Umfassend beraten bei Verdacht auf Migräne

Migräne gehört in Österreich, zusammen mit Hypertonie, Allergien und Beschwerden den Bewegungsapparat betreffend, zu den häufigsten Erkrankungen. Während rund 8 % der männlichen Bevölkerung an Migräne leiden, sind es bei Frauen circa 20 %, wobei die Anfallshäufigkeit zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr zunimmt. Hier sind Frauen im Durchschnitt um bis zu dreimal häufiger betroffen als Männer. Im höheren Alter sinkt die Anzahl der Migräneanfälle jedoch wieder deutlich. Die häufigste Form der Migräne ist die Migräne ohne Aura, an welcher der überwiegende Teil der Patienten leidet. Zu den weiteren Migränearten werden die Migräne mit Aura und die „migraine sans migraine“, die vestibuläre, die basiläre, die menstruelle Migräne und noch einige weitere Formen gezählt.

Migräneanfälle charakterisieren sich durch überwiegend einseitigen, pulsierend-pochenden starken Kopfschmerz, der häufig zusammen mit Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtempfindlichkeit einhergeht sowie mit neurologischen Ausfällen im Falle einer so genannten „Migräne mit Aura“. Die Migräneattacken können wenige Stunden bis hin zu mehreren Tagen andauern und kündigen sich in vielen Fällen bereits im Vorfeld mit diversen Prodromen an, wie zum Beispiel Stimmungsschwankungen, Heißhunger bzw. Appetitlosigkeit, Gereiztheit, häufiges Gähnen und Müdigkeit. Nach der darauffolgenden Kopfschmerzphase kann es noch einige Zeit lang zu Müdigkeit und kognitiven Einschränkungen kommen, bis sich der Patient schließlich gänzlich erholt. Treten vor der Kopfschmerzphase Sehstörungen (Lichtblitze, Flimmern, Linien), Schwierigkeiten beim Sprechen und Schwindel auf, so spricht man von einer Aura. Diese Beschwerden halten durchschnittlich zwischen 30 Minuten und einer Stunde an und verschwinden danach zur Gänze.

Pathophysiologie

Der genaue pathophysiologische Hintergrund für die Entstehung einer Migräne ist noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden unter anderem vererbte Instabilitäten von Ionenkanälen und die vermehrte Freisetzung gefäßerweiternder Neuropeptide (zum Beispiel „calcitonin gene-related peptide“ [CGRP]), die für die pulsierenden Kopfschmerzen verantwortlich gemacht werden. Als mögliche Triggerfaktoren von Migräneattacken gelten: Stress, Wetterumschwünge, Hormonveränderungen, Menstruation, unregelmäßige Schlafphasen, hoher Salz- oder Koffeinkonsum, äußere Faktoren wie Lärm, Licht oder Gerüche, histamin-/glutamin-/nitrithaltige Nahrungsmittel, die Einnahme von Medikamenten und genetische Prädisposition. Die Diagnose wird vom zuständigen Neurologen anhand der typisch auftretenden Symptome, nach Ausschluss anderer Erkrankungen, gestellt. Ein Migränetagebuch, in dem der Patient alle Symptome, deren Intensität und Dauer chronologisch notiert, ist sowohl bei der Diagnosestellung als auch bei der Therapiefindung hilfreich.

Migränetherapie

Als Mittel der Wahl bei leichten bis mittelschweren Migräneanfällen werden Acetylsalicylsäure (1 g p. o.), Ibuprofen (200–600 mg p. o.), Diclofenac (50–100 mg p. o.) oder Kombinationspräparate mit ASS, Paracetamol und Koffein angewendet. Sollten die genannten NSAID aus Verträglichkeitsgründen oder aufgrund von Kontraindikationen nicht möglich sein, so kann Paracetamol (1.000 mg p. o.), Metamizol (500–1.000 mg p. o.) gegeben werden. Opioidanalgetika sollten aufgrund ihrer begrenzten Wirksamkeit und des hohen Nebenwirkungs- und Suchtpotenzials nicht zur Therapie der Migräne verwendet werden!
Gegen die bei Migräne häufig auftretende Übelkeit wird Metoclopramid (10 mg p. o.) beziehungsweise Domperidon (10 mg p. o.) empfohlen.

Mittelschwere bis schwere Verläufe werden in erster Linie mit 5-HT1-Rezeptor-Agonisten, den so genannten „Triptanen“, behandelt. Diese gelten als spezifische Migränemittel und werden vor allem bei Nichtansprechen auf NSAID eingesetzt. Hierzu gehören unter anderem Sumatriptan, Zolmitriptan und Eletriptan, wobei Sumatriptan, subkutan appliziert, als wirksamste Therapieoption bei schnellstem Wirkungseintritt gilt. Neben Sumatriptan zeichnen sich auch Eletriptan und Zolmitriptan (p. o., nasal) durch raschen Wirkungseintritt aus. Die längste Wirkdauer, allerdings bei langsamem Wirkungseintritt (bis zu 4 Stunden), weist Frovatriptan nach peroraler Einnahme auf. Die beste Wirksamkeit erzielen Triptane, wenn sie möglichst gleich zu Beginn einer Migräneattacke eingenommen werden. Sollten die Kopfschmerzen nach der Einnahme erneut auftreten, so kann frühestens nach 2 Stunden eine zweite Dosis eingenommen werden. Die Kombination aus einem Triptan, meist Sumatriptan, und Naproxen wird bei häufig wiederkehrenden und lang andauernden Migräneanfällen verwendet. Bei Patienten mit vorangehenden schweren kardiovaskulären Erkrankungen (Angina Pectoris, KHK, TIA, pAVK, Schlaganfall) gelten Triptane als kontraindiziert. Die früher häufig verwendeten Mutterkorn­alkaloide werden heutzutage nur noch selten bei akuten Migräne­attacken eingesetzt und wurden weitgehend durch Triptane abgelöst.

Neue rezeptfreie Option

Waren bislang alle Triptane in Österreich ausschließlich verschreibungspflichtig, so wird zukünftig auch hierzulande ein rezeptfreies Zolmitriptan erhältlich sein, das bei Migräneanfällen mit oder ohne Aura und nach Erstdiagnose eines Arztes zum Einsatz kommen kann. Besonders wichtig ist dabei natürlich die passende Beratung (mehr dazu siehe Kasten).

Ein neuer Wirkstoff zur Vorbeugung von Migräneanfällen ist der CGRP-Inhibitor Erenumab. CGRP hat stark gefäßerweiternde, entzündungsfördernde und schmerzauslösende Eigenschaften, die durch Erenumab antagonisiert werden. Erenumab hat eine äußerst lange Halbwertszeit und muss daher nur einmal im Monat subkutan verabreicht werden.

Phytopharmaka und orthomolekulare Wirkstoffe

Auch unter den Phytopharmaka gibt es Wirkstoffe, welche die Häufigkeit und den Schweregrad von Migräneattacken positiv beeinflussen können, allen voran wird hier das Mutterkraut eingesetzt. Dieses wirkt der Gefäßerweiterung entgegen und hemmt entzündliche Prozesse, die an der Entstehung von Migräne beteiligt sind; auch Übelkeit und Erbrechen werden gemildert. Mutterkraut muss allerdings konstant über mehrere Monate eingenommen werden und darf nicht während Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden. Aus dem orthomolekularen Bereich können Omega-3-Fettsäuren (2–3 g EPA), Vitamin B2 (400 mg), Melatonin (3 mg) und Coenzym Q10 (200–300 mg) empfohlen werden. Besonders Frauen, die an Migräne im Zusammenhang mit der Menstruation leiden, profitieren von einer Kombination aus Magnesium (400–600 mg) und Vitamin B6 (20–50 mg).

Zusätzliche Tipps für Kunden mit Migräne

Um Migräneattacken vorzubeugen, sollten Patienten Stress reduzieren und Speisen mit vasoaktiven (gefäßerweiternden) Aminen (z. B. Rotwein, gereifter Käse, Schokolade, Geflügelleber etc.) reduzieren. Weiters sollten Nahrungsmittel mit Koffein, Sulfiten, Aspartam und Glutamat möglichst vermieden werden. Auch der Austausch alter Amalgamplomben soll zu einer Verringerung der Migräneanfälle beitragen. Tryptophanreiche Lebensmittel wie Nüsse, Milch und Vollkornprodukte hingegen heben den Serotoninspiegel und wirken somit migräneprophylaktisch.

 

Wichtige Beratungsinhalte zur rezeptfreien Therapieoption

Besonders wichtig bei der Abgabe des rezeptfreien Zolmitriptans ist die passende Beratung, bei der abgeklärt werden sollte, ob es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Migränekopfschmerzen handelt. Hier ist es wichtig, die eingangs erwähnten Symptome abzufragen: einseitiger, pulsierender Kopfschmerz, etwaige zusätzlich auftretende Übelkeit, Licht-/Lärmempfindlichkeit und eine Schmerzverschlechterung unter Belastung (Stufensteigen).


Literaturverweis:

AWMF-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“. 2018