Knochengesundheit in der Menopause – HRT wieder aktuell?

Dem österreichischen Osteoporosebericht 2007 zufolge sind ca. 740.000 der über 50-Jährigen – nach Schätzungen jede dritte Frau und jeder sechste Mann – von Osteoporose betroffen, eine Zahl, die sich bis zum Jahr 2050 durch die steigende Lebenserwartung verdoppeln und das Gesundheitssystem enorm belasten wird. Osteoporose ist aber nicht nur ein wirtschaftliches Problem, besonders für den Betroffenen bedeutet sie deutliche Einbußen an Lebensqualität und eine erhöhte Mortalität.

Ungenutztes primärprophylaktisches Potenzial

Östrogene spielen für die Knochengesundheit eine zentrale Rolle. Die Erhaltung der Knochenarchitektur und -qualität sollte schon in der Peri- und frühen Postmenopause beginnen, da es in den ersten 5–10 Jahren nach der Menopause zu einem gesteigerten Abbau der Knochenmasse kommt.
Die HRT war die erste wirksame Behandlung zur Prävention und Therapie der Osteoporose, Meinungen zu dieser Therapieform sind jedoch kontrovers.
Die International Menopause Society (IMS) empfiehlt 2004 die HRT als First-Line-Therapie postmenopausalen Frauen unter 60 Jahren mit einem erhöhten Frakturrisiko und prämenopausalen Frauen zur Prävention eines Knochenverlustes. In den europäischen Leitlinien 2008 zur Diagnose und Management der postmenopausalen Osteoporose wird die HRT als First- Line-Therapie zur Osteoporoseprävention und -therapie jedoch nicht mehr empfohlen. Die DVO-Leitlinie 2009 empfiehlt Östrogene zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose in der Regel nur, wenn vasomotorische Beschwerden der Haupteinnahmegrund sind.
Randomisierte kontrollierte Studien belegen jedoch eindrucksvoll, dass die HRT den postmenopausalen Knochenverlust und die Frakturinzidenz wirksam reduzieren kann. Die Women’s Health Initiative (WHI) hat nachgewiesen, dass eine Kombination von konjugierten Östrogenen (0,625 mg) mit Medroxyprogesteronacetat 2,5 mg die Knochenarchitektur und -qualität erhalten und das Risiko für vertebrale und Hüftfrakturen reduzieren kann. Weiters bestätigt die PERF-Studie den präventiven Effekt der HRT in der frühen Postmenopause mit einer Langzeitwirkung auf menopausalen Knochenverlust und osteoporotischen Frakturen. Bereits geringere Dosen als bisher gedacht sind wirksam. Aufgrund der aktuellen Datenlage und nachfolgender Analysen speziell der WHI-Studie für jüngere peri- und früh postmenopausale Frauen sollte die allgemein negative Meinung gegenüber einer HRT überdacht werden.

Vorzüge und Risiken der HRT

Klimakterisches Syndrom: Die unbestrittene Hauptindikation der HRT ist und bleibt die Behandlung postmenopausaler Beschwerden. Keine andere Therapie kann vergleichend effektiv die Lebensqualität verbessern.

Kardiovaskuläres Risiko: Die ersten Analysen der WHI-Studiendaten 2002 ergaben ein mögliches erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter HRT. Fest steht jedoch, dass die WHI Studie nicht geeignet designt und dadurch nicht befähigt ist, die Konsequenzen der HRT für Frauen unter dem 60. Lebensjahr zu untersuchen. Die jüngste Analyse der WHI-Daten weist auf kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko der HRT, wenn sie unmittelbar nach der Menopause begonnen wird, hin. Sie vermag dann sogar gegen Myokardinfarkte zu schützen. Die Ergebnisse der jüngsten Kohorte der WHI-Studie (50–59 Jahre oder innerhalb der ersten 10 Jahre der Menopause) bestätigen den präventiven Effekt der HRT auf das kardiovaskuläre System.

Thromboembolie/Schlaganfall: Obwohl das Risiko für eine Thromboembolie als auch für den Schlaganfall beim jungen Studienkollektiv der WHI-Studie überbewertet wurde, brauchen Frauen mit potenziellem oder bestehendem Thromboseund/ oder Schlaganfallrisiko vor der HRT eine individuelle Beratung; eine transdermale Darreichungsform ist jedoch in jedem Fall einer oralen Gabe vorzuziehen.

Mammakarzinomrisiko: Der Hauptgrund, warum die HRT zur Primärprävention der Osteoporose nicht mehr empfohlen wird, liegt an der Meinung, dass laut WHI-Studie 2002 die HRT das Mammakarzinomrisiko erhöht. Aktuelle Subanalysen der WHI weisen in eine andere Richtung. Eine bis zu 7-jährige ERT (Östrogenersatztherapie) für postmenopausale Frauen erhöht das Mammakarzinomrisiko nicht.

Mortalität: Es besteht keine erhöhte Gesamtmortalität bei Frauen mit HRT. Ganz im Gegenteil besteht für Frauen zwischen 50–60 Jahren oder innerhalb der ersten 10 Jahre nach Beginn der Menopause eine signifikante Senkung der Gesamtmortalität.

Alternativen zur HRT

Neben der HRT sind derzeit Bisphosphonate, Raloxifen (SERMS), Denosumab, Teriparatid, Strontiumranelat, Calcitonin und anabole Steroide zur Osteoporosetherapie auf dem Markt. Kalzium- und Vitamin-D-Präparate werden adjuvant verschrieben. Für diese Therapeutika gibt es gegenwärtig noch keine zuverlässigen prospektiven Studien, die eine Frakturprävention bei jüngeren gesunden perimenopausalen Frauen mit einem erhöhten Osteoporoserisiko nachweisen. Weiters fehlen Daten für Fälle mit vorzeitiger und früher Menopause und lang anhaltender Amenorrhö.
Es besteht jedoch ein Übereinkommen, dass asymptomatischen älteren Frauen, welche über 10 Jahre postmenopausal sind, primär bevorzugt Bisphosphonate gegenüber HRT verschrieben werden. Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMS) sind für Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko indiziert.

SCHLUSSFOLGERUNG: Der Nutzen einer HRT bei Wallungen, Schweißausbrüchen, Vaginaltrockenheit, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder Antriebslosigkeit ist unbestritten. Es bestehen jedoch ebenso keine Zweifel über die Wirksamkeit der HRT zur Primärprävention der postmenopausalen Osteoporose. Besonders das Kollektiv der jungen peri- und postmenopausalen Frauen mit einem erhöhten Osteoporoserisiko gehört zur Zielgruppe. Die Osteoporoseprävention mittels HRT wäre zudem eine kostengünstige Option. Jede Hormontherapie setzt eine klare Indikation voraus und muss individuell, mit der therapeutisch niedrigsten wirksamen Dosierung, angepasst werden. Im ärztlichen Gespräch muss ein spezifisches Nutzen-Risiko-Profil erstellt werden, das jährlich angepasst werden sollte. Die HRT sollte wieder einen fixen Platz als First-Line-Therapeutikum zur Primärprävention der Osteoporose, wie schon 2004 von der IMS für unter 60- Jährige empfohlen, erhalten.

Literatur bei den Verfassern