Medizin und Kunst – Ausgleich und Ergänzung

ARZT & PRAXIS: Medizin und Kunst – das hat auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun … Oder doch?

Dr. Maria-Luise Öhl: Diese Frage bekomme ich häufig gestellt und ich mache mir natürlich immer wieder Gedanken darüber. Man sagt ja, dass gute Ärzte alle 5 Sinne für ihre Arbeit nutzen, ebenso kommen in der Kunst alle 5 Sinne zum Einsatz. Viele Fragestellungen in der Medizin erfordern kreative Lösungen. Die Kreativität ist also eine wichtige Eigenschaft für Ärzte und bei manchen äußert sie sich eben auch in Form von künstlerischen Aktivitäten.

Sind unter den Ärzten mehr Künstler zu finden als in anderen Berufsgruppen?

Das kann ich nicht sagen, da ich keine Zahlen dazu kenne. Allerdings sind auch in der Vergangenheit viele berühmte Maler, Schriftsteller und Musiker aus den Reihen der Ärzteschaft hervorgegangen. Denken wir z. B. an Arthur Conan Doyle, Leonardo da Vinci, Arthur Schnitzler, u. v. m.

Sie sind selbst Ärztin und Künstlerin. Wie vereinen Sie diese beiden Leidenschaften?

Bei mir – und vermutlich vielen meiner Kollegen – war es so, dass ich zu Beginn meines Studiums vor der Entscheidung stand: Medizin oder Kunst. Schon damals haben mich beide Gebiete fasziniert. Ich entschied mich für den Brotberuf und machte die Kunst zu meinem Hobby. Mal finde ich mehr, mal weniger Zeit dafür. Das künstlerische Schaffen bietet mir einen wichtigen Ausgleich zu meinem Beruf als Ärztin – so kann beispielsweise im Berufsalltag Erlebtes in der Kunst aufgearbeitet werden.

Seit mittlerweile 25 Jahren gibt es den Österreichischen Ärztekunstverein …

Der Verein wurde 1992 von einer Gruppe von Ärzten gegründet, auf Initiative von Dr. Harald Pecina. In der Folge schlossen sich immer mehr künstlerisch tätige Ärzte aus allen Fächern der Medizin an. Heute zählt der Verein 66 Mitglieder quer durch Österreich – wobei wir aktuell leider keine Mitglieder aus Vorarlberg und dem Burgenland haben. Es wäre schön, wenn sich das in Zukunft ändert. Unter den Mitgliedern sind größtenteils Maler, aber auch Fotografen, Bildhauer, Musiker und Schriftsteller.

Welche Ziele verfolgt der ÖÄKV?

Ziele des ÖÄKV sind ein reger Gedanken- und Interessenaustausch über alle Bereiche der Kunst sowie die Präsentation gemeinsamer Ausstellungen, Musik und Literatur. Als Obfrau ist es mir ein Anliegen, auch zu zeitgemäßen Themen Stellung zu nehmen. Dazu werden im Verein gemeinsam Themen vorgeschlagen, besprochen und beschlossen, die dann in der Folge von den einzelnen Mitgliedern künstlerisch aufgearbeitet werden. Die entstandenen Arbeiten werden in einer gemeinsamen Vernissage oder Ausstellung gezeigt.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Vernissage „Das Mittelmeer“. 20 Mitglieder des ÖÄKV haben sich künstlerisch mit der Flucht über das Mittelmeer nach Europa auseinandergesetzt und die Ergebnisse im Mai 2017 in der Alten Schieberkammer in Wien ausgestellt.
Auch in der Ausstellung „Brücken bauen“ in der Bruckmühle, die von Mitte September bis Anfang Oktober 2017 im oberösterreichischen Pregarten stattfand, ging es um die Verständigung zwischen den verschiedensten Polen und Gegensätzen – im übertragenen Sinn.
Uns geht es aber nicht allein um schöne Bilder, wir möchten mit unserer Kunst auch ein Zeichen setzen und aktuelle Themen zeitkritisch betrachten und bildnerisch darstellen. Darüber hinaus bietet der Verein neben gemeinsamen Ausstellungen auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Workshops zu Themen wie Zeichnen, Graffiti oder Homepage-Gestaltung.

Welche Veranstaltungen und Aktivitäten sind aktuell geplant?

Das nächste wichtige Ereignis ist unsere Jahreshauptausstellung. Diese findet bereits seit 1992 jedes Jahr im Herbst mit Bildern, Skulpturen, Literaturlesungen und Musik im AKH Wien statt. Heuer widmen wir uns dem Thema „Träume“. Die Ausstellung ist vier Wochen lang vom 7. November bis 1. Dezember 2017 zu sehen.
Wie jedes Jahr stellen wir auch beim Kongress für Allgemeinmedizin in Graz aus (23.–25. November 2017), wo wir das diesjährige Tagungsmotto „Schmerz lass nach … Wege aus Qual und Pein“ künstlerisch aufgreifen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen:

www.aerztekunstverein.at