Die unterschätzte Gefahr

Das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein behülltes RNA-Virus, das bevorzugt die Schleimhäute des Atemtraktes befällt, vor allem die oberen Atemwege sowie das Flimmerepithel von Trachea, Bronchien und Bronchiolen, und dabei charakteristische Zellverschmelzungen (Synzytien) hervorruft.1 RSV verursacht üblicherweise nur milde Symptome wie Husten, Schnupfen und Fieber. Bei Säuglingen, kleinen Kindern, älteren Erwachsenen und Personen mit Immundefekten kann eine RSV-Infektion jedoch zu schweren Komplikationen (Pneumonie, Bronchiolitis) führen.1, 2

Epidemiologie und Krankheitslast

Jedes Jahr ist RSV für 100.000 Todesfälle und über 3,6 Millionen Hospitalisierungen bei Kindern unter 5 Jahren weltweit verantwortlich, wobei die überwiegende Mehrheit der RSV-bedingten Todesfälle bei Säuglingen in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ohne Zugang zu supportiven Therapien vorkommt.2 Da routinemäßig kein Virusnachweis erfolgt, wird der Stellenwert von RSV bei Erwachsenen und insbesondere älteren Personen unterschätzt. Eine Metaanalyse beziffert die Rate an akuten RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege bei >60-Jährigen in Ländern mit hohem Einkommen auf 1,6 % pro Saison.3 Wie bei den meisten respiratorischen Infektionserkrankungen weist die Altersinzidenzkurve schwerer RSV-Infektionen einen U-förmigen Verlauf auf: Hospitalisierungsraten steigen im Kleinkindalter sowie im höheren Erwachsenenalter an, im Alter von 6 bis 60 Jahren treten schwere Infektionen überwiegend bei Personen mit Grunderkrankungen auf.1

Möglichkeiten zur Prävention

Für Erwachsene sind mittlerweile mehrere Impfstoffe zur aktiven Immunisierung gegen RSV zugelassen, in Österreich ist die Impfung ab 60 Jahren allgemein empfohlen.1 Jüngere Erwachsene mit Komorbiditäten sollten sich ebenfalls vor RSV schützen: Eine Übersichtsarbeit schätzt die saisonale RSV-Inzidenz von Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen in Ländern mit hohem Einkommen auf 2,8%, die Mortalitätsrate bei Hospitalisierungen lag in dieser Gruppe bei 11,7 %.4 Der Impfplan Österreich empfiehlt insbesondere älteren Menschen über 75 Jahre, Personen mit schweren kardialen oder pulmonalen Erkrankungen, onkologischen Patient:innen, Personen mit Immundefekten, Menschen mit Adipositas sowie in Alten- und Pflegeheimen betreuten Personen eine Impfung gegen RSV.1

Für Kinder sind bis dato noch keine Impfstoffe verfügbar, allerdings stehen 2 Möglichkeiten zur passiven Immunisierung zur Verfügung: Einerseits durch Impfung der Mutter im letzten Schwangerschaftsdrittel, andererseits durch Verabreichung eines monoklonalen Antikörpers an Neugeborene bzw. Säuglinge vor ihrer 1. RSV-Saison. Die WHO empfiehlt in einem Positionspapier eine der beiden Varianten zur Prävention.5