„Always on“ – digitale Süchte in einer digitalen Welt

Smartphone und Co sind nicht nur „digitale Helferlein“ für den Alltag, sie ermöglichen auch eine immer schnellere Übertragung großer Datenmengen, sodass eine unglaubliche Vielfalt von Videostreaming, Online-Spielcasinos, Online-Spielangeboten und Online-Pornografie für jede:n und zu jeder Zeit verfügbar und leistbar geworden ist.

Online-Gaming

Seit der COVID-19-Pandemie hat sich, durch Lockdowns und vorübergehende Schließungen von Parks, Kinos und Sportstätten, der Anteil der Online-Zeiten pro Tag in dieser Phase vervielfacht. Nach Ende der Lockdowns ging die Nutzungsdauer zwar wieder zurück, jedoch sind viele junge Menschen, vor allem diejenigen, die zuvor schon intensive Gamer:innen waren, beim exzessiven Internetkonsum hängen geblieben und gelten heute häufig als onlinesüchtig.

Die Kriterien dieser Online-Gaming-Abhängigkeit sind Suchtkriterien, wie wir sie auch von der Diagnostik der Alkoholabhängigkeit kennen. Im digitalen Bereich ist es das „Craving“, der starke Drang, online zu sein. Der „Kontrollverlust“ bezeichnet die Unfähigkeit, den Zeitpunkt und die Zeitdauer des Spielens im Griff zu haben. Die „Toleranzentwicklung“ beschreibt die zunehmende Intensität des Spielens. Durch die „Fokussierung“ auf die virtuelle Welt werden andere Interessen zunehmend vernachlässigt. Trotz negativer Konsequenzen, wie etwa der Abnahme schulischer Leistungen oder Konflikte mit wichtigen Bezugspersonen, kann das Spielen nicht mehr eingeschränkt werden. Es treten vielmehr „Entzugssymptome“ auf, wenn einmal nicht gespielt werden kann. Die Betroffenen werden unruhig, gereizt oder können Angstzustände entwickeln.

Social Media

Gerade bei jungen Menschen stehen soziale Netzwerke wie Instagram, Snapchat, TikTok oder WhatsApp im Zentrum ihres „sozialen“ Lebens. Zum einen werden Erlebnisse gepostet und mit anderen geteilt, zum anderen dienen diese Plattformen zum Zeitvertreib und zum oberflächlichen „Sich-berieseln-Lassen“. Durch „Likes“ können Inhalte bewertet werden, sie schaffen eine Art „sozialer Währung“. Je mehr Likes man hat, umso attraktiver und wertgeschätzter fühlt man sich. Bei jungen Menschen besonders beliebt ist die Plattform Instagram. Das geschriebene Wort hat hier nicht so viel Bedeutung, „Insta“ lebt von Fotos und Videos, die durch diverse Filter bearbeitet und „verschönert“ werden können, um auf diese Weise perfekte Bilder von sich in der digitalen Welt zu verbreiten. Ein Selfie zu posten und dann auf Zustimmung, die „Likes“, zu warten kann aber auch süchtig machen. Wer ein paar Stunden nicht eingeloggt ist, bekommt Nachrichten wie „Jemand hat dein Foto gelikt“ oder „Ein Freund hat etwas gepostet“. Dies verleitet dazu, wieder online zu gehen, um ja nichts zu verpassen, und schon verbringt man mehr Zeit auf Social Media, als man eigentlich wollte.

Online-Pornografie

Kein Bereich in der virtuellen Welt wächst so rasch wie jener der Online-Pornografie. Täglich werden tausende neue Seiten generiert, mit einem schier unendlichen Angebot an Filmen und Bildern mit allen nur erdenklichen sexuellen Inhalten. Durch dieses ständig wachsende Angebot an pornografischen Seiten im Internet konsumieren immer mehr Menschen exzessiv Pornos und entwickeln häufig eine Online-Sexsucht. Sexsüchtige leben ihre Sexualität zunehmend im Internet aus und vernachlässigen die partnerschaftliche Sexualität, was zu Konflikten bis hin zu Trennung und Zerstörung einer Familie führen kann. Männer verbringen damit durchschnittlich 70 Minuten pro Woche. Es gibt auch Hinweise, dass ein exzessiver Pornokonsum zu einem „Ausleiern“ des Belohnungssystems führen kann. So werden immer intensivere Reize benötigt, um sexuelle Erregung erleben zu können, was auch zu einem Suchtverhalten führen kann.

Online-Gambling

Das Glücksspiel hat sich in den letzten Jahren, nicht nur in Österreich, immer mehr zu Online-Anbietern verlagert. Hier sind Slots, also Spielautomaten, das Glücksspielmedium Nummer 1. Die Gefahren des Online-Glücksspiels liegen in ihrer uneingeschränkten Verfügbarkeit und in ihrer realitätsnahen Darstellung durch immer ausgereiftere technische Angebote. Das heißt, wann immer ich will, kann ich an Glücksspielen teilnehmen oder bei Fußballspielen sofort meine Wetten platzieren. Je riskanter gespielt wird, umso größer ist der „Kick“, der sogenannte Spielrausch. Durch ein riskantes Spiel erhöhen sich meist auch die Verluste. Spieler:innen, die sich in therapeutische Behandlung begeben, sind durchschnittlich mit 60.000 Euro verschuldet.

Fazit

Die Verführungen der digitalen Welt werden immer präsenter, und immer mehr Nutzer:innen zeigen bereits Symptome einer Suchterkrankung. Jede:r von uns schätzt die Möglichkeiten, die uns digitale Medien im Alltag bieten, das Tempo und die Bildqualität der digitalen Angebote machen die Grenzen zwischen Realität und virtueller Welt jedoch zunehmend unkenntlich.

Praxismemo

  1. Digitale Medien sind jederzeit verfügbar, was das Risiko für exzessives Verhalten und Sucht erheblich erhöht.
  2. Digitale Süchte ähneln neurobiologisch und psychologisch „klassischen“ Substanzabhängigkeiten.
  3. Die Behandlung von Online-Süchten erfordert kontrollierten, achtsamen Umgang statt völliger Abstinenz.