Paradigmenwechsel in der Diagnostik der KHK

Die ischämische Herzerkrankung steht weltweit trotz verbesserter Primär- und Sekundärprävention an erster Stelle der Todesursachen. Der Prozess der zugrunde liegenden Atherosklerose beginnt schleichend, und es dauert in der Regel einige Dekaden, bis die Plaques klinische Beschwerden verursachen. Während die Krankenhausmortalität beim akuten Koronarsyndrom in den vergangenen Jahren durch die Akutintervention (primäre PCI = Wiederherstellung des Blutflusses in den Koronararterien durch perkutane Dehnung und Stentimplantation) und bessere Medikation von 20 % auf 5 % reduziert werden konnte, bleibt die prähospitale Mortalitätsrate weiterhin überaus hoch: Fast 40 % der Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt versterben vor dem Erreichen medizinischer Hilfe.

Auf der Suche nach dem Prädiktor

Nach dem traditionellen Verständnis führt eine progressive Atherosklerose mit hochgradigen Engstellen der Koronargefäße letztlich zum thrombotischen Gefäßverschluss und Infarkt. Daher wurde seit Entwicklung der invasiven Herzkatheterangiografie vor 60 Jahren primär nach hochgradigen Stenosen mittels Stresstests (Ergometrie, SPECT, Stress-Echo, -MRT) gesucht und diese mittels PTCA (perkutane transluminale koronare Angioplastie) oder CABG (koronararterielle Bypass-Operation) therapiert. Dies führte jedoch nicht zur Reduktion von Herzinfarkten oder zum Rückgang der kardiovaskulären Mortalität.
Von Obduktionsbefunden am plötzlichen Herztod verstorbener Patienten wissen wir, dass die rupturgefährdeten, „vulnerablen“ infarktverantwortlichen Koronarplaques häufig primär nicht obstruktiv sind. Daher haben die meisten Patienten vor einem Infarkt auch keine Beschwerden wie Angina Pectoris oder Dyspnoe. Diese nichtobstruierenden vulnerablen Plaques sind folglich auch nicht durch die oben genannten Stresstests detektierbar.
Rezent publizierte große internationale multizentrische Langzeit-Follow-up-Register mit > 25.000 Patienten sowie prospektive Studien mit mehreren tausend Patienten konnten konsistent nachweisen, dass die meisten Läsionen, die einen Herzinfarkt verursachen, nichtobstruktiv sind. Die wichtigsten Prädiktoren waren sogenannte „High-Riks Plaques“ (hohes Plaquevolumen, positives Remodelling, Napkin Ring Sign, Low Attenuation Plaques [Houndsfield Units < 30] keine bzw. nur wenige Kalkspots).

Morphologie ist wichtiger als Ischämie

Die Koronar-CT-Angiografie (CCTA) mit Kontrastmittel ist eine weiterentwickelte genauere computertomografische Methode, die neben der Verkalkung das Gefäßlumen und vor allem die Gefäßwand mit ihren pathologischen Veränderungen identifizieren kann und damit auch High-Risk Plaques. Diese Bild-gebung hat das Potenzial, zahlreiche Therapieentscheidungen wie die Primärprävention sowie die Sekundärprävention (Etablierung von Statinen, Schweregrad definiert die Etablierung und die Zielwerte einer lipidsenkenden Therapie, Indikation spezifischer oraler Antidiabetika) zu optimieren. Weiters ermöglicht sie die klare Indikationsstellung für den Herzkatheter sowie eine optimale Planung von Interventionen.
Die Entzündung ist neben der Hyperlipidämie (genetisch und/oder alimentär) die primäre Determinante der Atherosklerose und triggert konsekutiv akute Koronarsyndrome. Der Entzündungsprozess führt nicht nur in der Herzkranzgefäßwand zu einem Umbau, sondern modifiziert auch das perivaskuläre Fettgewebe. Das CCTA kann methodisch bedingt nicht den Entzündungsprozess im Plaque, aber wohl die entzündungsbedingte Dichteveränderung im perivaskulären Fettgewebe messen. Dieser „Fettdichte-Index“ ist ein sogenannter „CT-Biomarker“ für einen Entzündungsprozess im Kranzgefäß, der für zukünftige akute Koronarsyndrome verantwortlich ist. Dieser histologisch und klinisch validierte CT-Biomarker hat sich in neuesten Studien als einer der aussagekräftigsten Prädiktoren für zukünftige akute Koronarsyndrome ausgezeichnet. Somit kann diese Technologie in Zukunft wahrscheinlich jene Patienten identifizieren, die u. a. von speziell hochwirksamen Medikamenten am ehesten profitieren.

Conclusio: Das Herz-CT ist die genaueste nichtinvasive Methode, mit der man unabhängig von traditionellen Risikofaktoren frühzeitig eine Atherosklerose und Entzündung der Kranzgefäße erkennen, quantifizieren und Hochrisikopatienten identifizieren kann. Somit erlaubt diese Methode die Etablierung einer präzisierten personalisierten Primärprävention. Die neuen technischen Möglichkeiten sind jedoch eine Herausforderung für die Mediziner: korrekte Befundung und Interpretation bedürfen einer speziellen Ausbildung. Konsekutiv soll der Patient das geeignete therapeutische Verfahren und die optimale Therapie erhalten.

Weiteres Vorgehen entsprechend der Klinik
Stabile Angina Pectoris (AP)
Nichtinvasive Bildgebung mittels Herz-CT; primär Optimierung des Lebensstils (Bewegung, Ernährung) und medikamentöse Therapie der Risikofaktoren. Bei Therapieresistenz ad Herzkatheter.
Akutes Koronarsyndrom (ACS)
AP in Ruhe bzw. zunehmende AP bei geringster Belastung
Sofortige Einweisung in ein Herzkatheterzentrum, da der Erfolg (Reduktion von Mortalität und Morbidität) von der schnellen Koronargefäßwiedereröffnung (primäre PCI) abhängt.