Österreich als Forschungsstandort stärken

PHARMAustria: Was sind die aktuellen Ziele der GPMed?

Priv.-Doz. Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner, Präsident der GPMed; © Harald Eisenberger

Priv.-Doz. Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner: Die GPMed ist eine Gesellschaft, die sich vor allem der klinischen Forschung widmet. Bisher waren wir dabei stark im operativen Bereich aktiv, unter anderem mit unserem sogenannten Clinical Operations Circle.
Aber die Forschung befindet sich im ­Wandel und diesen Entwicklungen wollen wir Rechnung tragen, indem wir neue ­Bereiche dazunehmen. Daher haben wir vor zwei Jahren den Bereich Medical Affairs in der GPMed gegründet. Dieser Bereich fungiert als Schnittstelle zwischen Forschungsabteilungen in Pharmaunternehmen und externen Forschungseinrichtungen.
Zudem wollen wir Trends aufgreifen und beschäftigen uns daher aktuell auch mit der stärkeren Rolle der Patient:innen im Bereich klinische Forschung, mit der Forschung im Bereich Medizinprodukte, z.B. mit digitalen Anwendungen wie DIGAS, sowie mit der Forschung an Gesundheitsdaten an sich. Darunter fallen eben nicht nur ­klassische Studiendaten, sondern auch Krankenhausdaten, Daten der Sozialversicherung etc. Mit diesem Themenbereich beschäftigt sich bei der GPMed der Research Innovation Circle.
Generell ist es der GPMed ein großes Anliegen, zur Wissensvermittlung beizutragen, um die klinische Forschung in Österreich zu stärken. Daher ist die Aus- und Weiterbildung bei uns ein wichtiges Thema.

Die GPMed definiert sich als wissenschaftliches Forum für Ärzt:innen, Wissen­schaf­­-t­er:innen sowie Gesundheitsberufe aus Akademie, Industrie, Behörden und anderen Institutionen. Warum ist der Austausch zwischen diesen verschiedenen Playern so wichtig?

Eine solche Vernetzung halten wir aus Sicht der GPMed für unbedingt notwendig, denn klinische Forschung ist ein Mannschaftssport, um es mal so auszudrücken, bei dem viele verschiedene Bereiche miteinander arbeiten müssen und sollen, damit möglichst viele gute Ergebnisse entstehen können. Bei der GPMed sind nicht einzelne Unternehmen Mitglied, sondern interessierte Einzelpersonen. Dabei handelt es sich um Personen aus Pharmaunternehmen und aus dem akademischen Bereich. Gerade diese Zusammensetzung halte ich für sehr wichtig, denn natürlich sind Abstimmungen zwischen Unternehmen, Behörden, universitären Einrichtungen, Institutionen etc. absolut notwendig und auch von allen gewünscht. Dennoch treffen unterschiedliche Sichtweisen aufeinander, was eine He­rausforderung darstellt, die aber durch regen Austausch gut bewältigt werden kann. Hier will die GPMed als Schnittstelle dienen.

Die GPMed widmet sich auch speziell dem Bereich Medical Affairs. Was sind hier die aktuellen Themen und Ziele?

Die GPMed ist eine Fachgesellschaft, die aus drei sogenannten Circles besteht: den beiden bereits erwähnten Circles Clinical Operations und Research Innovation sowie weiters dem Medical Affairs Circle. Dieser Bereich ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, auch in den Pharmaunternehmen, in denen diese ­Abteilung als Schnittstelle zu externen ­Forschungseinrichtungen und Health Care Professionals fungiert, aber auch intern eng vernetzt mit den Sales- und Marketingabteilungen agiert. Dieses Gebiet war unserer Ansicht nach in Österreich zu wenig repräsentiert. Daher haben wir heuer im Bereich Medical Affairs eine besondere Aus- und Fortbildungsoffensive gestartet, um diesen Bereich zu stärken. Beispielsweise haben wir zusammen mit der Medizinischen ­Universität einen Kurzlehrgang hierzu angeboten.

Wie hat sich medizinische Forschung in den letzten Jahren verändert bzw. wie wird sich dieser Bereich in Zukunft weiter verändern? Welche Rolle spielen dabei Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Real-World-Daten?

Die Digitalisierung hat die klinische Forschung natürlich massiv verändert. Ein wichtiger Trend, den wir seit einiger Zeit beobachten, sind Real-World-Daten. Da die Fallzahlen bei klinischen Studien immer kleiner werden, stößt die klassische Forschung an Limitationen und ist auf Real-World-Daten angewiesen. Denn nur 2–5% der jeweiligen Patient:innen sind Teil einer klinischen Studie, die übrigen 95–98% werden außerhalb von Studien behandelt. Die Evidenz basiert aber lediglich auf diesen 2–5%, die an der Studie teilgenommen haben. Daher ist es eine logische Konsequenz, auch Real-Word-Daten in die Forschung miteinzubeziehen.

Aus diesem Anlass haben wir bereits 2021 eine Multi-Stakeholder-Gruppe zu diesem Thema zusammengestellt, bei der Personen aus Ministerien, Behörden, der Gesundheit Österreich GmbH, akademischen Bereichen sowie der Pharmaindustrie dabei sind, die gemeinsam einen Konsensus über Qualitätskriterien bei Real-World-Daten geschaffen haben, der 2022 publiziert wurde (Anm.: publiziert in: JMIR Med Inform 2022; 10(6):e34204; DOI: 10.2196/34204). Derzeit beschäftigen wir uns damit, welche Daten wofür verwendet werden können und wie dabei unsere Qualitätskriterien anzuwenden sind.

Auch bei der klassischen klinischen Forschung spielt die Digitalisierung eine immer größere Rolle, beispielsweise werden heutzutage Patiententagebücher digitalisiert. Dies ist ein Thema, mit dem sich unser ­Clinical Operations Circle beschäftigt. Hier sind auch rechtliche und regulatorische ­Aspekte von Bedeutung, denen wir uns ­widmen.
Die Forschung mit digitalen Gesundheits-Apps hat ebenfalls stark zugenommen und ist daher, wie bereits erwähnt, ein Thema, mit dem sich die GPMed ebenfalls beschäftigt. An künstlicher Intelligenz (KI) kommt man in all diesen Bereichen nicht mehr vorbei, denn ohne KI können wir die heutige Datenmenge nicht verarbeiten.

Wie ist es aus Sicht der GPMed um Österreich als Forschungsstandort bestellt? Welche Maßnahmen braucht es, um Österreich als Forschungsstandort zu stärken?

Wenn man über Österreich als Forschungsstandort spricht, muss man sich die Situation Europas als Forschungsstandort anschauen. Hier sieht man den Trend, dass sich Pharmaunternehmen mit ihrer Forschung von Europa wegbewegen. Diesbezüglich ist Österreich keine Ausnahme, sondern wird gerade als kleines Land von der gesamten Entwicklung in Europa quasi mit hinuntergezogen. Das hat viele Gründe, einer davon ist das sehr heterogene Umfeld in Europa. Wir versuchen zwar mit entsprechenden Regularien gegenzusteuern, aber beispielsweise Medizinproduktforschung und damit die ganze Forschung mit Apps, digitalen Anwendungen und anderen Softwarelösungen etc. ist in Europa nicht einheitlich reglementiert, auch Real-World-Data-Forschung ist in Europa nicht bzw. sehr unterschiedlich reglementiert. Dazu kommt noch die Behinderung durch eine Überinterpretation des Datenschutzes in Europa – auch hier stellt Österreich keine Ausnahme dar.

Dies alles sind Gründe, die dazu führen, dass wir zunehmend weniger klinische Forschungsprojekte in Österreich und in Europa haben. Hier müssen wir dringend eingreifen. Daher ist es uns als GPMed sehr wichtig, dass wir unsere Stimme für den Forschungsstandort Österreich erheben. Zudem müssen wir daran arbeiten, wie Forschung in der breiten Öffentlichkeit in ­Österreich gesehen wird. Wir wollen Stolz wecken auf Forschung „made in Austria“. Ein weiterer wesentlicher Schritt, um Österreich als Forschungsstandort zu stärken, ist die Förderung der Zusammenarbeit von Akademie und Industrie, um unser Land auch für die Industrie als Forschungsstandort wieder attraktiver zu machen. Zudem ­würden wir uns wünschen, dass Österreich – koordiniert von BMSGPK und BMBWF unter Einbindung von Akademie und Industrie – beim European Health Data Space, bei dem es um den Austausch europäischer Gesundheitsdaten geht, in eine Führungsrolle geht, anstatt erst einmal abzuwarten, was die anderen Länder diesbezüglich unternehmen. Auch das würde Österreich als Forschungsland stärken.

Vielen Dank für das Gespräch!