Ein Gesamtmix entscheidet

Was bedeutet für Sie Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen und welche Rolle spielt dabei der Standort Wien?
Niemand will ernsthaft krank sein. Wenn doch etwas passiert, kann man sicher sein, in Österreich eine erstklassige Behandlung und Versorgung zu bekommen. Das beginnt beim bestens ausgebildeten medizinischen Personal, geht über die moderne und leistungsfähige Gesundheitsinfrastruktur und führt bis zur innovativen und starken Medizinprodukte- und Life-Science-Branche.
Ich denke, dass es insgesamt einen Gesamtmix für die Bereiche Prävention, Versorgung, die Weiterentwicklung bei akut und chronisch Kranken und für chirurgische Eingriffe sowie die gesamte Nachsorge benötigt, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Auch die Forschung und damit die Medizinprodukte- und Life-Science-Branche kann davon nicht getrennt gesehen werden, denn sie ist sozusagen der Zulieferer, damit all die anderen Bereiche funktionieren können. Wir versuchen daher am Standort Wien, alle diese Themen in Form einzelner Projekte weiterzuentwickeln. Wichtige Beiträge sind zum Beispiel das Zentrum für Präzisionsmedizin an der MedUni Wien oder die Benannte Stelle.

Ist die Digitalisierung ein Instrument, um mehr Versorgungssicherheit zu bieten?
Digitalisierung hat eine absolute Versorgungssicherheitskomponente. Denn so wird ermöglicht, dass wir alle Gesundheitsangebote quasi rund um die Uhr und sieben Tage die Woche zur Verfügung stellen können. Das ist State of the Art und dem müssen wir mehr Rechnung tragen. Die Grundlage dafür ist, dass wir Daten erheben und auch klug nutzen. Sowohl das Forschungsorganisationsgesetz als auch das Austrian Micro Data Center sind wichtige Schritte in diese Richtung gewesen.

Hat sich diese Sichtweise aufgrund der Pandemie verändert?
Wir haben den Umgang mit digitalen Versorgungswegen gelernt, denn plötzlich war viel möglich: Rezepte auf der e-card oder PCR-Gurgeltests vor dem Handy.

Haben DiGAs das Potenzial, das Gesundheitssystem weiterzuentwickeln?
Wir haben eine gute Basis, viele Daten und sind ein Hort für die Entwicklung von DiGAs. Jetzt braucht es Pfade, ähnlich wie in Deutschland, um festzulegen, wie eine digitale Gesundheitsanwendung zu einem Medizinprodukt werden kann. Da hoffe ich auch, dass durch die Benannte Stelle eine gewisse Beschleunigung eintritt. Und schließlich müssen die zugelassenen Produkte in den Erstattungsprozess und in damit in die Breite kommen. Das muss sehr niederschwellig geschehen und darf nicht so kompliziert sein, wie wir es in unserem Nachbarland beobachten. Ich denke, dass wir die Grundlagen heuer noch auf den Weg bekommen und dann wird es rasch in die Umsetzung gehen.

Wo gibt es Hemmnisse in puncto Digitalisierung?
Ich sehe das vor allem im Mut zur Datennutzung. Wir sammeln, stülpen dann eine Datenbank darüber und dann dürfen Forscher die Daten erst nutzen. ELGA Daten sind gar nicht integriert. Diesen Weg sollte man rasch vereinfachen.

Wo sehen Sie aktuell positive Entwicklungen, wenn Sie an Digitalisierung denken?
Das Forschungsorganisationsgesetz und das Austrian Micro Data Center sind sehr positive Entwicklungen und damit auch die Überzeugung aller Institutionen, dass die Datennutzung wichtig ist. Ich bin stolz, dass wir das als WKO gemeinsam mit AUSTROMED angestoßen haben. Die von den Sozialversicherungsträgern beschlossenen Digitalisierungsstrategien sind auch ein Zeichen, wie wichtig das Thema ist.
Ein offenes und kooperatives Klima der Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern ist der AUSTROMED wichtig. Mit dem Wiener Standortanwalt wurden bereits viele Themen gemeinsam in Angriff genommen, wie etwa die digitalen Gesundheitsanwendungen. Die Notwendigkeit transparenter Prozesse, eine rasche Technologieentwicklung im Gesundheitswesen und Maßnahmen zur Sicherung des Wirtschafts- und Innovationsstandortes stehen auf der gemein-samen Agenda.