Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse auf dem Vormarsch

Seit Einführung der Speisesalzjodierung hat sich das Bild der Schilddrüsenerkrankungen völlig geändert: Aggressive Schilddrüsenkarzinome gibt es heute fast gar nicht mehr. Auch die große Struma, welche sich noch auf zahlreichen historischen Abbildungen finden lässt, ist heute zur Seltenheit geworden. Stattdessen haben Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse zugenommen. Hierbei werden im Wesentlichen zwei Formen unterschieden: der Morbus Basedow und die chronische Immunthyreoiditis, auch „Hashimoto-Thyreoiditis“ genannt.

Morbus Basedow

Pathogenetisch spezifisch für den M. Basedow ist eine Produktion von Antikörpern gegen den an der Zellmembran von Thyreozyten lokalisierten TSH-Rezeptor (TSH-Rezeptor-Antikörper, TRAK). Die TRAK sind zum größten Teil stimulierend und führen zu einer Entzündung. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Hormonproduktion und einer Überfunktion. Die Ursachen für einen Morbus Basedow sind vielfältig: genetische Veranlagung, Umwelteinflüsse wie Nikotin und Jod oder auch emotionale Belastungssituationen. Die durch die TRAK ausgelöste Hyperthyreose wird anfangs von Patient:innen oftmals als angenehm empfunden. Betroffene fühlen sich energiegeladen, agiler, und der körpereigene Grundumsatz steigt. Danach kippt die Situation jedoch, und die klinischen Beschwerden einer Überfunktion treten in den Vordergrund. Diese umfassen: Ruhetachykardie (auch in der Nacht), Schwitzen, Nervosität, Durchfall, Gewichtsverlust, innere Anspannung, Reizbarkeit und zunehmende emotionale Labilität. Meist erfolgt die Erstkonsultation in dieser Phase.

Diagnostik des M. Basedow

Durch einen Bluttest wird die hyperthyreote Funktionslage festgestellt. Das TSH ist meist supprimiert, das freie T4 (fT4) dagegen meist mild oder deutlich erhöht. Das freie T3 (fT3) ist als Ausdruck der Produktionshyperthyreose ebenfalls meist erhöht. Die TRAK sind vermehrt nachweisbar. Oft finden sich in Kombination auch Thyreoperoxidase(-TPO)-Antikörper und in seltenen Fällen auch Thyreoglobulin-Antikörper. In der Szintigrafie erfolgt die Unterscheidung zur passageren Überfunktion bei einer Thyreoiditis. Die Radionuklidanreicherung in der Szintigrafie ist bei einem M. Basedow meist homogen über der gesamten Schilddrüse vermehrt.

Therapie des M. Basedow

Initial ist oft eine begleitende Betablocker-Therapie angezeigt, vor allem um die Ruhetachykardie zu mildern. Nach gesicherter Diagnose beginnt die thyreostatische Monotherapie mit Thiamazol oder, falls erforderlich, mit Propylthiouracil. Die Dosierung sollte so gewählt werden, dass sich das fT4 im (oberen) Normalbereich einstellt und daraufhin im Zeitverlauf langsam in den Normbereich absinkt. Das TSH (das ja um Wochen nachhinkt) sollte in den niedrig-normalen und später in den normalen Bereich kommen. Regelmäßige Kontrollen sind anfangs in kurzfristigen Abständen mit entsprechenden Dosisanpassungen notwendig. An die seltenen, aber manchmal lebensbedrohlichen Komplikationen einer Thyreostatika-Therapie (Leukopenie bis hin zu Agranulozytose und Leberschädigung) sollte immer gedacht werden.

Chronische Immunthyreoiditis

Weitaus häufiger ist die chronische Immunthyreoiditis, die im Gegensatz zu M. Basedow meist langsam schleichend und über Jahre verläuft. Auch hier gibt es eine genetische Prädisposition. Pathogenetisch wegweisend ist die Ausbildung von TPO-Antikörpern sowie begleitend auch oft gegen Thyreoglobulin. Die chronische Immunthyreoiditis verläuft in mehreren Stadien: Initial kommt es meist zu einer meist Wochen andauernden, selbst-limitierenden Phase, die durch eine mild ausgeprägte subklinische Hyperthyreose gekennzeichnet ist. Diese passagere Phase ist durch Zelldestruktion bedingt. Anschließend normalisiert sich die Schilddrüsenfunktionslage, und es kommt oft erst Jahre oder sogar Jahrzehnte später zu einer Schilddrüsenunterfunktion, die jedoch lebenslang therapiepflichtig bleiben kann.

Diagnostik bei Immunthyreoiditis

Die initiale Entzündungsreaktion im Schilddrüsengewebe kann anfangs am besten im Ultraschall beurteilt werden. Oft lassen sich erst Jahre später TPO- und begleitend Thyreoglobulin-Antikörper im Blut nachweisen. Etliche Jahre später kommt es daraufhin zur Ausbildung der Unterfunktion.

Therapieoptionen bei Immunthyreoiditis

Die Therapie der chronischen Immunthyreoiditis hängt vom jeweiligen Stadium ab. In der Phase der Euthyreose kann bei positiven TPO-Antikörpern beispielsweise Selen gegeben werden, das den Krankheitsverlauf oft günstig beeinflusst. Spätestens bei einer manifesten Schilddrüsenunterfunktion ist eine (meist) lebenslange Therapie mit Schilddrüsenhormon indiziert.

Praxismemo

  1. Bei TSH-Werten über 10 µU/ml oder einer manifesten Schilddrüsenunterfunktion ist stets eine Schilddrüsenhormontherapie indiziert.
  2. Die Therapie der ersten Wahl bei Unterfunktion ist eine T4-Monotherapie. Ziel sind dabei TSH-Werte meist im unteren Normbereich.
  3. Bei M. Basedow zeigt sich in der Szintigrafie eine gesteigerte Anreicherung als Ausdruck der vermehrten Hormonproduktion.
  4. Wenn die Schilddrüsenhormon-Dosierung geändert wird, sollte die Kontrolle erst mehr als 6 Wochen nach Therapieänderung erfolgen.
  5. Eine passagere Überfunktion bei Thyreoiditis ist meist nicht behandlungsbedürftig. Evtl. können Betablocker gegeben werden.