiven Nikolski-Zeichens oder Krankheitsgefühl. Zu den häufigsten Auslösern zählen Antibiotika, NSAR, Antikonvulsiva, Allopurinol und Sulfone. Zur Ermittlung des ursächlichen Arzneimittels ist die Erhebung des exakten zeitlichen Zusammenhangs zwischen Applikation der Medikamente und Auftreten von Hautveränderungen unerlässlich.
Arzneimittelexantheme werden mit topischen Kortikosteroiden behandelt. Insbesondere bei schweren Hautreaktionen sind eine stationäre Behandlung und weitere Abklärungen durch Hautbiopsie und Labor empfehlenswert.
Die Abklärung einer kutanen Medikamentenallergie erfolgt idealerweise 6 Wochen bis 6 Monate nach der suspizierten Reaktion durch Hauttests. Je nachdem, ob eine Sofort- oder Spättypreaktion stattfand, werden die verdächtigen Medikamente geprickt sowie intradermal oder epikutan getestet. Der Intradermaltest wird mit sterilen (i. v.) Lösungen in verdünnter, nichtirritativer Konzentration durchgeführt und nach 15 Minuten abgelesen, bei Spättypreaktionen nach 3 bis 7 Tagen.
Bei negativem Hauttest folgt üblicherweise ein Provokationstest, wobei der fragliche Auslöser oder auch ein mögliches Alternativmedikament in aufsteigenden Dosen verabreicht und auf Verträglichkeit überprüft wird. Nach Abschluss der allergologischen Abklärung erhalten die PatientInnen einen Allergiepass mit Angabe der zu vermeidenden Medikamente, eventueller Alternativen oder auch einer nötigen Prämedikation. „Prophetische“ Testungen eines zuvor noch nie verwendeten Medikaments im Vorhinein sind nicht sinnvoll.

Urtikaria und Angioödem

Bei den Symptomen Urtikaria und Angioödem werden oft Allergien als Auslöser vermutet, jedoch nur selten als Ursache gefunden – nämlich, wenn es sich um Teilsymptome einer anaphylaktischen Reaktion handelt. Mastzellen können jedoch durch zahlreiche Signale aktiviert werden. Während die akute Urtikaria mit oder ohne Angioödem oft im Rahmen eines Infektes oder einer NSAR-Intoleranz auftritt, handelt es sich bei der chronischen spontanen Urtikaria (CSU) in der Regel um eine Autoimmunerkrankung, die durch Antihistaminika und als Zweitlinientherapie mit dem IgE-Antikörper Omalizumab gut unter Kontrolle gebracht werden kann.
Angioödeme können nicht nur durch Histamin, sondern auch durch Bradykinin bedingt sein. Bradykininvermittelte Angioödeme müssen differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden, wenn keine Urtikaria vorliegt. Sie können erworben (z. B. durch ACE-Hemmer) oder angeboren sein (hereditäres Angioödem). Bradykininvermittelte Angioödeme sprechen nicht auf Antihistaminika, Kortison oder Adrenalin an.

Atopische Dermatitis

Zwei Drittel der NeurodermitispatientInnen entwickeln eine allergische Rhinokonjunktivitis, ein Drittel entwickelt Asthma. Nahrungsmittelallergien kommen insbesondere bei schwerer Neurodermitis gehäuft vor. Statt einer intestinalen Toleranzentwicklung kommt es offenbar infolge der gestörten Hautbarriere und TH2-gewichteten Immunität zu einer perkutanen Sensibilisierung mit Nahrungsmitteln. Klinisch präsentiert sich die Nahrungsmittelallergie einerseits als Soforttypreaktion mit Erbrechen oder asthmatischen Symptomen, andererseits kann es zu einer Verschlechterung des atopischen Ekzems kommen. Die betroffenen Babys sollten im Verdachtsfall allergologisch abgeklärt werden, um unnötige Diäten zu vermeiden. Milch- und Eiallergien bessern sich häufig im Laufe des Kleinkindalters, Nussallergien bleiben jedoch meist bestehen.
Empfehlungen zur Allergieprävention bei atopischer Prädisposition umfassen u. a. Stillen über 4 Monate – dann frühe Einführung von Beikost, Vermeidung von Luftschadstoffen und Vermeidung von Stress bereits in der Schwangerschaft.
Die neuerdings zugelassenen Systemtherapeutika gegen Neurodermitis, Dupilumab (Anti-IL4/13R Antikörper), Tralokinumab (Anti-IL13 Antikörper), Baricitinib (JAK1/2-Inhibitor) und Upadacitinib (JAK1-Inhibitor) zeichnen sich durch ein sehr gutes Risiko-Nutzen-Verhältnis aus und führen zur Linderung von Ekzemen und Juckreiz sowie zu einer Verbesserung der Lebensqualität.

Kontaktallergien

Irritative toxische Kontaktekzeme werden zum Beispiel durch mechanische Reizung der Haut oder Feuchtarbeit ausgelöst. Allergische Kontaktekzeme sind durch Typ-IV-Allergene bedingt. Über 3.000 Kontaktallergene sind bekannt, in der Hitliste stehen Nickelsulfat, Kobaltchlorid, Kaliumdichromat, Duftstoffe, Propolis, Kolophonium und Methylisothiazolinon ganz oben.
Nickel und Kobalt finden sich etwa in Modeschmuck, Piercings, Knöpfen, aber auch in Handys und Kinderspielzeug. Chromgegerbtes Leder in Schuhen kann für Fußekzeme verantwortlich sein. Der Konservierungsstoff Methylisothiazolinon ist in Dusch- und Haargelen, Feuchttüchern, Wandfarben, Lederpflegeprodukten uvm. weit verbreitet.
Bei Berufskrankheiten sind häufig die Hände betroffen. Ein besonders hohes Risiko für Handekzeme besteht bei ZahntechnikerInnen, FriseurInnen, KosmetikerInnen, Gastronomie-, Metall- und Bauberufen, v. a. bei zugrunde liegender atopischer Disposition.
Zum Nachweis oder Ausschluss einer Kontaktsensibilisierung dient der Epikutantest, bei dem je nach Anamnese entsprechende Testreihen am Rücken appliziert werden und für gewöhnlich nach 2 und 3 Tagen abgelesen werden. Eine Sonderform stellt der Photopatchtest dar, wobei 2 parallele Testreihen mit photoallergisch wirksamen Substanzen appliziert und eine Reihe nach 24 Stunden mit UVA bestrahlt wird. Positive Befunde sind nachfolgend auf deren Relevanz zu überprüfen.

Wissenswertes für die Praxis
  • Bei alleinigem Nachweis spezifischer IgE gegen Insektengift ohne stattgefundener Systemreaktion besteht keine Indikation für eine Hyposensibilisierung oder einen Adrenalin-Autoinjektor.
  • Die Abklärung einer fraglichen Medikamentenallergie sollte 6 Wochen bis 6 Monate nach der Reaktion erfolgen, wenn es sich um ein relevantes Medikament handelt.
  • Auch bei PatientInnen mit schwerer Neurodermitis und Polysensibilisierung darf bei entsprechender Indikation eine spezifische Immuntherapie durchgeführt werden. Idealerweise sollten maximal zwei relevante Allergene behandelt werden.