Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Diese Ausgabe soll Univ.-Prof. Dr. Erich Schmutzhard, einer herausragenden Persönlichkeit und einem exzellenten akademischen Lehrer der neurologischen Intensivmedizin, gewidmet sein. Bereits Ende der 1970er Jahre erkannte Univ.-Prof. Dr. Franz Gerstenbrand die Wichtigkeit der neurologiespezifischen Intensivmedizin und förderte in der weiteren Entwicklung den Aufbau der neurologischen Intensivstation in Innsbruck. In den 1980er Jahren konnte am Standort bereits eine mehrtägige künstliche Beatmung durchgeführt werden. Am 1. Dezember 1987 folgten Univ.-Prof. Dr. Erich Schmutzhard und Univ.-Prof. Dr. Franz Aichner als Leiter der Neurologischen Intensivstation Univ.-Prof. Dr. Erik Rumpl.
Durch den interdisziplinären Weitblick von Erich Schmutzhard, die neuro­logieorientierte Vision und das exorbitante persönliche Engagement avancierte diese Station über Jahre zu einer national und international anerkannten Intensivstation unter der Leitung von SpezialistInnen für Neurologie und Intensivmedizin. Diese Station hat sich immer durch die Betreuung von unterschiedlichsten Erkrankungsbildern intensivpflichtiger neurologischer PatientInnen ausgezeichnet. Diese umfassen unter anderem das Schädelhirntrauma, die intrazerebrale Blutung, den ischämischen Schlaganfall, den Status epilepticus sowie neuromuskuläre Erkrankungen, aber auch Meningitis und Enzephalitis bis hin zur zerebralen Malaria. Nur durch den unbeirrbaren klinischen und wissenschaftlichen Führungsgeist von Erich Schmutzhard gelang es, internationale Studien zu akquirieren, Visionen umzusetzen und die komplexe Therapie von neurologischen IntensivpatientInnen weiterzuentwickeln.
In dieser Ausgabe „Neurointensivmedizin Teil 2“ werden fortführend zum ersten Teil weitere wichtige Themen der neurologischen Intensivmedizin behandelt.

Zu Beginn widmet sich der Beitrag „Neurologische Notfälle an der Schnittstelle zur allgemeinen Intensivmedizin“ von E. Fertl und P. Sommer speziell der neurologischen Expertise in der Notfalls- und Intensivmedizin. Dieser Artikel umfasst einen breiten Themenbereich von der differenzialdiagnostischen Abklärung einer ADEM im Erwachsenenalter bis hin zur Prognoseabschätzung nach hypoxischer Enzephalopathie und der komplexen Betreuung von PatientInnen mit Mb. Parkinson auf der Intensivstation und perioperativ. Ein besonderes Augenmerk wird auch auf die Vitamin-B1-Mangel-assoziierte Wernicke Encephalopathie als oft fehldiagnostizierte neurologische Notfallsdiagnose gelegt.

Ein weiterer Schwerpunkt in der neurologischen Intensivmedizin liegt in der Betreuung von PatientInnen mit spontaner Subarachnoidalblutung, welche im Beitrag von A. Schiefecker und R. Helbok behandelt wird. Neben der erfreulicherweise rückläufigen Inzidenz dieser Erkrankung in Europa liegt in der modernen Intensivmedizin mit Betreuung dieser PatientInnen auf spezialisierten Sta­tionen die Antwort auf das verbesserte Überleben und Langzeit-Outcome. Vor allem durch neue Erkenntnisse im Tierexperiment und klinischen Bereich des multimodalen Neuromonitorings war es möglich, neue pathophysiologische Prozesse der sekundären Hirnschädigung zu finden. Speziell der Erkenntnis der „Cortical spreading Depolarizations“ mit dem Ischämierisiko ist ein besonderer Teil im Beitrag gewidmet.

„Die zerebrale Sinusvenenthrombose“ wird von T. Gattringer in ihrer variablen klinischen Präsentation und oft schwierigen Diagnosestellung, vor allem bei Thrombose der inneren Hirnvenen, bis hin zur ursächlichen und symptomorientierten komplexen Versorgungsmöglichkeit zusammengefasst. Auch hier steht die spezifische Betreuung mit hochspezialisiertem Monitoring im Vordergrund.

J. Weber widmet sich dem Thema der bakteriellen Meningitis und stellt die Notwendigkeit der Betreuung dieser PatientInnen auf spezialisierten Intensivstationen fest. Hervorgehoben wird auch die Laktat-Messung im Liquor bei der Diagnosestellung auch bei bereits antimikrobiell behandelter bakterieller Meningitis. Die invasive Hirndruckmessung optimiert das PatientInnenmanagement und hilft zur Therapieoptimierung bei bakteriellen Meningoenzephalitiden.

B. Pfausler befasst sich in ihrem Beitrag mit dem Thema „Hirnabszess“. Die Prognose dieser Erkrankung hat sich in den letzten Jahrzehnten durch die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete in der Intensivmedizin sowie der rasanten Entwicklung in der Bildgebung und der stereotaktischen Operationsmöglichkeit entscheidend verbessert.

Im Beitrag von E. Trinka und M. Leitinger wird „Die Bedeutung der neuen Definition und Klassifikation des Status epilepticus für die neurologische Intensivmedizin“ nach den 2015 neu erstellten Kriterien der Task Force der Internationalen Liga gegen Epilepsie behandelt. Neben den zeitlichen Diagnosekriterien wird speziell auf das Auftreten von Sekundärschäden hingewiesen und die Bedeutung und Definition des nichtkonvulsiven Status epilepticus diskutiert.

Auf die österreichischen Richtlinien des Obersten Sanitätsrates zur „Hirntoddiagnostik“ wird in einem Beitrag von G. Wiest und T. Sycha eingegangen. Da es sich um die 100%ige Diagnostik des irreversiblen Funktionsausfalls des Gehirns handelt, werden vor allem auf Schwierigkeiten im Alltag bei der Beurteilung von spinalen Reflexen eingegangen. Dies ist besonders wichtig, da komplexe Bewegungen bis hin zu Kopfdrehbewegungen und abdominellen Reflexen mit „Triggerung der Atmung“ auch unter SpezialistInnen eine Herausforderung darstellen kann. Die Expertise der österreichischen Neurointensivmedizin leistete einen erheblichen Beitrag zur standardisierten Diagnostik des Hirntods.

Der Problematik der „Translationalen Forschung in der Neurointensivmedizin“ widmen sich R. Beer und R. Helbok am Beispiel des Schädelhirntraumas. Kritisch werden Gründe, die möglicherweise für das Versagen der Translation vom (Tier-)Experiment in den klinischen Alltag verantwortlich sind, diskutiert. Weiters wird ein innovatives Zukunftskonzept der phänotypbasierten Medizin, einem Ansatz zur individualisierten und personalisierten Medizin, vorgestellt.

Zusammenfassend zeigen diese Beiträge die Notwendigkeit der spezialisierten Betreuung neurointensivmedizinischer Erkrankungen. Besonders in den letzten 10 Jahren konnte durch Verbesserung des intensivmedizinischen Managements, aber auch durch die Fortschritte in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit der Pflege und anderen Berufsgruppen das PatientInnenoutcome verbessert werden.

Lieber Erich, vielen Dank für Dein persönliches Engagement und Dein gelebtes Vorbild, das die Entwicklung der neurologischen Intensivmedizin in Österreich entscheidend geprägt hat!

Raimund Helbok,
Bettina Pfausler,
Jörg Weber