Wie die Psyche den Darm reizt

Die Diagnose „Reizdarm“ wird bei Patienten erst gestellt, wenn andere Erkrankungen ausgeschlossen werden können und die Beschwerden innerhalb eines halben Jahres für mindestens drei Monate bestehen. So werden vor der Diagnosestellung meist ein Blutbild und eine Magenspiegelung in Kombination mit einer Darmspiegelung vorgenommen, um andere organische Erkrankungen, wie Magenschleimhautentzündung, entzündliche Darmerkrankungen oder eine Magen-Darm-Infektion, auszuschließen. Weiters sollte auch eine eventuell vorliegende Laktose-, Gluten-, Histamin- oder Fruktoseintoleranz ausgeschlossen werden.

Ein Reizdarm äußert sich durch Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall oder Verstopfung. Oft tritt ein Reizdarmsyndrom in Kombination mit einem Reizmagensyndrom auf, wobei es zusätzlich auch noch zu Übelkeit, Sodbrennen und Erbrechen kommen kann. Weiters kann es zu Appetitlosigkeit oder Ekel vor bestimmten Gerichten kommen. Auch vegetative Beschwerden wie Migräne, Schlafstörungen, Schwindel oder Schweißausbrüche können im Zuge der Erkrankung auftreten.

Wie kommt es zu einem Reizdarmsyndrom?

Eine einzige Ursache, die zu einem Reizdarm führt, gibt es nicht. Meist ist es eine Kombination aus falscher Ernährung, psychischer Belastung und einem ungesunden Lebensstil, die zu einer Überempfindlichkeit des Magen-Darm-Traktes führen. Leidet man an einem Reizdarm, so ist die Darmperistaltik gestört. Diese wird über ein eigenes Nervensystem und den Botenstoff Serotonin gesteuert. Bei Nahrungsaufnahme erschlafft die glatte Muskulatur des Darms, damit sich die Darmwand dehnen kann, und spannt sich danach wieder an. Dieser Vorgang ist bei einem Reizdarmpatienten gestört, sodass sich die Muskeln zu schnell anspannen oder nicht mehr entspannen. Je nachdem können Durchfall, Verstopfung oder Krämpfe auftreten. Auch eine genetische Disposition als Auslöser wird diskutiert, nachdem Familienangehörige von Patienten ein höheres Risiko haben, ebenfalls an einem Reizdarm zu erkranken. Weiters wurde in Studien beobachtet, dass ein Reizdarm­syndrom oft nach einer Antibiotikatherapie auftritt. Daher wird auch ein unausge­glichenes Darmmikrobiom als weiterer Triggerfaktor diskutiert.

Welche Folgen hat ein Reizdarm?

Durch die Symptome des Reizdarms sind Patienten stark in ihrem Allgemeinbefinden und Alltag beeinträchtigt. Leiden Patienten länger an den Symptomen des Reizdarms, kann es auch zu Kreislaufproblemen oder Gewichtsabnahme kommen. Oft tritt ein Reizdarmsyndrom als Folge oder in Kombination mit Depressionen oder chronischem Erschöpfungssyndrom auf.

Wie wird ein Reizdarm behandelt?

Patienten mit Reizdarm werden sehr individuell behandelt. Patienten werden aufgefordert, ein Tagebuch zu führen, worin sie ihre Ernährung, psychische Verfassung und Beschwerden dokumentieren. Je nach Symptomen werden Medikamente gegen Verstopfung, Durchfall, Krämpfe, Antiflatulanzien, Probiotika, Tees oder ätherische Öle angewandt.

Medikamente gegen Verstopfung und Durchfall

Um die Verdauung wieder in Schwung zu bringen ist es wichtig, genügend zu trinken und sich ausreichend zu bewegen. Ballaststoffe wie Flohsamenschalen oder Leinsamen regen zusätzlich die Verdauung an. Hartnäckige Verstopfungen können mit Arzneistoffen wie Macrogol, Bisacodyl oder Natriumpicosulfat behandelt werden.
Bei Durchfall wird häufig der Wirkstoff Loperamid eingesetzt, aber auch Gerb­stoffe oder Gallensäurebinder werden zur Behandlung verwendet. Weiters können Ballaststoffe und Pektin helfen, die Verdauung zu normalisieren. Wichtig ist es trotz des Durchfalls genügend zu trinken. Bei starken oder langanhaltenden Durchfällen ist die Zufuhr eines Elektrolytgetränkes ratsam.

Krampflösende Mittel

Der Wirkstoff Butylscopolamin wird bei Bauchkrämpfen angewendet. Butylscopolamin ist ein Spasmolytikum, das wenig lipophil und daher nicht ZNS-gängig ist. Es wirkt daher direkt an der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Traktes und des Harntraktes. Oft wird er in Kombination mit Paracetamol verwendet, wodurch man eine zusätzliche analgetische Wirkung hat. Auch Öle wie Pfefferminzöl oder Kümmelöl wirken entkrampfend.

Antiflatulanzien und Probiotika

Bei Blähungen, die oft auch mit Krämpfen auftreten können, kommen entschäumende Arzneistoffe wie Simeticon oder Dimeticon zur Anwendung. Ätherische Öle wie Pfefferminzöl wirken akut und auch vorbeugend gegen Blähungen.
Um die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu bekommen, können lebensfähige Darmbakterien eingesetzt werden.

Pflanzliche Mittel

Phytotherapeutisch werden Tees oder auch ätherische Öle angewendet.

  • Tees
    Pfefferminzblätter: Die Inhaltsstoffe der Pfefferminzblätter wirken bei Übelkeit und krampfartigen Beschwerden. Ein Tee kann mit 2 bis 4 Teelöffel getrockneten Pfefferminzblättern zubereitet werden.
    Kamillenblüte: Die Blüten werden bei Übelkeit, Sodbrennen und Blähungen eingesetzt und wirken krampflösend und reizmildernd.
    Melisse: Die Inhaltsstoffe der Melisse wirken karminativ, spasmolytisch und beruhigend, wodurch die Melisse zur symptomatischen Behandlung von Verdauungsbeschwerden geeignet ist.
  • Ätherische Öle
    • Pfefferminzöl ist das ätherische Öl der ersten Wahl bei Reizdarmproblemen und Bauchschmerzen. Das darin enthaltene L-Menthol hemmt Ca+-Kanäle in der glatten Muskulatur des Gastrointestinaltraktes und wirkt daher spasmolytisch. Weiters ist es antioxidativ, antimikrobiell und leicht lokalanästhetisch, wodurch die Reizdarmbeschwerden oder Bauchschmerzen gelindert werden.

Wärme

Eine heiße Wärmflasche, die man in ein Handtuch gewickelt auf den Bauch legt, entspannt und entkrampft. Aber auch ein warmes Vollbad kann Krämpfe lindern. Weiters ist eine Bauchmassage mit einer aromatischen Salbe sehr zu empfehlen. Dabei massiert man die Salbe mit zwei Fingern kreisend im Uhrzeigersinn um den Bauchnabel ein.

Tipps bei Reizdarmbeschwerden

  • kleine Portionen essen und gut kauen
  • selbst kochen statt Fertigprodukte
  • keine scharfen Gewürze
  • wenig Zucker und Süßigkeiten
  • ballaststoffreich essen und viel trinken
  • Entspannung und autogenes Training
  • Sport und genügend Schlaf