Phänotypisierung eröffnet neue Therapieperspektiven

Trotz rückläufigen Tabakkonsums stagniert die Prävalenz der COPD bzw. ist diese leicht steigend – warum?
OA Clin. Ass. Prof. DDr. Klaus Hackner, MSc: Die Zahl der Raucher:innen in Österreich ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern leider nach wie vor hoch. Obwohl sie insgesamt stagniert bzw. leicht zurückgeht, steigt sie in gewissen Altersschichten sogar. Hier sollte noch viel mehr getan werden. Trotzdem steigt die Zahl der COPD-Erkrankten: Einerseits gibt es eine erhöhte Awareness unter Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und Patient:innen, andererseits wird die Bevölkerung immer älter, wodurch die Zahl der Erkrankungen steigt. Darüber hinaus ist Tabakrauch zwar der Hauptrisikofaktor, aber auch nicht der einzige. Es gibt Patient:innen, die nie geraucht haben und dennoch eine COPD entwickeln. Umweltfaktoren spielen auch eine gewisse Rolle, z.B. Menschen in der Landwirtschaft sind einer hohen Staubbelastung ausgesetzt, und auch der Klimawandel führt zu einer erhöhten Belastung.

COPD wird oft spät diagnostiziert – woran liegt das aus Ihrer Sicht, und was kann die Allgemeinmedizin zur Früherkennung beitragen?
Das ist ein wichtiger Punkt: Obwohl das Bewusstsein für die Erkrankung grundsätzlich steigt, wird die Diagnose trotzdem oft spät gestellt. Die Symptome sind zu Beginn nur marginal und werden häufig als klassischer Raucherhusten abgetan, oder eine reduzierte Belastbarkeit mit steigendem Alter wird zunächst bagatellisiert. Das sind aber wichtige Alarmsignale. Wir haben eine evidenzbasierte Definition der COPD – es muss eine lungenfunktionelle Obstruktion vorliegen. Tatsächlich ist es aber so, dass man in der Lungenfunktion bereits davor erste Veränderungen erkennen kann, wie insbesondere eine Reduktion der 1-Sekunden-Kapazität, die per Definition noch nicht einer COPD entspricht, aber eine gewisse Vorstufe darstellt. Ich denke, hier wird es bald einen Paradigmenwechsel geben, dass wir in Zukunft früher mit der Behandlung beginnen können.

Die GOLD-Leitlinie hat das ABCD-Schema durch das ABE-Modell ersetzt. Welche praktischen Konsequenzen hat diese relativ neue Klassifikation?
Das ABE-Konzept hat die Behandlung insgesamt dahingehend erleichtert, dass die duale Bronchodilatation die wichtigste inhalative Therapiestütze darstellt: Die Kombination aus einem langwirksamen Beta-Agonisten und Muskarinrezeptor-Antagonisten ist die Basistherapie durch alle Gruppen hindurch. In der Gruppe A kann man zwar noch auf eine Monotherapie setzen, aber man schadet den Patient:innen nicht, wenn man eine duale Bronchodilatation anwendet. Außerdem betrifft das nur einen ganz kleinen Anteil der Patient:innen, die keine Beschwerden haben – hier handelt es sich oft um einen Zufallsbefund. Ab der Gruppe B ist klar: Diese Patient:innen benötigen die duale Bronchodilatation, das wurde auch in Studien immer wieder gezeigt.

„Leider nehmen nur sehr wenige COPD-Patient:innen eine regelmäßige Rehabilitation in Anspruch – sie wird auch viel zu selten angeboten. Gerade dort lernt man aber den richtigen Umgang mit der Erkrankung. Einmal im Jahr sollte eigentlich Standard sein, das machen nur die wenigsten.“

Neben der Einteilung in das ABE-Schema ist es aber auch entscheidend, die COPD zu phänotypisieren: Bei manchen Menschen überwiegt die neutrophile Entzündung, während bei anderen die eosinophile, die Typ-2-Inflammation, im Vordergrund steht. Auch die Veränderungen der Atemwege im Zuge der Erkrankung (z. B. Fibrose, Lungenemphysem, Mukus-Plugging) sind ein Thema.

Welche Faktoren führen dazu, dass inhalative Kortikosteroide oft übermäßig oder falsch verordnet werden, und wie lässt sich dem entgegensteuern?
Die COPD ist eine Erkrankung, die man behandeln, aber nicht heilen kann. Das heißt, die Patient:innen spüren weiterhin die Obstruktion und empfinden durch die Medikation keine deutliche Verbesserung. Da ist dann der Reflex da, ein inhalatives Kortikosteroid (ICS) zu verordnen, womit wir bei der Triple-Therapie angelangt wären. Man sollte aber zuerst bei anderen Faktoren ansetzen: Ist bereits ein Rauchstopp erfolgt? Wurde bereits eine Rehabilitation durchgeführt? Ist ein ausreichender Impfschutz vorhanden? Gibt es Komorbiditäten, die auch Einfluss auf die Symptomatik haben? Das sind die Dinge, bei denen man wieder in Richtung Phänotypisierung geht, bei denen man also die Patient:innen wirklich ganz genau anschaut und überlegt, was noch getan werden kann – wir sprechen da manchmal auch von den Treatable Traits. Einen weiteren wichtigen Punkt stellt der korrekte Inhalatorgebrauch dar.

Welche Kriterien sollten die Entscheidung für eine Triple-Therapie leiten?
Das GOLD-Komitee ist da eigentlich sehr klar in seiner Aussage: Die Triple-Therapie, also die Hinzugabe eines ICS zur dualen Bronchodilatation, ist in erster Linie nur für Patient:innen sinnvoll, die eine hohe Zahl an Eosinophilen (mindestens 300/µl) aufweisen und regelmäßig exazerbieren, also eine regelmäßige akute Verschlechterung der Erkrankung, aufweisen. Die Studienlage zeigt klar, dass diese Patient:innen von der Zugabe eines ICS deutlich profitieren.

Biologika sind bislang vor allem beim schweren Asthma etabliert. Welche Rolle könnten sie künftig auch bei selektionierten COPD-Patient:innen spielen?
Die Biologika spielen bereits jetzt eine Rolle: Die BOREAS1– und NOTUS2-Studien haben gezeigt, dass die Exazerbationsrate unter Dupilumab, einem gegen den IL-4-Rezeptor gerichteten Biologikum, reduziert werden kann. Das ist ein ganz harter Endpunkt, weil wir wissen: Die Exazerbationsrate ist gleichzeitig auch prognoseentscheidend. Es geht nicht so sehr darum, ob wir die Lungenfunktion verbessern, denn das können wir oft gar nicht, und die Obstruktion bleibt. Aber die Exazerbationen müssen wir verhindern. Hier ist es eben wichtig, dass man genau selektioniert, weil das natürlich nur für bestimmte Patient:innen, nämlich jene mit hoher Eosinophilenzahl und häufigen Exazerbationen, geeignet ist. Es gibt auch einen neuen Ansatz, der mittlerweile in den USA zugelassen ist: Der PDE-3/4-Inhibitor Ensifentrin hat in den Phase-III-Studien ENHANCE-1 und -2 positive Daten gezeigt3 und es bereits in die GOLD-Empfehlungen geschafft. Darüber hinaus konnte auch in der MATINEE-Studie4 mit dem Anti-IL-5-Inhibitor Mepolizumab die Exazerbationsrate bei hoher Eosinophilie signifikant gesenkt werden.

Mit welchen Maßnahmen lässt sich das Risiko für Exazerbationen wirksam senken?
Der wichtigste Schritt ist der Rauchstopp, gefolgt von der Infektionsprävention durch Impfungen. Hier hat sich einiges getan: Wir haben nun die Möglichkeit, vor RSV zu schützen, es gibt verbesserte Pneumokokken-Impfstoffe und die jährliche Influenza-Impfung – leider ist in Österreich noch immer eine gewisse Impfskepsis zu beobachten, weshalb hier Aufklärung von Bedeutung ist. Weiters ist eine regelmäßige Rehabilitation entscheidend. In fortgeschrittenen Stadien sollten auch interventionelle Maßnahmen erwogen werden. Dadurch sinkt nicht nur die Rate an Exazerbationen, sondern sie fallen milder aus und sind mit weniger Hospitalisierungen verbunden.

Vielen Dank für das Gespräch!