Pflegedaten durch Datenpflege

Die Lebenserwartung steigt – und damit auch der Bedarf an professioneller Langzeitpflege. Tatsächlich kann das Angebot den Bedarf kaum decken. Intelligente Anpassungen der Ressourcen sind gefragt. Nur so können leistbare Dienste in der notwendigen Qualität auch zukünftig angeboten werden. Für die notwendigen Adaptionen sind fundierte und kritische Analysen gefragt, die für den Bereich der institutionellen Langzeitpflege in Europa kaum vorhanden sind. Erstmals werden nun an der Donau-Universität Krems in Kooperation mit dem oberösterreichischen Verein MAS Alzheimerhilfe und der Karls-Universität Prag Daten für die Situation in der Tschechischen Republik und in Österreich erhoben. Das Projekt wird vom Wissenschaftsfonds FWF und der tschechischen Partnerorganisation GACR gefördert. Der Fokus liegt auf Personen mit Demenz, die einer besonders intensiven Pflege und Begleitung bedürfen.

Aussagekräftige Daten fehlen

„Im Mittelpunkt der Langzeitpflege steht der Bedürftige, doch genau der ist wissenschaftliche Terra incognita. Über seine Kognitions- und Leistungsfähigkeit sowie seine Verhaltensmuster ist viel zu wenig bekannt. Damit kann auch eine Anpassung des Pflegeangebotes bei gleichbleibender Qualität nicht erfolgen“, resümiert Projektleiterin Dr. Stefanie Auer vom Zentrum für Demenzstudien des Departments für Klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin.
Genau diese fehlenden Daten werden Auer und ihre tschechischen Projektpartner nun in jeweils sechs zufällig ausgewählten Pflegeeinrichtungen in Österreich und Tschechien erheben. Insgesamt werden dabei bis zu 1.000 Pflegebedürftige erfasst, deren Daten anonymisiert in die Studie einfließen. Neben allgemeinen Daten zu Alter und Geschlecht stehen die kognitiven Fähigkeiten sowie medizinische und soziale Parameter im Mittelpunkt des Projekts.
Drei weitere Bereiche, die wesentlichen Einfluss auf die Pflegesituation nehmen, werden erfasst: die Betreuungsteams in den Pflegeeinrichtungen und deren Belastungen, die Angehörigen der Pflegebedürftigen sowie Details zu den Pflegeeinrichtungen. Wie wichtig eine solche mehrdimensionale Datenerhebung ist, erläutert Auer anhand eines Beispiels: „Die Praxiserfahrung zeigt, dass Menschen mit Demenz im Pflegeheim häufig an Depressionen leiden, oft ruhelos sind und ziellos wandern. Diese Verhaltensauffälligkeiten stellen für andere Bewohner, das Pflegeteam und die Angehörigen eine enorme Belastung dar. Und obwohl es Hinweise gibt, dass solche Verhaltensweisen durch Umgebungsfaktoren und Ausbildung beeinflusst werden, wissen wir sehr wenig über konkrete Zusammenhänge.“ Diese wichtigen, bisher aber weitestgehend unbekannten Faktoren, die sich auf die gesamte Pflegesituation auswirken, hoffen die Forscher zu identifizieren und besser verstehen zu lernen.

Daten vernetzen

Tatsächlich werden in der Studie die Expertisen zweier Disziplinen in ein gemeinsames Studienprotokoll münden. Denn sowohl Erhebungsmethoden der Medizin als auch der Psychologie werden vereint und bieten so die Möglichkeit, größere und stärker vernetzte Datenmengen zu erfassen. Dies wiederum erlaubt eine bessere statistische Auswertung und damit bessere Entscheidungsgrundlagen. Dazu trägt bei, dass die für die Studie ausgesuchten Pflegeeinrichtungen aus allen drei Trägerbereichen – öffentlich, kirchlich und privat – stammen. So wird eine dem tatsächlichen Pflegeangebot entsprechende repräsentative Studie gewährleistet.