Diabetes und PAVK – Haben wir es doch geschafft?

Bis vor Kurzem galt die Aussage, die Kombination von Diabetes und einem diabetischen Fußsyndrom, mitverursacht durch periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), führt zu 100 % innerhalb von 4 Jahren zum Tod (Leibson et al., Diabetes Care 2004). Dies war sicher der Grund, dass die „Senkung der Zahl von Amputationen aufgrund diabetesbedingter Gangräne um mindestens die Hälfte“ eines der 5 klinischen Outcome-Ziele der „St.-Vincent-Deklaration“ war, die am 12. Oktober 1989 formuliert wurde. Betreffend Retinopathie, Nephropathie, koronarer Herzerkrankung und Schwangerschaftsverlauf hat man in der Tat in den vergangenen 20 Jahren bei Diabetikern eindrucksvolle Prognoseverbesserungen beobachten können, nur das diabetische Fußsyndrom blieb ein Stiefkind des „victorious battle against micro- and macrovascular diabetes complications“.

 

Erstmals Rückgang bei Amputationen

Vor Kurzem konnten nun aber Li et al. (Diabetes Care 2012) erstmals weltweit bei Diabetikern in den USA zwischen 1996 und 2008 einen deutlichen Rückgang der Amputationsraten um 67 % zeigen (Abb. 1).

Dieser deutliche Rückgang kann aber nicht verbergen, dass gegenüber Patienten ohne Diabetes die Amputationsraten immer noch ca. 8-fach erhöht sind. Jedenfalls scheint es zumindest in den USA so zu sein, dass jegliche Amputation deutlich reduziert ist (Tseng et al., Diabetes Care 2011; Abb. 2). Dies ist sehr wichtig, da wir wissen, dass Amputation per se mit einer verkürzten Lebenserwartung bei Diabetikern (Schofield et al., Diabetes 2006), aber auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine kontralaterale Amputation vergesellschaftet ist (Izumi et al., Diabetes Care 2006).
Leider muss man festhalten, dass in Deutschland, der Schweiz und auch in Österreich die Amputationsraten noch nicht rückläufig sind, sondern erst das aus den USA vor ca. 10 Jahren bekannte stabile Plateau erreicht haben – wobei streng genommen das individuelle Risiko des einzelnen Diabetespatienten auch in diesen Ländern deutlich abgenommen hat, durch die Diabetespandemie aber die Gesamtzahl der Amputationen gleich hoch bleibt.

Erfolg durch systematisches Vorgehen

Was müssen wir tun, um das St.-Vincent-Ziel betreffend die Reduktion der Amputationsraten auch in Österreich zu erreichen?
Beispielhaft hierfür könnte eine bei ihrem Erscheinen 2009 sehr provokante Arbeit aus Italien sein (Faglia et al., Diabetes Care 2009), die in mehrfacher Hinsicht „unkonventionell“ war:

  • Es wurden Patienten und Angehörige in der Behandlung/ Betreuung eines Fußes mit aber auch ohne Ulkus geschult.
  • Es erfolgte eine genaue Analyse der Ursachen des diabetischen Fußsyndroms mit Aufarbeitung aller pathophysiologischen Komponenten (Neuropathie, Osteoarthropathie, Infektion, Angiopathie/PAVK) bei wirklich jedem Patienten.
  • Alle Patienten erhielten eine duale Plättchenhemmung, und auch das restliche Management kardiovaskulärer Risikofaktoren wurde aggressiv geplant.
  • Alle Patienten wurden primär interventionell behandelt, wenn sie eine PAVK aufwiesen. Auch komplexere Stenosen/ Verschlüsse (TASC-C und TASC-D) wurden interventionell behandelt; erst bei Versagen dieser Strategie wurden gefäßchirurgische Revaskularisationsverfahren (meist ein Bypass) angestrebt.

Dieses aggressive Maßnahmenpaket führte zu einem sehr guten, hochsignifikant besseren Outcome: Im Verlauf von annähernd 6 Jahren konnte die Majoramputation von 68 % auf 20 %, der Tod von 75 % auf 50 % reduziert werden (Abb. 3). Der wichtigste Faktor für Verhinderung von Tod und Majoramputation war eine erfolgreiche Revaskularisation mit einer für die damalige Zeit geradezu unglaublichen Odds Ratio von 36 (Tab. 1).

Neben der raschen Revaskularisation muss auch ein adäquates Management der kardiovaskulären Risikofaktoren erfolgen (Tab. 2), siehe hierzu die Ausgabe 1/2011 von DIABETES FORUM.

Resümee

Das diabetische Fußsyndrom ist eine komplexe Erkrankung, welche den Bogen der Inneren Medizin weit überspannt. Eine gute Kooperation zwischen Diabetologen, Angiologen, Neurologen, Dermatologen, Radiologen, Orthopäden, plastischen Chirurgen und Gefäßchirurgen ist für ein erfolgreiches Management unerlässlich.

HINWEIS: Eine genaue Behandlung der komplexen Sachverhalte wird in einer eigenen Hauptsitzung bei der 40. Jahrestagung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft im November 2012 erfolgen.