Inhalatives Kortison bei COVID-19 – warum nicht?

Die kürzlich veröffentlichte STOIC-Studie mit 146 Teilnehmern untersuchte den Einfluss einer hochdosierten ICS-Therapie mit dem Wirkstoff Budesonid auf die Dauer und Schwere einer COVID-19-Infektion. Was waren die Ergebnisse bzw. die Eckpunkte der Studie?

Prim. Priv.-Doz. Dr. Arschang Valipour: In der Studie wurden Patienten ab 18 Jahren randomisiert, die in den letzten 7 Tagen Symptome einer COVID-19-Infektion entwickelten, wobei diese auch labormedizinisch bei der überwiegenden Zahl an Betroffenen bestätigt wurde. Ausschlusskriterien waren: Allergie oder andere Kontraindikationen für Budesonid, Verwendung von inhalativen und/oder systemischen Kortikosteroiden innerhalb der letzten 7 Tage vor Einschluss oder eine Hospitalisation zur Zeit des Einschlusses. Die Hälfte der Teilnehmer erhielt die Standardtherapie, die andere Hälfte inhalierte zusätzlich täglich 2 Mal 800 µg Budesonid als Trockenpulver für eine mediane Behandlungsdauer von 7 Tagen. Primärer Endpunkt der Studie war der Bedarf einer Notfallbehandlung oder Hospitalisation im Zuge der COVID-19-Erkrankung.
Es fanden tägliche Telefonate sowie häusliche Besuche einer Study Nurse am Tag der Randomisierung sowie an den Tagen 7 und 14 statt. Die Viruslast wurde zu diesen Zeitpunkten anhand selbstständig durchgeführter PCR-Abstriche wurden ermittelt und die Abstriche von der Study Nurse eingesammelt. Über standardisierte Fragebögen wurden eine Reihe von Befindlichkeitsparametern erfasst. Weiters wurden im selbstständigen Monitoring die Körpertemperatur und periphere O2-Sättigung täglich dokumentiert.
Geplant war eigentlich ein Studienkollektiv von mehr als doppelt so vielen Probanden, jedoch wurde die Studie aufgrund eines Lockdowns in England mit entsprechender Problematik, eine suffiziente Rekrutierung zu gewährleisten, frühzeitig abgebrochen.

Zu welchen Ergebnissen führte die Studie?

Nur 1 % der Patienten in der Budesonidgruppe benötigten eine Notfallversorgung oder Spitalsaufnahme – im Vergleich zur Kontrollgruppe waren es 14 % der Patienten. Es wurde gezeigt, dass die Verabreichung Budesonid zweimal täglich den Bedarf einer Notfallversorgung und/oder Hospitalisation im Vergleich zur Standardtherapie verringern konnte, was eine relative Risikoreduktion von 91 % im Behandlungsarm darstellt. Auch der mediane Anteil der Tage mit Fieber in den ersten zwei Wochen der Infektion war unter Budesonid geringer, ebenso wie der Anteil der Tage, an denen ein Antipyretikum verabreicht werden musste. Kritisch anzumerken ist, dass die O2-Sättigung und die Viruslast sich zwischen den beiden Gruppen nicht unterschied. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass die Viruslast bereits bei Studien-einschluss in beiden Gruppen sehr gering war. Hinsichtlich etwaiger Nebenwirkungen der Therapie ist auf 5 Teilnehmer (7 % im Budenosid-Arm) zu verweisen, die von selbstlimitierenden unerwünschten Ereignissen berichteten.

Warum helfen Kortikosteroide bei COVID-19, und welcher Wirkmechanismus steckt dahinter?

Der genaue Mechanismus ist nicht mit Sicherheit bekannt. Als mögliche Erklärung ist neben der lokal antiinflammatorischen Wirkung auf eine mögliche Verringerung der Virusreplikation zu verweisen; ein Phänomen, das in vitro bereits gezeigt werden konnte. Als weitere Ursache könnten ICS die Expression des Angiotensin-converting-Enzym-2-(ACE-2-)Rezeptors herunterregulieren, der SARS-CoV-2 als Eintrittsstelle in die Zelle dient. Auch hierfür gibt es bereits Belege aus der Grundlagenforschung.

Derzeit sind außer zu Budesonid keine Daten für eine Behandlung von COVID-19-Patienten publiziert, und es ist kein ICS-haltiges Präparat für die Therapie von COVID-19 zugelassen. Was bringen die Studienergebnisse in der Praxis?

Auch wenn es sich hier um eine Phase-II-Studie mit geringer Studienteilnehmerzahl und einigen methodischen Schwächen handelt, sind die Daten durchaus beachtenswert. Eine so kurzzeitige Therapie mit Budesonid ist auch als weitgehend sicher einzustufen, im Vergleich zu anderen zurzeit untersuchten Arzneimitteln auch kostengünstig und in der Handhabung nach kurzer Einschulung einfach anzuwenden. Meiner Ansicht nach kann diese Option daher unter ärztlicher Anordnung bei ausgewählten Patienten, die vorrangig pulmonale Symptome im Rahmen einer bestätigten COVID-19-Erkrankung aufweisen, im Sinne einer Gesamtbewertung des Nutzen-Risiko-Profils in dieser Pandemie, angelehnt an die Studienkriterien, verabreicht werden.

Für den Einsatz von Budesonid reichen Ihrer Meinung nach COVID-19-Symptome aus, oder sollte auf jeden Fall eine Testbestätigung vorliegen?

Es sollte auf alle Fälle eine Testbestätigung vorliegen!

Wie sehen Sie den Einsatz bei schwangeren und stillenden Frauen? Stillende Frauen sind ja eine Population, die nicht gegen COVID-19 geimpft werden kann.

Prinzipiell ist der Einsatz von Budesonid bei schwangeren und stillenden Frauen, die unter Asthma bronchiale leiden, als sicher einzustufen. Daten zu COVID-19 gibt es hier leider nicht.

Wenn Budesonid off-label verordnet wird, welche Kriterien sollten unbedingt eingehalten werden? Sehen Sie sonst die Gefahr eines Versorgungsengpasses für Patienten mit Asthma, für die eine regelmäßige ICS-Einnahme unerlässlich ist?

Die Therapie sollte unbedingt von einem Arzt unter Berücksichtigung der genannten Kriterien verordnet werden. Ich persönlich sehe derzeit keine Gefahr eines Versorgungsengpasses, denn einerseits ist die Therapiedauer sehr kurz, und andererseits gibt es ja auch vielfältige Alternativen und Kombinationspräparate für Asthmatiker.

Was werden die nächsten Schritte sein?

Es laufen in verschiedensten Ländern noch weitere Studien zu den inhalativen Kortisonpräparaten. Um die Verwendung von Budesonid und eventuell anderen ICS in der Frühphase einer Infektion zu bestätigen, bzw. bis es zu einer breitflächigen Empfehlung kommen kann, müssen die nächsten Studienergebnisse abgewartet werden.

Vielen Dank für das Gespräch!


Literatur:

Ramakrishnan S, Nicolau DV Jr, Langford B et al., Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open-label, randomised controlled trial. Lancet Respir Med 2021; online 9. April, DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-2600(21)00160-0