Kernaspekte einer guten Facharztausbildung für Allgemein- und Familienmedizin

In Österreich wird derzeit an einer großen Veränderung für die allgemeinmedizinische Versorgung gearbeitet: der Einführung des Facharzttitels für Allgemein- und Familienmedizin.
Für mich als angehenden Allgemeinmediziner am Ende der Ausbildung und meine Kolleg:innen der Jungen Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ) stellt sich die Frage, wie die Ausbildung verändert werden muss, um die Allgemeinmedizin qualitativ zu verbessern.
Ich glaube, dass es drei Kernaspekte gibt, die für eine gute Ausbildung zum/zur Fachärzt:in für Allgemeinmedizin wichtig sind.

Lehrpraxis am Anfang und am Ende der Ausbildung:
Allgemeinmediziner:innen sollten von Allgemeinmediziner:innen ausgebildet werden. Es erscheint unverständlich, dass dies in Österreich jedoch im Großteil der Ausbildungen nicht verankert ist: Die Lehrpraxis, die seit wenigen Jahren existiert, findet erst am Ende der Ausbildung statt. Stattdessen verbringen wir zurzeit 27 Monate im Spital, wo wir keinen Kontakt zur allgemeinmedizinischen Versorgung außerhalb des Spitals haben. Die Lehrpraxis braucht es, um uns zu motivieren und um die relevanten Aspekte für die hausärztliche Primärversorgung erkennen und lernen zu können.

Allgemeinmedizinische Mentoringprogramme während der Krankenhauszeit:
Während der Zeit im Spital passiert es leider leicht, dass der Bezug zum extramuralen Sektor verloren geht. Deshalb ist es wichtig, ein ergänzendes Mentoring durch Allgemein- und Familienmediziner:innen aus der Niederlassung zu etablieren. Nur so können wir durch den Austausch wieder erfahren, was wirklich relevant ist und was wir hier selbst einfordern sollen. So ein Austausch wäre auch für uns Ausbildungsärzt:innen im Spital wertvoll, um zu erfahren, welche Ausbildungsinhalte für uns praxisrelevant sind.

Verbesserung der alltäglichen Arbeitsbedingungen:
Ich habe leider zu oft in meiner Ausbildung erlebt, dass ich für zweitrangige Tätigkeiten herangezogen wurde, während den Assistenzärzt:innen mehr Ausbildung und Wertschätzung entgegengebracht wurde. Dies ist von Abteilung zu Abteilung verschieden und hängt vom jeweiligen Team ab. In Deutschland kam es auf diesem Gebiet zu Verbesserungen der Bedingungen, indem Pflichtfächer in Wahlfächer umgewandelt wurden. Hierdurch mussten Abteilungen ihre Ausbildungsbedingungen attraktiver machen und konnten sich nicht mehr auf einen fixierten „Durchfluss“ an rotierenden Turnusärzt:innen verlassen. Ich halte es für sinnvoll, vor allem das Pflichtfach Gynäkologie und Geburtshilfe, in denen laut Erfahrungsberichten von Kolleg:innen die schlechtesten Ausbildungsbedingungen herrschen, zum Wahlfach umzuwandeln.

Ich glaube, dass eine langfristige Verbesserung der Ausbildungsbedingungen nachhaltig und sinnvoll ist. Die JAMÖ bemüht sich aktiv, dass unsere Standesvertretung und das Bundesministerium diese wichtigen Punkte in der Entwicklung nicht aus den Augen verlieren. Ich hoffe, dass unsere Bemühungen Früchte tragen werden, um die Versorgung in der Allgemeinmedizin kontinuierlich zu verbessern.

Viel Spaß beim Lesen!
Richard Brodnig