Stress: Pandemie bringt psychische und physische Folgen

Die Pandemie mit all ihren Konsequenzen – Einschränkungen der Freiheit, Angst vor Krankheit, Dichte im eigenen Wohnraum (Homeschooling etc.) und Existenzsorgen – hat das Leben vieler Menschen stressreicher gemacht. Daten zeigen, dass sich dies signifikant auf den psychischen Gesamtzustand der Bevölkerung ausgewirkt hat. Bei über 50 % der Bevölkerung traten im Lauf der Pandemie schwere psychische Probleme auf, wird in einer Publikation zur Situation in unserem Nachbarland Deutschland berichtet.1 Vor allem junge Menschen, Frauen (besonders Alleinerzieherinnen), Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen sowie all jene Personen, die in schwierigen finanziellen Situationen leben, sind oder waren besonders betroffen.2
Da die Pandemie nun schon über viele Monate hinweg massiv das Leben beeinflusst, wird aus akutem Stress zunehmend eine chronische Belastung. Priv.-Doz. Dr. Günter Klug, Präsident pro mente Austria (Österreichischer Dachverband für Vereine und Gesellschaften für psychische und soziale Gesundheit), warnt: „Mit dem Abklingen der direkten Bedrohung und dem Rückgang der Inzidenzzahlen gingen der Stress und die psychische Betroffenheit zwar kurzfristig etwas zurück. Doch nun zeigen sich zwei neue Phänomene: Einerseits die Unsicherheit, ob die Krise weitergeht. Andererseits werden für viele Menschen die wirtschaftlichen Folgen der Krise jetzt richtig schlagend. Zwar haben gut Ausgebildete mit dem Aufschwung wieder Arbeit, Menschen mit geringer Ausbildung oder besonderen Handicaps bleiben aber häufig arbeitslos und verlieren damit nicht nur die Hoffnung, sondern auch langfristig ihr Einkommen.“ Die Betroffenheit eines beträchtlichen Teils der Gesellschaft hat mittlerweile zu einem enormen Bedarf an psychischer Beratung und Betreuung geführt.

Auswirkungen auf den weiblichen Zyklus
Auch physiologisch macht sich der Langzeitstress in der Gesellschaft bemerkbar, wie Publikationen immer wieder zeigen, etwa in Form von Schlafproblemen oder auch durch Auswirkungen auf das Immunsystem. Ein bisher jedoch kaum ­öffentlich beschriebener Aspekt ist eine Veränderung des Menstruationszyklus. Das dokumentiert eine kürzlich veröffentlichte Studie. 210 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren wurden dazu über Veränderungen ihres Zyklus bei gleichzeitiger Erfassung der Stresswahrnehmung befragt. Mehr als die Hälfte der Frauen ­(54 %) gab an, dass es im Verlauf der ­COVID-19-Pandemie zu Veränderungen des Zyklus gekommen ist. Dies betraf in 50 % der Fälle die Dauer des Menstruationszyklus. 50 % gaben außerdem an, dass sich prämenstruelle Symptome geändert haben. Bei jenen Befragten, die einen hohen Wert auf der Stressskala (Perceived Stress Scale, PSS) hatten, kam es tendenziell zu einer Verlängerung der Dauer des Zyklus und zu stärkeren Blutungen, verglichen mit dem Kollektiv jener Frauen, die niedrigere Stresslevel durch die Pandemie aufwiesen.3

Wenngleich psychosozialer Stress als Faktor für Irregularitäten im Menstruationszyklus gilt und die Ergebnisse dieser Studie keine allzu große Überraschung sind, so handelt es sich dennoch um eine der ersten Publikationen, die diese Problematik adressiert und in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Die Daten sind außerdem mit einer weiteren Studie konsistent, in der 46 % der befragten Frauen einen Anstieg von Unregelmäßigkeiten im Menstruationszyklus angegeben hatten.3, 4


Literatur:

  1. Shuyan L, Heinzel S, Haucke M et al., Increased Psychological Distress, loneliness and Unemployment in the Spread of Covid-19 over 6 Month in Germany. Medicina (Kaunas) 2021 Jan 9; 57(1):53. DOI: 10.3390/medicina57010053
  2. Xiong J, Lipsitz O, Nasri F et al., Impact of Covid 19 pandemic on mental health in general population: A systematic review. J. Affect. Disord. 2020 Dec 1; 277:55–64
  3. Ozimek N, Velez K, Anvari H et al., Impact of Stress on Menstrual Cyclicity During the Covid-19 Pandemic: A Survey Study. J Womens Health (Larchmt). 2021 Sep 28. DOI: 10.1089/jwh.2021.0158
  4. Phelan N, Behan LA, Owens L, The impact of the covid-19 pandemic on women’s reproductive health. Front Endocrinol (Lausanne) 2021; 12:642755