FSME – eine unterschätzte Gefahr?

Der in Europa hauptsächlich vorkommende „western subtype“ des Frühsommer-Meningoenzephalitis-(FSME-)Virus wird beim Einstich aus der Speicheldrüse der infizierten Zecke übertragen. Im Gebüsch, an Waldrändern oder in hohem Gras auf Wiesen besteht das größte Risiko eines Zeckenstiches, weil dort Kleinsäugetiere, Vögel und Wild als Hauptwirte (primäres Erregerreservoir) der Zecken leben. In Risikogebieten liegt der Anteil der mit FSME infizierten Zecken bei etwa 0,1 % bis 5 %. In Hochrisikogebieten tragen bis zu 30 % der Zecken den FSME-Erreger. Eine FSME-Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.

Hohe Fallzahlen in Österreich

Österreich gehört zu den am stärksten von der FSME betroffenen Ländern in Europa. Jährlich liegen die Fallzahlen bei einer Impfrate von 85 % der Bevölkerung bei 41 bis 113 Erkrankungen. 2020 kam es in Österreich zu einem starken Auftreten von FSME-Fällen. Insgesamt wurden in diesem Jahr 215 FSME-Fälle gemeldet, die stationär behandelt wurden. Dies übertraf sogar das bisherige Rekordjahr 2018 in dem 154 Menschen an FSME erkrankten. Kinder erleiden häufiger Zeckenstiche als Erwachsene und sind deshalb generell gefährdeter, an FSME zu erkranken. Bei ihnen verläuft die Infektion in der Regel aber mild und heilt zumeist ohne bleibende Schäden aus.

Symptome und Krankheitsverlauf

Nur etwa 10–30 % der Infizierten zeigen tatsächlich Symptome, beim Rest verläuft die Krankheit asymptomatisch. Beim typischerweise biphasischen Verlauf treten zwei bis 20 Tage nach der Infektion grippeähnliche Symptome mit Fieber-, Kopf- und Gliederschmerzen auf, die sich nach wenigen Tagen wieder zurückbilden. Bei zwei Drittel der symptomatischen Patienten kommt es nach etwa einer Woche zu Fieberfreiheit und klinischer Besserung. Allerdings kommt es wenige Tage später zu einem zweiten Fiebergipfel. Ferner treten Zeichen der Gehirn- und Hirnhautbeteiligung in diesem Stadium auf. In dieser zweiten Krankheitsphase kommt es bei ca. 50 % der Patienten zu einer Meningitis, bei 40 % der Patienten zu einer Meningoenzephalitis mit schweren Bewusstseinsstörungen und Lähmungen bis hin zur Atemlähmung und bei 10 % der Fälle kommt es zusätzlich zu einer Myelitis mit schlaffen Arm- und Beinparesen, oft zusammen mit einer Hirnstammenzephalitis. Diese schweren Formen heilen selten und meist nur unvollständig aus.
Die Prognose der schweren Verläufe bei Erwachsenen ist ungünstig. Bei fast 60 % der über 15-Jährigen zeigen sich nach einem schwerwiegenden Verlauf langwierige, teils dauerhafte Funktionsstörungen. Es kann zu einem monatelangen neurasthenischen Syndrom mit emotionaler Instabilität und Stressintoleranz kommen (postvirales Syndrom).
Es bestehen keine Möglichkeiten der kausalen Therapie, spezifische antivirale Medikamente existieren nicht. In schweren Fällen ist eine intensivmedizinische Behandlung unumgänglich.

Diagnostik

Ein Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern in Serum oder Liquor durch einen ELISA-Test oder Immunfluoreszenz ist erst mit Beginn der zweiten Fieberphase möglich. Zu beachten ist, dass eine FSME-Impfung zu positiven IgG-Antikörpertitern führt. Ein modernes Verfahren zum direkten Virusnachweis ist die PCR, die auch in der frühen Krankheitsphase einen Erregernachweis erbringen kann.

Einstichstelle markieren

Um der FSME und auch der Borreliose vorzubeugen, sollten Zeckenstiche nach Möglichkeit vermieden werden. Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt, reduzieren das Risiko eines Zeckenbefalls deutlich. Repellents wirken in gewissem Umfang auch gegen Zecken. Gefundene Zecken sollten sorgfältig entfernt und verwahrt, die Stelle des Stichs sollte desinfiziert und der Zeitpunkt sowie Befallsort notiert werden. Die Zecke sollte dabei möglichst nicht gedreht und auf keinen Fall vor dem Entfernen mit Öl oder Klebstoff beträufelt werden, da dies das Tier unnötig reizen und dazu führen könnte, dass es seinen Speichel und somit mögliche Infektionserreger abgibt.

Effektivität fast 100 %

Der FSME-Impfstoff enthält für eine aktive Immunisierung inaktivierte, nichtvermehrungsfähige FSME-Viren. Basierend auf Angaben zur Durchimpfung und zur Häufigkeit von Erkrankungen bei geimpften Personen wurde bei einer Untersuchung in Österreich die Wirksamkeit nach dreimaliger Gabe auf 96–99 % geschätzt. Das Erkrankungsrisiko wird von etwa 1 : 18.000 bei Nichtgeimpften auf 1 : 840.000 reduziert. In Österreich gab es von 1995 bis 2004 insgesamt nur zwei Geimpfte mit eindeutigen FSME-Erkrankungszeichen. Für einen langjährigen Schutz ist eine Grundimmunisierung notwendig, die aus drei Impfungen besteht. Nach der ersten Impfung wird ein bis drei Monate darauf erneut geimpft (ab hier ist die Impfung zu 98 % wirksam), abgeschlossen wird mit einer dritten Impfung fünf bis zwölf bzw. neun bis zwölf Monate nach der zweiten Impfung. In Österreich wird die erste Auffrischungsimpfung nach drei Jahren durchgeführt, die weiteren erfolgen jeweils im Abstand von fünf Jahren.

Wissenswertes für die Praxis
  • Die FSME ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche virale Infektionserkrankung.
  • Viele Österreicher sind zwar geimpft, aber nicht mehr geschützt, da die Impfintervalle nicht korrekt eingehalten wurden.
  • Booster- und Auffrischungsimpfungen sollten möglichst vor der Saison verabreicht werden.