Österreichische Medizingeschichte: Vor 50 Jahren starb Hermann Knaus

Hermann Knaus wurde am 19. 10. 1892 in St. Veit an der Glan/Kärnten geboren, er verstarb in Graz am 22. 8. 1970. Bestattet wurde er in seiner Geburtsstadt.
Knaus studierte ab 1912 Medizin an den Universitäten Graz, Wien und Innsbruck und promovierte 1920 in Graz. Ab 1923 war er Assistent an der Universitäts-Frauenklinik in Graz und habilitierte 1927, 1934 übersiedelte er nach Prag, wo er von 1935 bis 1945 Vorstand der Gynäkologisch-Geburtshilflichen Klinik an der deutschen Karl-Ferdinands-Universität war.
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches hoffte Knaus auf eine Berufung an eine Universitäts-Frauenklinik in Österreich, er war allerdings zu sehr polarisierende Persönlichkeit. 1950 übernahm er das gynäkologisch-geburtshilfliche Primariat am Wiener Krankenhaus Lainz. 1960 trat er in den Ruhestand.

Die Entdeckungen von Knaus

Das weitreichende Ergebnis seiner Forschung: Der Ovulationstermin erfolgt bei Frauen mit physiologischen Genitalfunktionen am 15. Tag vor Eintritt der Menstruation, unabhängig von der Zyklusdauer. Er erklärte also, wie Eisprung und Menstruation zusammenhängen. Die Erkenntnisse von Knaus und des japanischen Gynäkologen Ogino Kyūsaku, der parallel zu ihm auf anderen Wegen zu einem ähnlichen Forschungsergebnis gekommen war, wurden schnell als Knaus-Ogino-Regel bekannt. Auf der 21. Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie im Jahre 1929 in Leipzig stellte Hermann Knaus seine Erkenntnisse über die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage im Zyklus der Frau vor.

Der Münchner Ordinarius Albert Döderlein replizierte daraufhin altes Wissen: „Die Lebensdauer des Ovulums ist uns nicht genau bekannt, allerdings ist es nicht in Abrede zu stellen, dass es bis nahe an den nächsten Menstruationstermin, also 14 Tage lang befruchtungsfähig bleibt.“

Nach dem Referat des „großen Alten“ meldet sich der junge Dozent aus Graz, Hermann Knaus, zu Wort und erklärt: „dass diese Ansicht nicht mehr aufrechtzuerhalten sei“. Knaus ergänzte seine mündlichen Ausführungen bereits am 12. Juni 1929 in schriftlicher Form in der „Münchner Medizinischen Wochenschrift“: So sei eine Eizelle nur wenige Stunden lang befruchtbar, woraus sich ergebe, dass Frauen mit regelmäßigem, 4-wöchentlichen Zyklen in den ersten 10 Tagen und spätestens vom 18. Tag des Zyklus an nicht mehr konzipieren können“. Damit wurde erstmals die Möglichkeit zur geplanten Schwangerschaft und zur selbstbestimmten Kinderzahl eröffnet.

Die Methode nach Knaus als Verhütungsmethode wurde bereits 1930 von Papst Pius XI. in der Enzyklika „Casti connubii“ für katholische Ehepaare zugelassen – wohl auch deshalb, weil der Papst die nicht 100%ige Verlässlichkeit der Methode als „Gottes Einflussnahme“ ansah. Andererseits wurde das Buch von Knaus „Die periodische Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit des Weibes“, veröffentlicht im Jahre 1934, bereits zwei Wochen nach dessen Erscheinen in Nazi-Deutschland verboten. Laut Knaus bestand die Sorge, dass durch eine allgemeine Verbreitung seiner Lehre und deren Ausnützung zum Zwecke der Empfängnisverhütung der Bestand des deutschen Volkes gefährdet sei. Es ereignet sich also der paradoxe Konflikt, dass die führenden deutschen Gynäkologen seiner Lehre die Anerkennung als Mittel zur natürlichen Geburtenregelung versagten, die Reichsregierung hingegen ihr die volle Anerkennung zollte und daher sofort im Sinne einer energischen Abwehr handelte.

International hoch geachtet

Hermann Knaus erhielt zwar in Österreich nicht die Anerkennung, die ihm gebührte, international war er aber hoch geachtet und wurde mehrfach ausgezeichnet. So wurde Knaus unter anderem zum Mitglied der Royal Society of Obstetricians and Gynaecologists in London ernannt, 1964 wurde ihm das Ehrendoktorat der Katholischen Universität Louvain/Belgien verliehen, 1962 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold.Vor allem erfuhr Knaus viel Unterstützung durch die katholische Kirche, so wurde er 1952 gemeinsam mit seiner Tochter zu einer Spezialaudienz bei Papst Pius XII. empfangen; auf seinem Sterbebett wurde ihm ein Segensschreiben von Papst Paul VI. überreicht, und ein Vertreter des Vatikans nahm an seinem Begräbnis teil.


Quelle: Susanne Krejsa MacManus, Christian Fiala: Der ­Detektiv der fruchtbaren Tage. Die Geschichte des ­Gynäkologen Hermann Knaus (1892–1970). Wien 2017: Verlagshaus der Ärzte