Die tiefe Hirnstimulation bei Morbus Parkinson

Die tiefe Hirnstimulation stellt ein chirurgisches Therapieverfahren zur symptomatischen Behandlung des idiopathischen Parkinson-Syndroms dar. Hierbei werden Hirnelektroden in bestimmten anatomischen Zielgebieten stereotaktisch implantiert. Über diese Hirnelektroden wird Strom in das umliegende Hirngewebe abgegeben, mit dem Ziel, pathologische Netzwerkaktivität reversibel zu modulieren, um so die Symptome der Erkrankung zu reduzieren. Die klinische Effektivität dieses Verfahrens bei M. Parkinson ist in zahlreichen Studien belegt und der medikamentösen Therapie im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung hinsichtlich der Reduktion der motorischen Symptome und der Steigerung der Lebensqualität überlegen.

Indikationsstellung zur Tiefen Hirnstimulation

Die Indikation zur tiefen Hirnstimulation bei M. Parkinson besteht bei ausgeprägten Off-Phasen, Dyskinesien, nichtmedikamentös therapierbarem stark ausgeprägtem Tremor oder gravierenden Nebenwirkungen durch Anti-Parkinson-Medikamente.
Neben allgemeinen Kontraindikationen wie schwere Hirnatrophie, schwere zerebrale Makroangiopathie, schwere internistische Allgemeinerkrankungen, dauerhafte Immunsuppression und ein biologisches Alter über 75 Jahre bestehen neuropsychiatrische Kontraindikationen wie Demenz, schwere frontale exekutive Funktionsstörung, akute paranoide oder halluzinatorische Psychose, schwere Depression und schwere Persönlichkeits- oder Impulskontrollstörung.
Der individuelle Nutzen der tiefen Hirnstimulation hängt vom präoperativen Ansprechen der Patienten auf L-Dopa ab. Generell gilt, dass die axialen Symptome wie Haltung, Gang, posturale Instabilität und das Sprechen im Vergleich zu den lateralen Symptomen (Rigor, Tremor und Bradykinese im Bereich der Extremitäten) nicht so gut auf die tiefe Hirnstimulation ansprechen und sich gegebenenfalls sogar verschlechtern. Zudem ist ein junges Alter der Patienten ein prädiktiver Faktor für einen guten Therapieerfolg.
Wir empfehlen an unserem Kölner Zentrum, dass zur Indikationsprüfung der Implantation von Elektroden zur tiefen Hirnstimulation ein MRT des Hirnschädels (nicht älter als sechs Monate), ein L-Dopa-Test (UPDRS Teil III nach 12 h/24 h Medikamentenpause mit 200 mg oder der 2,5-fachen Morgendosis Madopar LT), eine neuropsychologische Testung (inkl. Beck Depressions Inventar [BDI], Mattis Dementia Rating Scale [MDRS]), ein psychiatrisches (inkl. Frage nach Suizidalität) und stereotaktisches Konsil sowie ein Schellong-Test erfolgen sollte. Zum Ausschluss internistischer Erkrankungen sollten ein EKG, ein Röntgenbild des Thorax und eine Sonografieuntersuchung des Abdomens durchgeführt werden.
Nach Abschluss der Indikationsprüfung müssen in einem ausführlichen Arzt-Patient-Gespräch, in das, falls möglich, auch Angehörige mit einbezogen werden sollten, der individuelle Nutzen und die Risiken der tiefen Hirnstimulation erläutert werden. Aus unserer Erfahrung sollten hier auch die Erwartungen der Patienten an die tiefe Hirnstimulation besprochen werden, um ggf. unrealistische Vorstellungen bereits präoperativ zu relativieren. Während des Beratungsgesprächs sollte – je nach klinischem Eindruck und nach Rücksprache mit den neurochirurgischen Kollegen – neben der Wahl des anatomischen Zielpunktes auch die Wahl des Generatortyps (aufladbar vs. nicht aufladbar) erfolgen.

Zielpunkte

Der dorsolaterale Anteil des Nucleus subthalamicus (STN) gilt als effektivster anatomischer Zielpunkt zur Therapie des M. Parkinson. Neben dem STN bietet sich der Globus pallidus pars interna (GPI) als alternative Zielstruktur an. In einer rezent publizierten amerikanischen Studie zeigte sich kein Unterschied zwischen STN- und GPI-Stimulation hinsichtlich der postoperativen Reduktion des UPDRS III und dem Auftreten von Dyskinesien, jedoch war die Menge der postoperativ benötigten dopaminergen Medikation in der STN-Gruppe geringer. Psychiatrische Nebenwirkungen waren in der GPI-Gruppe allerdings signifikant seltener aufgetreten. Der Nucleus ventralis intermedius (VIM) des Thalamus eignet sich zur Therapie von tremordominanten, idiopathischen Parkinson-Syndromen. Bei jüngeren Patienten besteht allerdings die Gefahr, dass es im Verlauf der Erkrankung zu einer Änderung des Symptomspektrums kommen kann und der STN oder GPI im Nachhinein ein besserer Zielpunkt gewesen wäre. Die VIM-Stimulation eignet sich daher bei älteren Patienten mit langsam progredientem, tremordominantem Parkinson-Syndrom, welches medikamentös nicht ausreichend therapierbar ist. Zur Verbesserung der Gangstörung, die auf die Stimulation im Bereich des STN oft nur wenig anspricht oder sich sogar verschlechtern kann, hat sich in den letzten Jahren der Nucleus pedunculopontinus (PPN) als potenzieller neuer Zielpunkt herausgestellt. Nach anfänglich ermutigenden Daten ist die Studienlage aktuell unklar, so dass der Effekt der PPN-Stimulation durch weitere Studien belegt werden muss.

Risiken und Nebenwirkungen

Die Risiken und Nebenwirkungen der tiefen Hirnstimulation lassen sich in drei Gruppen einteilen: 1. intraoperative Risiken, 2. postoperative nichtstimulationsbedingte Risiken und 3. postoperative stimulationsbedingte Risiken. Zu den intraoperativen Risiken ist an erster Stelle die Gefahr intrakranieller Blutungen von 2,9% durch Ruptur zerebraler Gefäße zu nennen. Die Mortalität des gesamten Eingriffs liegt bei 0,4%, so dass die tiefe Hirnstimulation als insgesamt sicheres chirurgisches Verfahren angesehen werden kann. Zu den postoperativen nichtstimulationsbedingten Risiken zählen Infektionen des THS-Systems, Dislokationen der Elektrode und Funktionsausfälle z.B. durch Kabelbrüche. Die postoperativen stimulationsbedingten Nebenwirkungen der THS sind vielfältig und können den Therapieerfolg schmälern, da in einigen Fällen eine motorisch nicht so effektive, aber dafür nebenwirkungsärmere Parametereinstellung gewählt werden muss. Der STN enthält neben einem dorsolateralen motorischen Areal auch ein weiter ventral im Kern gelegenes assoziatives und limbisches Areal. Durch Modulation dieser Areale und ggf. benachbarter Faserbahnen können nach der Implantation vielfältige psychiatrische Nebenwirkungen entstehen. Depression und Apathie zählen zu den häufigsten postoperativen Nebenwirkungen, gefolgt von einer gestörten Impulskontrolle. Letztere trägt auch zu einem postoperativen Anstieg der Suizidalität bei. Ob präoperative Verhaltensmuster eines Patienten die Entwicklung psychischer Nebenwirkungen vorhersagen können, ist Gegenstand aktueller Forschung.

Betreuung der Patienten

Diese verschiedenen Aspekte der tiefen Hirnstimulation setzen eine intensive Betreuung der Patienten voraus. Nach dem präoperativen Aufklärungsgespräch folgt die intraoperative Betreuung der Patienten. Die Implantation erfolgt in der Regel in Stand-by-Anästhesie, so dass die Wirkungen und Nebenwirkungen der Stimulation am wachen Patienten intraoperativ beurteilt werden können. Hierzu wird bereits vor Erreichen des anatomischen Zielpunkts durch intraoperative Teststimulation Strom appliziert und die Reduktion der Zielsymptome (Tremor, Rigor, Akinese) dokumentiert. Das Nebenwirkungsprofil hängt von der anatomischen Zielstruktur ab. So kann die Stimulation im Bereich des STN bei zu lateraler Elektrodenlage durch Irritation der nahe gelegenen Capsula interna zu kontralateralen motorischen Entäußerungen meist im Bereich der Hand oder des Gesichts des Patienten führen. Mediale Nebenwirkungen äußern sich durch Affektion okulomotorischer Faserbahnen, z.B. in Doppelbildern oder einer Anisokorie. Ei
ne zu ventrale Stimulation unterhalb des STN im Bereich der Substantia nigra würde zu einer Zunahme der Bradykinese führen. Neben der Makrostimulation kann durch den Einsatz von Mikroelektroden ein elektrophysiologisches Mapping der Zielstruktur durch Aufzeichnung lokaler Feldpotenziale durchgeführt werden. Im STN lassen sich typische Entladungsmuster identifizieren, die bei der genauen Elektrodenplatzierung neben der klinischen Einschätzung hilfreich sind.
In der postoperativen Phase müssen die Stimulationsparameter des Patienten individuell programmiert werden. Hierzu sollte nach Abklingen des Setzeffektes eine Austestung aller Stimulationskontakte beispielsweise von 0–5 V in 0,5–1-V-Schritten erfolgen. Der beste Kontakt ist der Kontakt mit der besten Wirkung auf die Motorik und den geringsten Nebenwirkungen. Eine sinnvolle Austestung direkt nach der Operation ist aufgrund des intraoperativ oftmals eintretenden Setzeffektes meistens nicht möglich. Mit neuen Generatortypen (Activa RC und PC) lassen sich verschiedene Kontakte auf einer Elektrode mit unterschiedlichen Amplituden programmieren (interleaving stimulation), was in Einzelfallberichten zu einer weiteren klinischen Verbesserung der Patienten geführt hat. Zudem können mit den neuen Generatortypen erstmals vier verschiedene Therapiegruppen bedarfsgerecht programmiert und vom Patienten je nach Situation genutzt werden. Nachdem die Stimulationsparameter stabil eingestellt sind, können die Anti-Parkinson-Medikamente in der Regel um fast 60% reduziert werden. Das Absetzen sollte allerdings nicht zu schnell erfolgen, da die postoperative Gefahr eines L-Dopa-Entzugssyndroms mit Apathie und allgemeiner Antriebsstörung besteht.
Zusammenfassend stellt die tiefe Hirnstimulation ein sicheres Therapieverfahren zur Behandlung des medikamentös nicht ausreichend therapierbaren M. Parkinson dar. Ob dieses Verfahren im individuellen Fall indiziert ist, muss durch eine Reihe präoperativer Untersuchungen abgeklärt werden. Die prä-, intra- und postoperative Betreuung der Patienten trägt entscheidend zum Behandlungserfolg bei.