Be proud of your employer!

Kaum eine Branche unterwirft sich freiwillig so hohen ethischen Standards wie die Pharmaindustrie. Doch in der breiten Öffentlichkeit haftet dieser Unternehmenssparte dennoch ein negativer Ruf an. Viele Vorurteile schwirren in den Köpfen einiger Menschen herum und verbreiten sich von dort in den sozialen und sonstigen Medien, werden im Freundes- und Bekanntenkreis weitergetragen. Was kann jeder einzelne Mitarbeiter, jedes Pharmaunternehmen, aber auch die Pharmaindustrie als Gesamtes unternehmen, um die Reputation der Branche zu verbessern? Gerade jetzt in „Corona-Zeiten“ lohnt es sich, hierüber verstärkt nachzudenken, denn das Interesse der breiten Öffentlichkeit an medizinischer Forschung und damit auch an der Pharmaindustrie war vermutlich noch nie so groß wie jetzt.

Image versus Reputation

„Zunächst einmal ist es wichtig, klar zwischen ‚Image‘ und ‚Reputation‘ zu unterscheiden“, erklärt Gabriele Brandner, Geschäftsführerin der Agentur match pr sowie Lehrbeauftragte an verschiedenen Fachhochschulen und der Universität Wien. „Image ist das Bild, das ich von mir in der Öffentlichkeit erzeugen kann, das heißt, darauf habe ich selbst großen Einfluss. Reputation hingegen ist der gute Ruf, das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird und das ich mir verdienen muss.“ Kurz zusammengefasst: Reputation ist das Produkt aus Performance x Verhalten x Kommunikation. Dabei sollte man Folgendes bedenken: Steht bei einer dieser Säulen eine Null, kommt – mathematisch betrachtet – auch beim Gesamtergebnis Null heraus …Mag. Brigitte Reiter, Lehrgangsleiterin am Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement an der Donau-Universität Krems, betont, dass gerade in der heutigen Zeit der Reputation besonders große Bedeutung zukommt: „Im Hinblick auf die Reputation übernehmen die Medien, auch die sozialen Medien, einen sehr wesentlichen Part, denn hier werden Erfahrungen und Wahrnehmungen veröffentlicht. Diese prägen das Bild eines Unternehmen bzw. der Unternehmensvertreter und damit die Reputation.“

Agiere glaubwürdig, ­zuverlässig, vertrauenswürdig und ­verantwortungsvoll!

„Reputationsmanagement schafft Vertrauen und Attraktivität – und ist nicht nur zentraler Bestandteil der internen und externen Kommunikation, sondern ein ganzheitlicher Prozess, der den Unternehmenserfolg mitsteuert“, erläutert Mag. Susanne Hudelist, Managing Partner bei der Agentur ikp Wien GmbH und Vizepräsidentin des Public Relations Verbandes Austria (PRVA). Brandner ergänzt: „Man darf nicht vergessen: Eine Rufschädigung kann einen Umsatzrückgang verursachen. Daher ist es eine Managementaufgabe, die Reputation meines Unternehmens zu analysieren und zu evaluieren. Dabei geht es nicht nur um den Ruf der eigenen Firma, sondern auch um jenen der Branche, da dieser auf mein Unternehmen abfärbt. Das heißt, die Pharmaunternehmen können zwar jedes für sich die Reputation (mit-)steuern, aber die Branche als Gesamtheit muss auch etwas tun.“Die Grundlage einer guten Reputation beruht laut Reiter auf Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Verantwortung. „Im Reputationsmanagement gilt es, für alle vier Dimensionen zu arbeiten. Dabei ist es wichtig, meine Stakeholder und Kunden sowie die Entscheidungsträger, mit denen ich zu tun habe, im Blick zu haben und mit allen in Dialog zu treten“, so Reiter.

Verantwortung übernehmen – und das auch zeigen

Gerade die Pharmabranche steht unter starker Beobachtung der Öffentlichkeit, da sie sich mit einem besonders sensiblen Gut – der Gesundheit – beschäftigt. „Daher sollten Pharmafirmen zeigen, dass sie Verantwortung für die Patienten und die gesamte ­Gesellschaft übernehmen. Der Ansatz des Corporate Citizenship baut mittel- und langfristig Vertrauen auf. Auf dieser Vertrauensbasis kann man auch in einer Krise, wenn beispielsweise Gerüchte auftauchen, aufbauen“, erklärt Reiter.

Dr. Peter Köppl, M.A., Geschäftsführer der Agentur Mastermind, Public Affairs Consulting, sieht eine besondere Herausforderung des Reputationsmanagements von Pharmaunternehmen darin, dass es verschiedene Ansprechgruppen gibt: „Das beginnt bei den eigenen Mitarbeitern und deren Nachbarn und Freunden, geht weiter bei den Lieferanten und Großhändlern sowie den Ärzten und Apothekern, bei OTC-Produkten kommen auch die Endverbraucher dazu, nicht zu vergessen die Politiker, die Entscheidungsträger, z.B. aufseiten der Zahler, und letztendlich die breite Öffentlichkeit. Bei jeder dieser Gruppen gilt es die entsprechenden Stellschrauben zu drehen, um die Bewertung zu erreichen, die ich möchte.“ Dabei dürfe man nicht vergessen, dass die Ausgangssituation der Pharmabranche kompliziert sei. „Die Pharmaindustrie verdient mit der Erforschung, der Produktion und dem Vertrieb von Arzneimitteln Geld. Viele Menschen haben aber die Empfindung, dass Medikamente doch Allgemeingut seien und daher gar nichts kosten dürften. Hier muss kommuniziert werden, wie die Arbeit der Pharmaindustrie abläuft, welche finanziellen Risiken bestehen und dass Forschung durch den erwirtschafteten Gewinn weiter vorangetrieben wird“, betont Köppl.

Buhmann-Image loswerden

Der erste wichtige Schritt zur Verbesserung der Reputation der Pharmaindustrie sei, die derzeitige Lage genau zu analysieren, so Brandner. „In der breiten Öffentlichkeit ist der Ruf der pharmazeutischen Industrie nicht der beste – der Vorwurf, die Unternehmen seien nur auf Gewinn aus, ist weit verbreitet“, fasst sie ihren Eindruck zusammen. Hier müsse sich die gesamte Branche um Richtigstellung bemühen. „Die Kernbotschaft dabei lautet: ‚Es geht uns nicht nur um Gewinnmaximierung, sondern um die Gesundheit der Menschen.‘ Dies muss glaubhaft und transparent über alle Medien kommuniziert und durch Handlungen untermauert werden. Es braucht keine Imagekampagne, sondern vertrauenswürdige Testimonials, also Gesichter der Pharmaindustrie, die berichten, was diese Branche leistet, was beispielsweise in der Forschung passiert etc.“, erläutert Brandner.

Auch Mag. Alexander Schauflinger, M.A., Geschäftsführer der Agentur FineFacts, fordert, Experten aus der Pharmabranche vermehrt in den Medien zu Wort kommen zu lassen. Dabei sei es wichtig, zu kommunizieren, dass Expertise nicht zwangsläufig mit Einflussnahme zu tun hat. Köppl dazu: „Man sieht ja auch, dass die Reputation der Pharmabranche in den einzelnen Ansprechgruppen unterschiedlich ist, das heißt, es gibt nicht die generelle Reputation. Meiner Meinung nach hat die Pharmaindustrie allerdings in der breiten Öffentlichkeit tatsächlich ein Reputationsproblem. Das liegt unter anderem daran, dass das Bild, das die Gesellschaft von der Pharmabranche hat, zu sehr von anderen bestimmt wird. Hier werden – vor allem seitens der Zahler – Zuschreibungen wie ‚hochpreisig‘, ‚gierig‘, ‚Lieferschwierigkeiten‘ etc. verbreitet“, kritisiert Köppl. Das größte Problem sieht er darin, dass diese Behauptungen viel zu oft unwidersprochen bleiben: „Es melden sich maximal einzelne Betroffene zu Wort, dabei müsste die Pharmabranche als Gesamtheit dazu Stellung beziehen.“

Prof. Dr. Robin Rumler, Geschäftsführer von Pfizer Österreich, vertritt eine ähnliche Position: „Kommunikation ist von großer Bedeutung, um den Ruf der Pharmabranche zu verbessern. Wir haben früher vermutlich zu oft unverständlich oder missverständlich kommuniziert und Irrtümer sowie journalistische Fehler zu wenig klargestellt. Dazu kommt, dass wir zu selten über unsere Erfolge gesprochen haben. Dies sollten wir in Zukunft anders handhaben“, ist der Branchenkenner überzeugt. Er sieht in diesem Zusammenhang auch bereits erste Erfolge, denn das Verständnis über die Aktivitäten der Pharmaunternehmen hat sich in seinen Augen bereits verbessert, was sich positiv auf den Ruf der Branche auswirkt.

Die Gesichter der Pharmabranche zeigen

Vertrauen aufbauen und Misstrauen ausräumen geht für Reiter Hand in Hand, indem man darüber berichtet, was dem Unternehmen wichtig ist und was das Unternehmen leistet. „Um Misstrauen auszuräumen, braucht es Personen, die als die Gesichter des Unternehmens klar und glaubwürdig über die Werte und Handlungen berichten. Hier gilt es, Personen von untadeliger Reputation auszuwählen und in der Öffentlichkeit, z.B. in Hintergrundinterviews, zu präsentieren. Das bedeutet, dass diese Person im öffentlichen Diskurs zu ethischen, gesellschaftlich relevanten Fragen Stellung bezieht“, fasst Reiter die Eckpunkte zusammen.Auch Hudelist empfiehlt, beispielsweise auf CEO-Reputation zu setzen: „Dieser Teilbereich des Reputationsmanagements wird von Pharmaunternehmen bisher kaum genutzt und könnte Chancen für Wettbewerbsvorteile bieten. Laut der internationalen Studie ‚The CEO Reputation Premium: Gaining Advantage in the Engagement Era‘ von Weber Shandwick prognostiziert rund die Hälfte aller Führungskräfte weltweit, dass die Reputation des CEOs in den nächsten Jahren wichtiger werden wird als die des Unternehmens. Für 44% der Befragten ist der Unternehmensmarktwert sogar auf die Reputation der Geschäftsführung zurückzuführen.“

Oberstes Gebot: Transparenz

Auch in Brandners Augen weiß die breite Öffentlichkeit viel zu wenig, wie Forschung vonstattengeht: „Wie arbeiten Konzerne zusammen, wie erfolgt die Zusammenarbeit mit Universitäten und Klinken, wie lange dauert es, bis ein Impfstoff einsetzbar ist – und warum dauert das so lange? Hieraus lässt sich viel Content für die sozialen Medien produzieren, in dem man dann auch die Mitarbeiter als die Gesichter des Unternehmens vorstellen kann.“Auch für Schauflinger ist Transparenz ein wichtiger Faktor, um die Reputation der Pharmabranche zu verbessern. „Wer die Pharmabranche kennt, weiß um die hohen Transparenzbemühungen; nicht umsonst wurden hierzu in den letzten Jahren viele Richtlinien etabliert. Es ist daher inakzeptabel, dass Fälle wie der Contergan-Skandal Anfang der 1960er-Jahre der Branche nach wie vor anhaften! Es ist schwer an der Zeit, diesen Ballast abzuwerfen“, umreißt Schauflinger das Problem. Transparenz bedeutet in seinen Augen, verständlich und glaubwürdig mit der notwendigen Sensibilität über das „Gute“ zu sprechen, das die Pharmabranche leistet. Dies würde die Reputation der Branche deutlich verbessern und negativen Schlagzeilen vorbeugen, ist er überzeugt. Hierfür brauche es die Zusammenarbeit mit den Medien, die aufseiten der Fachmedien sehr gut funktioniere, bei den Laienmedien gebe es hingegen Nachholbedarf – hier richtet Schauflinger auch einen Appell an die Medien, sich mehr um den Dialog mit der Pharmabranche zu bemühen.

Das unterstreicht auch Anton Luchner, Geschäftsführer von SOBI und langjähriger Kenner der Pharmabranche: „Die Medien haben hier auch eine Bringschuld, sensible Themen aktiv zu hinterfragen. Stattdessen werden Vorurteile über die Pharmaindustrie oft unreflektiert einfach übernommen. Auf der anderen Seite sind auch alle Pharmaunternehmen sowie die Interessenvertretungen aufgerufen, bei ungerechter bzw. unrichtiger Berichterstattung einzugreifen – hier fehlen viel zu oft die Gegendarstellungen.“

Nutzen und Wert von Therapien darstellen

Für Luchner fußt das Reputationsproblem der Pharmaindustrie darauf, dass es nicht gelungen ist, den Nutzen, den die Branche für die Gesellschaft erbringt, zu kommunizieren. Auch er glaubt, dass diese Situation mit dem Contergan-Skandal begonnen hat. „Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten so viel erreicht: Die Überlebenschancen bei Krebs haben sich massiv verbessert, AIDS ist von einer tödlichen zu einer chronischen Erkrankung geworden, manche Erkrankungen, wie z.B. Kinderlähmung, existieren de facto nicht mehr, MS-Betroffene können heute 20 Jahre länger berufstätig bleiben, Hämophilie-Patienten können ein nahezu normales Leben führen … Diese Verbesserungen für die gesamte Menschheit, die dank der Pharmaindustrie erreicht werden konnten, sind aber in der Gesellschaft viel zu wenig bekannt bzw. wird der Beitrag der Pharmabranche dazu nicht gesehen“, kritisiert Luchner. Hier sieht er auch seitens der Interessenvertretungen wie der Pharmig ein Versäumnis: „Es wäre Aufgabe der Standesvertretung gewesen – und wäre es immer noch –, die Reputation der Branche zu verbessern, indem u.a. mehr über unsere Erfolge berichtet wird. Hier war die Pharmig jedoch in den letzten Jahren leider ein ‚zahnloser Tiger‘.“ Letztendlich schwäche das eher negative Bild der Pharmaindustrie in der Gesellschaft auch die Verhandlungsposition der Branche mit dem Dachverband, ist er überzeugt.

Tue Gutes und rede darüber!

Rumler appelliert an alle Mitarbeitenden der Pharmaindustrie, vermehrt über die Leistungen der Branche zu kommunizieren. Auch er nennt die gute Therapierbarkeit von Krebserkrankungen und HIV, die Heilung von Hepatitis C sowie die Erfolge der Gentherapie als die großen Meilensteile der letzten Jahre. „Darüber müssen wir reden – auch in den sozialen Medien! Daher sind wir von Pfizer Österreich u.a. auf Face­book, Twitter und LinkedIn präsent, um unser Handeln in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen und damit einen essenziellen Beitrag zum guten Ruf der Pharmaindustrie zu leisten“, betont Rumler, dessen eigener LinkedIn-Kanal stolze 8.000 Follower aufweist.

Aktives Themenmonitoring

Wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Reputationsmanagements ist Themenmonitoring, weiß Reiter aus der Praxis: „Es gilt zu wissen, worüber gerade in der Öffentlichkeit bzw. in für mich relevanten Teilgruppen diskutiert wird. Hierzu sollte ein Unternehmen seine Meinung kommunizieren – aber nicht erst, wenn es darauf angesprochen wird.“ Dies sieht Brandner ebenfalls so: „Ich muss regelmäßig analysieren: Was sagen die Leute (auch in sozialen Medien), wieso ist mein Ruf so, wie er ist, was sind in sozialen Medien die Kritikpunkte?“ Hierzu gibt es mittlerweile mehrere Tools, mit denen soziale Medien auf bestimmte Schlagwörter – z.B. Pharma und Corona – gescreent werden können. Denn auch für den Umgang mit Fake News sei es entscheidend, zu wissen, welche aktuell im Umlauf sind, so Brandner: „Ich muss mich bei Fake News einschalten, bevor diese zu einem Shitstorm anwachsen. Einschalten bedeutet richtigzustellen, und zwar möglichst frühzeitig, indem ich glaubwürdige und vertrauenswürdige Experten zu Wort kommen lasse.“

Der größte Fehler: den Dialog verweigern

Hudelist gibt der Pharmaindustrie folgende Empfehlungen zur Verbesserung ihrer Reputation: „Langfristig transparent kommunizieren, die Evidenzbasis durch konsequente Wissensweitergabe leicht zugänglich machen und immer als Ansprechpartner für Nachfragen erreichbar sein. Auch gesellschaftliches Einbringen – derzeit beispielsweise durch Hilfsfonds, aktive Hilfe in der näheren Umgebung des Unternehmens­standorts oder natürlich auch das Forschen an einem Impfstoff etc. – trägt positiv zur Reputation bei.“

Köppl betont ebenfalls, dass es entscheidend sei, laufend Kommunikation mit aktiven Botschaften zu betreiben: „Auf Basis einer Reputationsanalyse ist zu entscheiden, in welcher Taktung über welche Kanäle welche Botschaften kommuniziert werden. Dies betrifft sowohl die einzelnen Unternehmen als auch die Verbände. Die Interessenvertretungen sind aufgerufen, für die gesamte Branche mit einer Stimme zu kommunizieren.“Auch wenn Kommunikation mit gewissen Gruppen, wie z.B. den überzeugten Impfgegnern, nicht einfach ist, wäre es laut Reiter der größte Fehler, den Dialog zu verweigern. Dafür müssen die entsprechenden Ressourcen bereitgestellt werden. „Gerade in den sozialen Medien, die ein guter Weg sind, um Reputationsmanagement zu betreiben, erfordert der Dialog hohe personelle und zeitliche Ressourcen, nämlich Personen, die authentisch und rasch antworten. Daher brauchen Social-Media-Verantwortliche immer ein gutes Coaching sowie einen Kanal im Unternehmen, über den Rücksprachen schnell möglich sind“, unterstreicht sie. Und Köppl ergänzt: „Soziale Medien sind ein sehr guter direkter Kontakt, aber speziell für Pharmaunternehmen aufgrund der rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen etwas heikel.“ Auch er gibt zudem den Aufwand zu bedenken: „Es genügt eben nicht, wenn der Geschäftsführer ab und zu etwas ‚Nettes‘ postet, sondern es braucht vier bis sechs Impulse pro 24 Stunden, um Reichweite aufzubauen.“ Das heißt, bei einer Social-Media-Strategie müsse man immer einen gewissen „Push“ erzeugen, damit Aufmerksamkeit erzielt wird und Follower und Likes regeneriert werden. Köppl: „Soziale Medien als ‚Nice-to-have‘ zu betreiben, bringt nichts.“

Reputationsschäden abwehren

Wie geht man nun am besten mit Vorwürfen, Gerüchten u.Ä. um? Dies hängt von dem wahren Hintergrund ab, erklärt Reiter: „Wird zu Unrecht unethisches Verhalten vorgeworfen, ist es wichtig, dies zurückzuweisen und das tatsächliche Geschehen nachzuweisen. Ist es wirklich zu einem unethischen Verhalten oder einem Fehler gekommen, gilt es, die Verantwortung zu übernehmen, zu erklären, wie es dazu kommen konnte (z.B. weil zu dem Zeitpunkt noch keine gültigen Standards vorlagen, gewisse Rahmenbedingungen nicht bekannt oder nicht kontrollierbar waren etc.), und – sehr wichtig – eine Entschuldigung vorzubringen.“ Es gehe darum, sagt auch Brandner, das Gefühl zu vermitteln, die Sorgen und Gefühle der Konsumenten ernst zu nehmen.

Hudelist dazu: „Die größten Reputationsschäden richten quer über alle Branchen schädliche Inhaltsstoffe oder Fehler in Produkten, die Gefährdung von Menschen sowie schlechte Lohn- und Arbeitsbedingungen an. Am stärksten wirken auf Konsumenten laut einer ikp-Studie zur Krisenkommunikation Angebote zur Wiedergutmachung (67%) sowie interne Maßnahmen, um eine Wiederholung von Ereignissen zu verhindern (59%).“

Krisenhandbuch vorbereiten

Zu einem guten Reputationsmanagement gehört auch, mögliche Krisenszenarien zu skizzieren und Leitfäden zu erstellen, wie in diesen Krisen agiert werden soll – und diesen Plan dann im Akutfall abzuarbeiten. Dabei sollte jedes Krisenhandbuch folgende Punkte beinhalten: Rollenverteilung/Zuständigkeiten, Sprachregelungen, Nachrichtenhoheiten (um Spekulationen, Gerüchte zu verhindern). „Im Hinblick auf eine Pandemie würde das beispielsweise bedeuten, dass man sich bereits vorher überlegt hat, wie im Falle einer Epidemie oder Pandemie die Position des Unternehmens aussieht, wer was kommuniziert etc.“, rät Reiter.

Schauflinger empfiehlt ein jährliches Medientraining für alle Mitarbeiter, die in der Öffentlichkeit stehen, um für Krisensituationen gerüstet zu sein: „In Krisen braucht es eine gesteuerte Kommunikation, die aber dennoch so transparent wie möglich ablaufen sollte. Dabei darf auch ruhig einmal der Satz fallen: ‚Wir können das derzeit leider nicht sagen, weil wir es aktuell noch nicht wissen‘.“

Gute Krisenarbeit beginnt VOR der Krise

„Gerade in Krisen zeigt sich die große Bedeutung von guter Medienarbeit. Denn wenn ich schon vorher gute Kontakte zu Medien/Journalisten habe, besteht bereits ein Vertrauensverhältnis, auf dem ich in der Krise aufbauen kann“, sagt Brandner. Dies unterstreicht auch Köppl: „Eine gute Reputation ist ein immaterieller Vermögenswert. Man kann das mit einem Bankkonto vergleichen: In guten Zeiten zahle ich durch Reputationsmanagement auf mein Konto ein, damit ich im Krisenfall abbuchen kann. Wenn ich allerdings schon vor einer Krise keine oder eine schlechte Reputation habe, wird es in der Krise schwierig werden …“

Reiter empfiehlt der Pharmaindustrie beispielsweise jetzt während der COVID-19-Pandemie, ihre Rolle als Forschungspartner zu betonen, ethische Fragen aktiv aufzugreifen und ihren sozialen Beitrag zu zeigen. Ihrer Ansicht nach besteht das Risiko, dass jene Konzerne, die letztlich den entscheidenden Impfstoff bzw. das entscheidende Medikament gegen Corona auf den Markt bringen werden, Gefahr laufen, im internationalen Kampf gegen das Virus als „Kriegsgewinnler“ dazustehen.

Von anderen Branchen lernen

Brandner ist überzeugt, dass die Pharmaindustrie in Sachen Reputation von anderen Branchen lernen kann: „So zeigen die Erfahrungen anderer Branchen beispielsweise, dass es wichtig ist, Reputation als Management- und nicht als Marketingaufgabe zu begreifen. Daraus folgt, dass es keinen Sinn macht, Millionen in Imagekampagnen oder Werbung zu stecken – das haben die Banken nach der Bankenkrise gemacht und es hatte keine Auswirkungen auf ihren Ruf. Denn dieser entsteht eben aus den wirklichen Erfahrungen der Menschen – und hier zählt offene Kommunikation!“

Hudelist ist der Meinung, dass sich die Pharmaindustrie die Nutzung des „Österreich-Bonus“ von anderen Branchen ­abschauen sollte: „Österreichische Unternehmen genießen prinzipiell einen Vertrauensvorsprung gegenüber internationalen Konzernen. Generell werden heimische Unternehmen sympathischer, glaubwürdiger und ehrlicher wahrgenommen. Auch jetzt sieht man: Über österreichische Vorstöße in Richtung COVID-19-Impfstoffe oder -Medikamente wird breit berichtet, über internationale unter ‚ferner liefen‘. Es heißt also auch für globale Konzerne, in der Kommunikation immer den lokalen Bezug herzustellen. Gerade in Zeiten, in denen internationale Lieferketten zusammenbrechen, verleiht beispielsweise ein ‚Heimholen‘ der Produktion oder die ­Unterstützung der örtlichen Gesundheitsbehörden einen großen Vertrauensvorschuss.“

High Potentials anlocken

Auch im Hinblick auf „High Potentials“, die wohl jede Branche für sich gewinnen will, ist Reputationsmanagement wichtig. „Natürlich lockt auch der gute Ruf hoch qualifizierte Mitarbeiter an, denn die eigene Reputation wird ja dadurch bestimmt, wo man arbeitet/gearbeitet hat“, erläutert Köppl. Ein schlechter Ruf könnte daher High Potentials abschrecken. Dies ist aber in der Pharmaindustrie absolut nicht der Fall, im Gegenteil: Derzeit erfreut sich die Branche bei High Potentials einer hohen Attraktivität als Arbeitgeber, wie sowohl Luchner als auch Rumler bestätigen. Ein weiterer Beleg dafür, dass das Reputationsproblem in der breiten Öffentlichkeit zu finden ist, nicht aber bei jenen, die mit dem Pharmaumfeld bereits in Kontakt gekommen sind …

 

Verantwortung zu übernehmen, ist weder rechtlich noch moralisch ein Schuldein­geständnis. Und für eine gute Reputation ist es wichtig, dass man spürt, dass das ­Unternehmen Verantwortung trägt.
Mag. Brigitte Reiter, Donau-Universität Krems

Reputationsmanagement ist ­Beziehungs­management. Das erfordert einen offenen Dialog, in dem glaubhaft Wissen vermittelt wird.
Gabriele Brandner, match pr

Wer schweigt, lügt. Und auch, wer nur dementiert, hat schnell verloren.
Mag. Susanne Hudelist, ikp Wien GmbH,
Vizepräsidentin Public Relations Verband Austria (PRVA)
© Markus Hirschbuegl

Kenne deine Reputation, wisse um deine ­Defizite, arbeite gemeinsam mit deinen ­Stakeholdern und baue dir ein Netzwerk auf!
Dr. Peter Köppl, M.A., Mastermind
© Christian Lendl (www.christianlendl.com)

Pharmamitarbeiter sollten in der öffentlichen Kommunikation als Fachleute hinzugezogen werden – dies würde die Reputation der ­Branche verbessern.
Mag. Alexander Schauflinger, M.A., FineFacts
© Felicitas Matern

Die Pharmabranche hat es bisher nicht ­geschafft, ihre Wertigkeit für die Gesellschaft zu kommunizieren. Das sollte sich ändern!
Anton Luchner, SOBI Österreich
© argum / Falk Heller

Wir müssen über unsere hochkomplexen Themen verständlich kommunizieren, vermehrt über unsere Erfolge sprechen und vorherrschende Fehlmeinungen richtigstellen.
Prof. Dr. Robin Rumler, Pfizer Österreich
© Pfizer

„ Jeder Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens ist ein wichtiger Reproduktionsfaktor in Sachen Reputation. Daher ­sollten die Unternehmen ihre Mitarbeiter nach dem Motto ‚Be proud of your ­employer‘ mobilisieren“, sagt Dr. Peter Köppl, M.A., ­Geschäftsführer der Agentur Mastermind, Public Affairs Consulting. Es gehe dabei darum, dass jeder Mitarbeiter die Botschaft „Mein Unternehmen ist großartig, weil …“ in die Welt hinausträgt. So könne man proaktiv das Bild in der Öffentlichkeit verändern, ist Köppl überzeugt. Dies sieht Mag. Alexander Schauflinger, M.A., Geschäftsführer der Agentur FineFacts, genauso: „Ein Laie kann sich oftmals schwer vorstellen, was Mitarbeiter der Pharmabranche tun. Hier gilt es, über teils hochkomplexe Themen verständlich zu kommunizieren – dies gelingt beispielsweise durch positive Patientengeschichten, die auch für Laien greifbar sind.“

Coaching für Mitarbeiter

Mag. Susanne Hudelist, Managing Partner bei der Agentur ikp Wien GmbH, fordert die Pharmaunternehmen auf, ihre Mitarbeiter entsprechend zu unterstützen: „Wie Mitarbeiter im privaten Bereich agieren – egal, ob in der persönlichen Kommunikation oder via soziale Medien –, hängt maßgeblich davon ab, ob sie nicht nur informiert, sondern auch mit dem Arbeitsumfeld und den Arbeitsinhalten sowie der Führung zufrieden sind. Wieder sind die Werte, die Firmenkultur und die Ethik Voraussetzung für einen guten Ruf, der transportiert werden soll.“ Sie empfiehlt Pharmaunternehmen, ihre Teams mit umfassender Information und durch Trainings gut zu unterstützen: Hat jeder leicht verständliche Antworten für kritische Fragen vorliegen (z.B. abrufbar im Intranet) und wurden die Mitarbeiter beispielsweise in einem Verhandlungs- oder Rhetoriktraining geschult, was sie wie auf welche Frage antworten können, so trägt dieser Aufwand maßgeblich zur Reputation bei, ist Hudelist überzeugt.

 

 

Vorurteile beseitigen
Einen wesentlichen Beitrag können Mitarbeiter leisten, indem sie aktiv über Erfolge ihres ­Unternehmens berichten und bestehende Vorurteile richtigstellen.
Wir haben Anton Luchner, Geschäftsführer von SOBI Österreich, sowie Dr. Robin Rumler, ­Geschäftsführer von Pfizer Österreich, gebeten, einige der häufigsten Gerüchte über die ­Pharmaindustrie zu kommentieren:
„Die Pharmaindustrie setzt einfach extrem hohe Preise für ihre Produkte fest und die Krankenkassen müssen das dann zahlen.“
Luchner: „Stimmt nicht! Die Preise werden auf Basis einer normalen betrieblichen Kostenrechnung kalkuliert und dann wird – bei RX-Produkten – dem Dachverband ein Vorschlag unterbreitet. Dieser legt dann den Preis fest, der von ihm erstattet wird.“
„Die Corona-Krise ist doch nur ein Hype der Pharmaindustrie, damit die an den Impfstoffen viel Geld verdient. Das war ja bei der Vogel- und der ­Schweinegrippe auch so.“
Luchner: „Diese Aussage muss man den Verschwörungstheorien zuordnen – vermutlich ist sie daher nicht loszuwerden … Vielleicht sollte man hier mit einer Gegendarstellung kontern: Wenn eine Firma eine Impfung hätte und diese nicht hergäbe – was wäre denn dann?“
„Die Firmen verdienen so viel, obwohl sie die Entwicklungen von staatlich ­geförderten Studien aufgreifen.“
Rumler: „Die Entwicklung von Medikamenten ist hochkomplex und erfordert über viele Jahre (durchschnittlich ca. 12 Jahre) viel Know-how und finanzielles Engagement. Sind Pharmafirmen die Auftraggeber bei klinischen Studien, tragen sie auch die Kosten; diese belasten das Gesundheitssystem nicht.“
„Die Pharmafirmen forschen ja nur dort, wo sie sich ,Big Profit‘ erwarten.“
Rumler: „Falsch! Wir bei Pfizer legen sogar einen besonderen Fokus auf die Forschung zu seltenen Erkrankungen und haben eine eigene Abteilung aufgebaut, die sich damit beschäftigt. Branchenweit konnten wir in den letzten Jahren mehr als 100 Medikamente im Bereich der seltenen Erkrankungen zur Verfügung stellen, die den Betroffenen mehr Lebensqualität und eine Lebensverlängerung ermöglichen können.“