Medikamente bei Nephrolithiasis: Therapie und Metaphylaxe

Akuttherapie

 

In der akuten Phase steht die adäquate Schmerztherapie im Vordergrund. Hierbei sind sowohl NSAR als auch Opiate gleichermaßen geeignet, eine rasche Schmerzfreiheit zu erreichen, und können bei Bedarf auch kombiniert werden. Ein spontaner Steinabgang ist bei einer Größe von unter 1 cm grundsätzlich möglich und kann bei fehlenden Komplikationen und adäquater Symptomenkontrolle auch angestrebt werden. In Abhängigkeit von Steingröße und -lokalisation ist dieses Vorgehen in 25% bis über 90% der Fälle erfolgreich, allerdings oft erst nach mehreren Wochen. Daher werden in der Routine nur Steine bis 4 mm als spontan abgangsfähig klassifiziert. Es gibt valide Daten, dass Alphablocker – klassischerweise Tamsulosin (Alna retard® und Generika) – die Wahrscheinlichkeit eines spontanen Steinabgangs deutlich erhöhen können. Eine ähnlich gute Wirksamkeit ist für Nifedipin (Adalat® und Generika) belegt. Bei Erfolglosigkeit ist meist eine interventionelle Steinentfernung angezeigt. Eine medikamentöse Steinauflösung (Litholyse) ist nur bei den vergleichsweise selteneren Uratsteinen möglich (s. u.).

 

Metaphylaxe

Ziel der Steinmetaphylaxe ist die Verringerung des Rezidivrisikos. Ein kombinierter diätetisch-medikamentöser Ansatz unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle ist sehr effektiv und kann bis zu 90% der Steinrezidive verhindern. Grundsätzlich wird der Einsatz von Medikamenten erst empfohlen, wenn nach mehrmonatiger diätetischer Intervention die Therapieziele im 24-h-Harn nicht erreicht wurden oder klinisch-radiologisch ein fortgesetztes Steinwachstum anzunehmen ist.

 

Alkalisierung – häufig sinnvoll

Bei den häufigen Kalziumoxalatsteinen beeinflusst eine Alkalitherapie die Zusammensetzung des Harns über mehrere Mechanismen in die gewünschte Richtung. Erstens führt eine Alkalisierung von Plasma und Harn vor allem über eine verminderte Rückresorption von filtriertem Citrat zu einer Zunahme der Citratausscheidung im Harn. Da Citrat Kalzium komplexiert, ist besonders bei calciumhältigen Steinen ein antilithogener Effekt zu erwarten. Zusätzlich wird durch eine verminderte Kalziumfreisetzung aus dem Knochen die Kalziurie verringert. Darüber hinaus beeinflusst der Harn-pH-Wert die Löslichkeit für bestimmte Steinarten entscheidend: Eine Harnalkalisierung kann bei Harnsäuresteinen und teilweise bei Cystinsteinen zu einer Auflösung führen (pH-Ziel im Harn bei Litholyse > 7 bis 7,5), bei Kalziumoxalat ist jedoch nur eine verminderte Wachstumstendenz zu erreichen. Vorsicht ist bei den selteneren Kalziumphosphatsteinen und Struviten geboten, hier ist ein Anstieg des Harn-pHs > 6,2 im Rahmen der Metaphylaxe ungünstig und zu vermeiden.

Im Wesentlichen stehen in Österreich  zwei geeignete Alkalipräparate zur Verfügung (Tabelle 1). Da Citrat in der Leber rasch in Bicarbonat umgewandelt wird (1 mmol Citrat ergibt 3 mmol Bicarbonat), sind diese beiden Substanzen im Hinblick auf die Alkalisierung als gleichwertig anzusehen. Die gewünschte Senkung einer Hyperkalziurie ist jedoch nur von natriumarmen Präparationen zu erwarten, da eine vermehrte Natriurese per se die Kalziumausscheidung erhöht. Daher ist Natriumbicarbonat (auch in verkapselter Form) in dieser Indikation nur als Medikament der 2. Wahl anzusehen.

 

 

Ansäuerung – selten notwendig

 

Wesentlich seltener ist in der Steinmetaphylaxe eine Harnansäuerung indiziert: Infektsteine (Struvit) und Kalziumphosphatsteine zeigen im sauren Harn eine geringere Wachstumstendenz, der Harn-pH-Wert sollte bei diesen Steinen wenn möglich daher < 6,2 abgesenkt werden. In Österreich erhältlich ist L-Methionin (Acimethin®), das meist in einer Dosis non 3-mal 500 mg angewendet wird. Cave: Bei einer zugrunde liegenden renalen tubulären Azidose (RTA-Typ I, bei Kalziumphosphatsteinen durchaus nicht selten) ist eine Ansäuerungtherapie kontraindiziert.

 

Thiazide – Senkung der Hyperkalziurie

 

Thiazide (Tabelle 2) verstärken die Kalziumrückresorption in den Tubuli und können als Faustregel die Kalziurie halbieren. Mehrere randomisierte Studien sowie ein Cochrane Review aus dem Jahr 2009 bestätigen die klinische Wirksamkeit dieser Substanzgruppe. Die Steinereignisrate konnte um ca. 60% gesenkt werden. Eine dadurch ausgelöste Hypokaliämie muss vermieden werden, nicht zuletzt wegen einer daraus resultierenden unerwünschten Hypocitraturie. In diesen Fällen ist eine Kombinationstherapie mit dem kaliumsparenden und selbst antkalziuretisch wirksamen Amilorid empfehlenswert. Schlei- fendiuretika erhöhen die Kalziumausscheidung im Harn und sind bei SteinpatientInnen natürlich kontraproduktiv!

 

 

Urikostatische Therapie – überbewertet?

 

Eine Hemmung der Harnsäureproduktion ist nicht nur bei Harnsäuresteinen  wünschenswert, sondern wird auch bei Kalziumoxalatsteinbildern  mit Hyperurikosurie  eingesetzt. Letztere Empfehlung basiert vor allem auf einer kleinen randomisierten  kontrollierten Studie  mit 60 PatientInnen (Ettinger, NEJM 1986), bei denen mit Allopurinol (Urosin®, Generika) eine 55%-ige Senkung der Steinereignisse erreicht wurde. Pathogenetisch werden Harnsäurekristalle als möglicher Kristallisationskeim für Kalziumoxalat postuliert. Dieses Konzept wurde durch eine kürzlich publizierte große Observationsstudie mit 3.350 PatientInnen in Frage gestellt, bei der keine oder zum Teil sogar eine inverse Korrelation zwischen Urikosurie und Harnsteinbildung beobachtet werden konnte (Durhan, Kidney Int 2008). Auf die Ergebnisse einer laufenden randomisierten kontrollierten Studie, in dem bei Kalziumoxalatsteinen das neue Urikostatikum Febuxostat gegen Allopurinol und Placebo getestet wird, darf man gespannt sein. Bis dahin sollte Allopurinol in dieser Indikation auf Grund seines potenziell gefährlichen Nebenwirkungsprofils meines Erachtens zurückhaltend eingesetzt werden.

 

Kalzium, Magnesium – Senkung der Hyperoxalurie

 

Orales, zu den Mahlzeiten verabreichtes Kalzium geht mit Nahrungsoxalat einen schlecht resorbierbaren Komplex ein und führt über eine verminderte Aufnahme zu einer Reduktion der Oxalurie. Daher sollte bei Kalziumoxalatsteinen auf eine ausreichende Kalziumzufuhr geachtet und bei Bedarf Kalzium auch zu den Mahlzeiten substituiert werden. Eine übermäßige Kalziumaufnahme (z. B. durch Kalziumzufuhr außerhalb der Mahlzeiten) sollte jedoch aus verständlichen Gründen vermieden werden. Magnesium wirkt nach dem gleichen Prinzip oxa- luriesenkend, erhöht  im Gegensatz zu Kalzium nicht die Harnkalziumausscheidung und hat den zusätzlichen Vorteil eines antilithogen Effekts im Harn. Handelsübliche Präparate (Magnosolv®, Magnonorm®, Magnesium Diasporal®) können zur Magnesiumtherapie verwendet werden (300–400 mg tgl.).

 

Steinspezifische Metaphylaxe

 

Ist die Steinzusammensetzung bekannt, kann, basierend auf den Befunden im 24-h Harn und aufbauend auf spezifische Diätempfehlungen, auch eine optimale medikamentöse Metaphylaxe maßgeschneidert werden (Tabellen 3–6).

 

 

 

 

 

 

Eine Senkung der Phosphataufnahme ist nur bei Kalziumphosphatsteinen indiziert und sollte mit – uns Nephrologen bestens vertrauten – calciumfreien Phosphatsenkern erfolgen. Bei den zwar seltenen aber schwierig zu behandelnden Cystinsteinen (Tabelle 7) kommen  neben der wichtigen Harnalkalisierung Substanzen zum Einsatz,  die die Cystinbildung vermindern können (Penicillamin, Tiopronin, Captopril, Ascorbinsäure).

 

 

Bei unbekanntem Stein kann nach Ausschluss spezifischer Ursachen, wie primärer Hyperparathyreoidismus oder RTA-Typ 1, in den meisten Fällen von einem Kalziumoxalatstein ausgegangen und eine dem entsprechende Metaphylaxe eingeleitet werden. Eine dauerhafte Harnalkalisierung (U-pH  > 6,2) sollte jedoch im Hinblick auf mögliche Kalziumphosphatsteine vermieden werden.

 

 

 NEPHRO Spot       

Die medikamentöse Therapie der Nephrolithiasis kommt bei nicht ausreichender Wirksamkeit diätetischer Interventionen zum Einsatz. Bei den häufigen Kalziumoxalatsteinen werden je nach Werten im 24-h-Harn Alkalipräparate, Thiazide und Magnesium empfohlen, der Stellenwert  von Allopurinol in dieser Indikation ist fraglich.