Operationskatalog im Fach der Frauenheilkunde

Ein leidiges Problem, mit dem sich sehr viele AssistenzärztInnen in der gynäkologischen Ausbildung konfrontiert sehen, ist die Erfüllung der Operationszahlen für den Eingriffskatalog gemäß dem Logbuch der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Die seit dem Jahre 2007 geltenden Operationszahlen (Tab.) sind als Richtwerte zu sehen, mit deren Erreichen und nach Absolvierung der Facharztprüfung (www. arztakademie.at) die Einreichung zum Facharzt bei der jeweiligen Ärztekammer ermöglicht wird.
Nicht in allen österreichischen Ausbildungsstätten ist es jedoch möglich, die geforderten Operationszahlen innerhalb der vorgeschriebenen Ausbildungszeit zu erreichen. Sinkende Operationszahlen bei gleichbleibenden oder steigenden Assistenzarztposten haben die Situation in den letzten Jahren zunehmend erschwert.
Eine Änderung der geforderten Operationszahlen ist auch in der neuen Ausbildungsordnung für Frauenheilkunde nicht vorgesehen. Grund ist die Notwendigkeit, mit dem europäischen Ausbildungsniveau und dem Eingriffskatalog, der von dem European Board and College of Obstetrics and Gynecology (EBCOG) gefordert wird, gleichhalten zu können, um auch in anderen Ländern der Europäischen Union als Facharzt für Frauenheilkunde gleichermaßen qualifiziert tätig sein zu dürfen.
Flexibilität und Bereitwilligkeit, sich aus der eigenen Komfortzone zu bewegen, zeigen jene KollegInnen, die sich für Kliniken der deutschsprachigen Nachbarländer bewerben, um sich dort in einigen Monaten das anzueignen, was ihnen in Österreich verwehrt geblieben ist.
Die Saat auf dem eigenen Feld zu düngen, um nachhaltig genießbare Früchte zu ernten, das ist ein hehres Prinzip, welches sich Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Heinz Kölbl, seit Jänner 2013 Leiter der Abteilung für Gynäkologie an der Universitätsfrauenklinik in Wien, zu Eigen gemacht hat und in einem Interview näher ausführt. Darin schildert er, wie er die Situation an seiner Klinik für AssistenzärztInnen verbessern will und gleichzeitig als gutes Beispiel für andere österreichische gynäkologische Abteilungen vorangehen will.

 

Dana Muin: Herr Professor Kölbl, immer mehr AssistenzärztInnen beklagen sich, dass der Operationskatalog im Fach Frauenheilkunde innerhalb der vorgegebenen Ausbildungszeit nur unter erschwerten Bedingungen erfüllbar ist.

Univ.-Prof. DDr. Heinz Kölbl: Europaweit stellt die operative gynäkologische Ausbildung ein Problem dar. Es gibt Länder, wo die Zahlen, die im Eingriffskatalog der Facharztausbildung gefordert werden, schlicht und einfach nicht erreichbar sind. Dies hat verschiedene Gründe: Vor allem sind die Operationszahlen vielerorts rückgängig, besonders die der Hysterektomien – das ist ein weltweiter Trend, insbesondere in den zivilisierten Ländern, wo man immer mehr mikro- bzw. minimal invasive operative Verfahren anwendet. Man sollte sich grundlegend Gedanken machen, wie die operative Ausbildung weiterzuentwickeln ist.

Wie kann diese Situation Ihrer Meinung nach verbessert werden?

In der Abteilung, die ich leite, setzen wir dahingehend an, dass wir zuerst ein Ausbildungszentrum sein wollen, welches mehr Operationen durchführt. Das spielt sich über die Akquirierung von Patientinnen ab: Je mehr Patientinnen, desto mehr Operationen können wir anbieten. In weiterer Folge ist es uns ein großes Anliegen, verstärkt operativ auszubilden: Noch in den Kinderschuhen steckend, gibt es bei uns ein sog. „Surgical Mentoring Programm“, bei welchem jeder in Ausbildung Befindlicher die Möglichkeit hat, über einen Mentor an der Abteilung das operative Handwerk, die Indikationsstellung und alles was im Umfeld von Operationen gelagert ist, näher kennenzulernen.
Drittens wollen wir unser bereits bestehendes „Surgical Skills Lab“ auf größere Beine stellen: Es ist als eine entsprechende Projektentwicklung zu sehen, in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Anästhesie, Chirurgie und Urologie. Dafür hat es bereits eine erste Gesprächsrunde gegeben, und wir wollen – ähnlich amerikanischen Verhältnissen – hier in Wien eine Art operatives Laboratorium als „Patients’ Safety Center“ entwickeln. Dabei sollen die Interaktionen der einzelnen Disziplinen in Hinblick auf Patientensicherheit im peri- und postoperativen Management gelehrt und geübt werden.

Wie beurteilen Sie den Trend bei den österreichischen AssistenzärztInnen, ins Ausland zu gehen, um sich dort ein operatives Handwerk anzueignen?

Jede Horizonterweiterung ist begrüßenswert, das weiß ich aus eigener Erfahrung! Ich war selbst an Kliniken in Brüssel, in Tucson/Arizona, an der University of California, Irvine, in Los Angeles. Es ist sehr wichtig in der operativen Medizin, dass man sich andere Schulen anschaut und die Vielfalt kennenlernt.

In vielen Ländern der dritten Welt werden GynäkologInnen gesucht. Würden Sie eine solche Berufserfahrung während der Ausbildungszeit zum Facharzt auch willkommen heißen?

In die dritte Welt zu gehen, um dort gynäkologische Operationen durchzuführen, ist selbstverständlich nützlich, sofern man die Operationstechnik beherrscht. Wenn nicht, dann rate ich davon ab, da man sonst Gefahr läuft, sich wie beim Klavierspielen falsche Fingersätze anzulernen, ohne eine profunde Technik zu können. Wichtig ist, sich die Technik an einer guten Schule gut zu erlernen. In Wahrheit geht dies nur durch Routine. Das Kernproblem der Ausbildung heute ist die mangelnde Kontinuität des Operierens: Die Zeiten, in denen man Tag und Nacht wochenlang bei Operationen dabeigestanden ist und „den Großen“ assistiert hat, sind vorbei. Das lässt sich in Zeiten wie diesen nicht mehr realisieren.

Herzlichen Dank für das Gespräch!