„Man kann nicht nicht dabei sein.“

Was bedeutet für Sie Innovation grundsätzlich und im Hinblick auf das Gesundheitswesen?
Innovationen ist für mich grundsätzlich immer etwas Positives, natürlich auch im Hinblick auf das Gesundheitswesen. Innovationen müssen wir fördern, besonders auch was die Digitalisierung des Gesundheitswesens betrifft. Positive Effekte sind beispielsweise Effizienzsteigerungen, verbesserte Arbeitsabläufe oder vertiefte Datenanalysen. Die beste technologische Neuerung ist jedoch wertlos, wenn sie von der Bevölkerung nicht genutzt werden kann. Daher fördern wir nicht nur die Innovationen selbst, sondern auch die Fähigkeiten, diese zu nutzen.
Kann Digitalisierung zur Förderung von Innovation beitragen?
Das steht außer Frage! Besonders in den letzten zwei Jahren haben wir gesehen, wie die Digitalisierung zur Förderung von Innovation beiträgt. Durch die mit Corona verbundenen Maßnahmen wie Homeoffice und Homeschooling hat man gesehen, was alles möglich ist. Das hat für viele Innovationen gesorgt, wie etwa das E-Rezept. So tragisch die Pandemie für uns alle war, im Bereich der Digitalisierung haben sich großartige Chancen ergeben. Diese gilt es nun zu nutzen, um am Ende des Tages zu den Digitalisierungsgewinnern zu gehören!
Wer ist verantwortlich, dass Innovationen in den Markt kommen?
Eine einzelne Verantwortlichkeit für Innovationen gibt es nicht. Innovation ist immer ein Zusammenspiel aus den Faktoren Notwendigkeit, Akzeptanz, Umsetzbarkeit und den Rahmenbedingungen. In der Corona-Pandemie wurden beispielsweise aufgrund der Notwendigkeit die Rahmenbedingungen so angepasst, sodass diese für Innovationen in der Digitalisierung sorgten, wie beispielsweise das E-Rezept. Chancen wurden sehr rasch genutzt, nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Verwaltung und im Privatleben.
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein wesentlicher Teil des österreichischen Regierungsprogramms. Wo sehen Sie hier Chancen, wo Hürden und was sind die konkreten nächsten Schritte, um die Umsetzung zu beschleunigen?
Ich betrachte die Digitalisierung allgemein als große Chance, auch im Gesundheitswesen. Beispielsweise hat die Corona-Pandemie die Schwächen des bestehenden Epidemiologischen Meldesystems aufgezeigt. Daher wird nun, gemeinsam mit den Ländern, an einem „EMS 2.0“ gearbeitet. Aber auch an der Weiterentwicklung des elektronischen Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Kind-Pass wird gearbeitet. Hier überall bietet die Digitalisierung Chancen, die wir auch nutzen.
Sind Bürger bereit für Innovation?
Die Bürger sind definitiv bereit für digitale Innovationen. Bereits vor der Pandemie haben wir gesehen, dass sich große Teile des alltäglichen Lebens in das Internet verlagert haben. Eingekauft wird im Internet und man tauscht sich über soziale Netzwerke aus. Klar ist, die digitale Transformation bringt die nötigen Impulse für Wachstum und Wohlstand in unser Land und in ganz Europa. Mein Ziel ist es, die Verwaltung dorthin zu bringen, wo die Menschen sind. Dafür sollen bis 2024 möglichst alle Behördenwege auch digital angeboten werden.
Ist Digitalisierung das Allheilmittel für ein effizientes Gesundheitssystem?
Effizienz wird nicht nur durch die Digitalisierung geschaffen, diese kann jedoch maßgeblich dazu beitragen. Ein Allheilmittel für ein komplexes System wie das Gesundheitssystem wird es nicht geben, ich bin aber überzeugt, dass in einzelnen Bereichen dazu beigetragen werden kann, das System effizienter zu gestalten. Durch die Digitalisierung können beispielsweise Arbeitsabläufe beschleunigt werden oder bei der vertiefenden Datenanalyse unterstützen.
Ist Österreichs Gesellschaft durch Corona innovationsfreudiger und offener für digitale Gesundheitsanwendungen geworden?
Bei allen Dingen, die ich mache und kommuniziere, ist es mir wichtig, den Menschen zu zeigen, wo ihnen die Digitalisierung im täglichen Leben hilft. Digitalisierung findet weltweit über alle Branchen hinweg statt und es ist völlig illusorisch, wenn einzelne Bereiche sagen, sie wollen da nicht dabei sein. Am Ende wird die Digitalisierung über unsere Wettbewerbsfähigkeit entscheiden. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass Österreich auf einem guten Weg ist, was die technischen Innovationen betrifft. Erst vor Kurzem gewann unser Projekt „ID Austria“ als Vorzeigemodell für eine europaweite digitale Identität den ersten Platz im eGovernment-Wettbewerb in Berlin.
Gibt es Vorbilder in Sachen Innovation und Digitalisierung im Gesundheitswesen?
Estland und Dänemark gehören im Bereich Digitalisierung im Gesundheitswesen jedenfalls zu den Vorbildern in Europa. Den Weg, den Deutschland mit dem Digitale-Versorgungs-Gesetz gegangen ist, nämlich dass Krankenversicherte einen Leistungsanspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen erhalten und gleichzeitig die Zulassung solcher Anwendungen beschleunigt wurde, kann durchaus auch ein Vorbild für Österreich sein. Auch in Frankreich und Belgien gibt es für DiGAs Kostenerstattungen. In Österreich hat die Sozialversicherung bereits einige Pilotprojekte dazu laufen.
Wie wichtig ist Digitalisierung als Standortfaktor für Wirtschaft und Wissenschaft?
Die Digitalisierung ist für alle Bereiche von großer Bedeutung, egal ob im Gesundheitsbereich oder in einem anderen Bereich, denn ob beruflich oder privat, wir alle brauchen schnelles und stabiles Internet. Dafür benötigen wir auch die notwendige Infrastruktur – die Bundesregierung hat sich daher das Ziel gesetzt, bis 2030 ganz Österreich flächendeckend mit mobilen und festen Breitbandanschlüssen zu versorgen. Beispielsweise unterstützen wir alleine in den nächsten vier Jahren mit einem Förderpaket von 1,4 Mrd. Euro! Die ersten 700 Mio. Euro, wovon 300 aus dem Budget vorgezogen werden und weitere 150 Mio. Euro im Oktober, werden noch dieses Jahr investiert. Der Breitbandausbau ist entscheidend für einen attraktiven Wirtschaftsstandort und dabei sind wir bereits auf einem sehr guten Weg!
Was braucht es aktuell für Rahmenbedingungen, damit DiGAs in die Breite kommen können?
Das Angebot an digitalen Gesundheitsanwendungen ist breit, daher ist eine Abgrenzung zu gewöhnlichen „Lifestyle-Apps“ notwendig. Das kann ein Gütesiegel oder eine Zertifizierung sein, die gewisse Qualitätskriterien sowie Einhaltung von datenschutzrechtlichen Bestimmungen nachweist und für die Patienten eine Entscheidungshilfe darstellen kann. Es bedarf Schnittstellen zum Gesundheitswesen, um die gesammelten Daten dem behandelnden Arzt zur Verfügung zu stellen, die so als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können.