Darmkrebs kennt keinen Lockdown!

Seit über zwei Jahren beeinflusst COVID-19 das private und berufliche Leben massiv und hat seither insgesamt über 13.400 Todesfälle in Österreich verursacht.1 Diese hohe Zahl wird jedoch von der Krebsmortalität in den Schatten gestellt, denn bis vor der Pandemie verstarben bereits 20.000 Menschen in Österreich jährlich an den Folgen von Tumorerkrankungen.2 Durch den massiven Einbruch an Vorsorgeuntersuchungen rechnen Expert:innen mit einem hohen Anstieg an Darmkrebserkrankungen in den kommenden Jahren.

Darmkrebs ist die dritthäufigste Tumorerkrankung

Mit insgesamt 4.563 Neuerkrankungen im Jahr 2018 reiht sich Darmkrebs bei den häufigsten Tumorentitäten in Österreich ein, berichtete Mag. Gaby Sonnbichler, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe Wien.3 Dabei können bösartige Neubildungen, die häufig aus Polypen entstehen, bei Koloskopien früh entdeckt und abgetragen werden, um dem Risiko einer Krebserkrankung vorzubeugen. Eine Untersuchung zwischen 2007 und Mai 2021 zeigte auf, dass bei insgesamt 401.915 durchgeführten Koloskopien zwar weniger als 1 % in einer Darmkrebsdiagnose mündeten, jedoch knapp 24 % zur Entdeckung von Darmkrebs-Vorstufen führten.4 Dementsprechend folgenschwer könnte sich der beobachtete Rückgang der Vorsorgeuntersuchungen auswirken: im direkten Vergleich zwischen 2020 und 2019 kam es COVID-19-bedingt zu einer Reduktion von knapp 15 %. Dabei appelliert die Österreichische Krebshilfe gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) seit 20 Jahren an Österreicher:innen ab dem 50. Lebensjahr, eine Vorsorgekoloskopie durchführen zu lassen. Weiters setzen sich beide Institutionen für die Etablierung eines Darmkrebs-Früherkennungsprogrammes ein, ähnlich dem bestehenden Mammografie-Screening.

Koloskopie: deutliche Verbesserungen für Patient:innen

Seit Juli 2018 übernimmt die Österreichische Gebietskrankenkasse (ÖGK) in Wien die Kosten einer Sedierung bei der Koloskopie und ermöglicht somit eine schmerzfreie Untersuchung, betonte Dr. Friedrich A. Weiser, MSc, Chirurg am Medico Chirurgicum, einem der größten niedergelassenen Magen-Darm-Vorsorgezentren Österreichs, das auch am Wochenende geöffnet hat. Eine weitere positive Entwicklung stellt die CO2-Endoskopie dar, in der Kohlendioxid anstelle von Sauerstoff insuffliert wird. Dadurch entstehen keine Blähungen, und auch die Explosionsgefahr bei Stromanwendung wird umgangen. Bei der Diagnostik wird mittlerweile eine künstliche Intelligenz eingesetzt. Werden bei der Koloskopie Polypen gefunden, werden diese auch in derselben Sitzung abgetragen. Während des Lockdowns durften nach Anordnung der Regierung nur dringende Eingriffe durchgeführt werden, wodurch es zu einem Rückstau von 3.000 Endoskopien kam. Diese müssen nun zusätzlich zum Praxisalltag nachgeholt werden.

Aufklärungskampagne dringend benötigt

Durch das Abtragen von Polypen im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung konnte die Darmkrebs-Inzidenz in den letzten 20 Jahren in Österreich von 80 auf 52 pro 100.000 Einwohner gesenkt werden, berichtete die Kardiologin und Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Internisten Priv.-Doz. Mag. Dr. Bonni Syeda.5 Trotz dieser positiven Entwicklung werden nach wie vor mehr als die Hälfte der Karzinome in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass weniger als 20 % der Zielbevölkerung – Menschen zwischen 50 und 80 Jahren – eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen, so Dr. Syeda. Es besteht daher Handlungsbedarf für eine gezielte Aufklärungskampagne, um Menschen für die Vorsorge zu motivieren bzw. deren Notwendigkeit verständlich zu erklären. Weiters wird eine Leistungsharmonisierung seitens der Krankenkassen benötigt, damit auch Menschen außerhalb von Wien Anspruch auf eine Kostenübernahme bei der Sedierung erhalten.