Frauengesundheit und Ernährung

Von der Ernährung zur Krankheit

Die moderne Frau sitzt nicht mehr in oder vor der Höhle, bewacht und pflegt das Feuer sowie die zahlenreiche Brut. Der „western lifestyle“ sorgt bereits in der Pubertät dafür, dass das metabolische Syndrom mit Übergewicht und Akne1 ebenso ein Thema sind wie dauerhaft erhöhte Insulinspiegel, aber auch „silent inflammation“, also beispielsweise auffallend erhöhte CRP-Werte2. Auch das Gegenteil kann eintreten und ein falsch verstandener Schlankheitswahn verursacht eine verzögerte Entwicklung, Unterernährung mit Vitalstoffminderversorgung (Vitamine, Spurenelemente, essenzielle Fettsäuren etc.) oder Ausbleiben der Menstruation. Im Vergleich zu früher nehmen Frauen in der Schwangerschaft deutlich mehr an Körpergewicht zu, auch kommt der Gestationsdiabetes3 viel häufiger vor, parallel dazu steigt die Zahl der Kaiserschnittentbindungen. In der endokrinologischen Praxis sieht man ebenso wie in der frauenärztlichen Sprechstunde immer öfter junge Frauen mit dem PCO-Syndrom. Behandelt wird es fast schon „regelhaft“ mit Metformin. Das Medikament verbessert die Auswirkungen der Insulinresistenz.
Der Schluss liegt nicht nur nahe, sondern ist bereits wissenschaftlich belegt: hier spielt bei allem die Ernährung eine wesentliche Rolle.
Ebenso wie bei der Gewichtszunahme nach der Menopause. Hier ist vor allem die Akkumulierung des viszeralen Speicherfetts bedeutsam und gesundheitlich relevant. Selbstredend ist auch dieses Phänomen mit der Ernährung engst verwoben. Noch viel spannender sind die Verbindungen zwischen der Ernährung der Frau und den Neurotransmitterstörungen, angefangen beim PMS, den Wochenbettdepressionen bis hin zum Überlastungs- und Burn-out-Syndrom und sogar den Demenzerkrankungen (Alzheimer als Diabetes Typ III durch Insulinspiegel-getriggerte regelmäßige Kurzzeit-Unterzuckerungen während des gesamten Lebens).

Von der Ernährung zur Gesundheit

Wie weit auch immer das Fenster für die hiesige Betrachtung geöffnet sein mag, der ärztlich-wissenschaftliche Rat wird immer individuell bleiben müssen, das Vorgehen zu verbesserter Gesundheit und gesteigerter Lebensqualität, welches der Therapeut vorlegt, muss sich an der Einzelanamnese, dem Befinden, den aktuellen Laborwerten orientieren. Nur dann kann er der Gesundheit der Frau in jedwedem Lebensalter sowie Lebensabschnitt dienen. Dennoch lassen sich wesentliche Erkenntnisse zusammenfassen und einige ganz allgemeine Regeln formulieren, die das Thema Frauengesundheit nicht nur endokrinologisch, sondern auch ernährungsmedizinisch auf moderne, fortschrittliche Weise voranbringen.

Weniger Mahlzeiten besser: Nicht nur die seit langem bekannte Wirkweise des seit rund 70 Millionen Jahren in fast allen Spezies existierenden Überlebens-, aber auch lipogenetischen und heute oftmals leider auch pathogenetischen Hormons Insulin, sondern auch die jüngeren Erkenntnisse zum Trans­kriptionsfaktor Foxa 24 machen deutlich, dass die auch heute noch in den offiziellen DGE-Leitlinien (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) postulierte Einnahme von 3 Haupt- und zusätzlich zumindest 2 Zwischenmahlzeiten nicht nur antiquiert, ja sogar gefährlich ist. Der einschlägige Rat muss lauten, sich auf 3 Mahlzeiten mit einem Abstand von etwa 5 Stunden zu beschränken. Nur so kommen Insulinämie und die Foxa-2-Präsenz (sowie weiterer Transkriptionsfaktoren) im Nucleus diverser Zellen einschließlich jener des lateralen Hypothalamus (Kontrollzentrum des Fasten- und Nahrungsaufnahmetriebes) ins Lot. Allein eine derartige Stoffwechselsituation fördert die vermehrte und mithin KHK-protektive Produktion von HDL-Cholesterin. Aber auch von MCH (Melanin-concentrating Hormone), welches den Schlaf, das Hunger-Sättigungs-System und die Stimmung positiv beeinflusst.

Gut kauen und nicht zu lange: Dieser Regel schließt sich die Konsequenz an, nicht viel länger als eine Stunde pro Mahlzeit zu investieren und gut zu kauen – auch dies verhindert den Hyperinsulinismus mit seiner Wirkung auf die Lipoproteinlipase einerseits und die Lipogenese andererseits ebenso wie eine dadurch immanente hyperkalorische Ernährung. Die zeitliche Limitierung induziert echte Sättigung (Magendehnung, damit verminderte Ghrelinproduktion, CCK als Sättigungshormon steigt).

Genügend Proteine: Es ist jedoch andererseits auch im Alltag darauf zu achten, dass nicht zu wenig gegessen wird. Hierbei orientiert sich die Energiemenge am Grundumsatz plus dem jeweiligen Leistungsumsatz. Je älter die Frau, insbesondere im zweiten und dritten Drittel des Seniums, desto wichtiger ist auch die konsequente Umsetzung des Rates zur proteinreichen Versorgung; dies stets unter Einbezug des Hausarztes, welcher die Nieren- und Leberfunktion kontrolliert. Eine einfache Methode zur Sicherung einer ausreichenden (Protein-)Versorgung ist die Messung des Wadenumfangs, welcher 30 cm nicht unterschreiten sollte.

„Insulinschonende“ Nahrungszusammensetzung: Untersuchungen wie die DIOGENES-Studie5 belegen, dass eine Ernährung mit einem „low glycemic Index and high protein“ – also mit Nährstoffen, die genau genommen eine niedrige glykämische Last (GL) haben und reich an Proteinen (20–30 % Eiweißanteil) sowie wertvollen Ölen sind (der anzuratende Fettanteil liegt mit 30–35 % auch über den antiquierten Empfehlungen der DGE) – zu bevorzugen ist. Bevorzugen Sie langkettige Kohlenhydrate (z. B. Roggen, Hafer, Gesamtanteil KH zwischen 40–45 %). Der hieraus resultierende niedrig verlaufende Insulinspiegel im Blut mündet beispielsweise in einer gesteigerten Produktion und Prävalenz des stärksten aller Anti-Aging-Hormone, dem DHEA. DHEA ist der Ausgangsstoff jener Geschlechtshormone, die der Frau in jedem Lebensabschnitt helfen, Gesundheit und Lebensqualität nicht nur subjektiv wahrzunehmen. Gleichzeitig verhindert dieses Vorgehen einen Aufbau des viszeralen Fettmantels, also jener Zellen, die eine Vielzahl von Entzündungsmediatoren exprimieren und zudem eine nachweisliche kanzerogene Komponente6 darstellen.
In aller Regel empfiehlt sich der konsequente abendliche KH-Verzicht, sodass das Abendessen sich aus Salaten, Gemüse, Fisch, Fleisch, Eier oder pflanzlichen Proteinquellen konstituiert. Überdies möge man Milch und Molkeprodukte mit Ausnahme gereifter Käsesorten wegen deren IGF-1-triggernden Wirkung (40 % Steigerung!) und im weiteren deren intrinsischer Hormonwirkung auf den menschlichen Organismus meiden.

Ausreichend Flüssigkeit: Was bei der Frau im Senium als eklatant zu beobachten ist, sieht man bei jungen Frauen auch leider schon sehr oft: die minimale Trinkmenge liegt unter den Empfehlungen von 35 ml pro Kilogramm des aktuellen Körpergewichts. Dies gilt insbesondere auch in der Schwangerschafts- und Stillzeit. Was der Körper nicht synthetisieren kann, soll ihm zugeführt werden. Hier ist abschließend das Hormon Vitamin D3 zu nennen, aber auch bedarfsweise vernünftig dosierte weibliche Haupthormone z. B. perimenopausal („window of opportunity“).

1 vgl. Melnik B., in: DAZ Deutsche Apothekerzeitung Nr.43, 28. 10. 2010
2 Weiss R., NEJM 2004; 350:2362-74
3 Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnostik, Therapie u. Nachsorge der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) (2011)
4 siehe Stoffel M. (ETH Zürich)
5 Larsen T.M. et al., N Engl J Med 2010; 363:2102-2113
6 Calle E.E., N Engl J Med 2003; 348:1625-1638