„Rundumversorgung“ von Patient:innen

„Ipsen ist ein global agierendes Biopharmaunternehmen mit Fokus auf die Entwicklung und den Vertrieb medizinischer Lösungen in den Therapiebereichen Onkologie, Neurowissenschaften und seltene Erkrankungen“, beschreibt Dagmar Tschöp das Unternehmen, das seit 2022 mit eigenen Standorten auch in Österreich und der Schweiz vertreten ist. Sie empfindet u.a. die mittlere Größe des Unternehmens als Vorteil: „Wir können einerseits eine sehr agile Denkweise pflegen, weil die Zahl der Mitarbeitenden überschaubar ist, und andererseits haben wir dennoch die Strukturen eines mittelgroßen, globalen Unternehmens.“ Das macht Ipsen in ihren Augen auch sehr attraktiv für Partnerschaften mit kleineren Firmen, mit Start-ups etc. „Zudem ist Ipsen ein Familienunternehmen – es befindet sich mehrheitlich noch immer im Besitz der Familie Beaufour. Dadurch werden langfristige Strategien verfolgt, was ich ebenfalls sehr schätze“, erläutert Tschöp.

Aufbau der Österreich-Niederlassung

Seit rund 30 Jahren ist Ipsen in Österreich mit Produkten präsent. „Allerdings immer mit einem externen Außendienst, d.h. wir haben zwar Mitarbeiter:innen, die seit mehr als zehn Jahren für Ipsen Österreich tätig sind, aber diese waren bis vor Kurzem über externe Dienstleistungsfirmen angestellt“, berichtet Tschöp. Vor rund drei Jahren hat sich ­Ipsen dann entschlossen, eine Niederlassung für Österreich und die Schweiz zu gründen: 2021 wurde das Büro in Zug in der Schweiz eröffnet, die Niederlassung in Wien folgte im August letzten Jahres. „2020 ist David Loew neuer CEO von ­Ipsen geworden und hat damals das klare Ziel gesetzt, Ipsen zu einem führenden globalen Unternehmen zu machen. ­Daher wollte das Unternehmen seine Präsenz in einzelnen Märkten gezielt ­verstärken, und u.a. wurden Österreich und die Schweiz ausgewählt. So können wir noch stärker auf die Bedürfnisse der österreichischen und schweizerischen Stakeholder, Health Care Professionals und Patient:innen eingehen“, betont Tschöp.

Sie selbst startete im August 2021 bei Ipsen und durfte ein lokales österreich­isches sowie schweizerisches Team zusammenstellen. Dabei wurde der bereits vorhandene Außendienst integriert. „Das war für diese Mitarbeiter:innen ein bewegender Moment, endlich auch ­offiziell Teil der Ipsen-Familie zu sein, so wie sie sich schon immer auch als ­externe Dienstleister:innen gefühlt haben“, erzählt Tschöp.

Forschung vorantreiben

Ein wichtiges Ziel des Unternehmens ist die Entwicklung von innovativen Therapien, vor allem in Bereichen, in denen es ungedeckten medizinischen Bedarf gibt. Tschöp: „Wir investieren über 14% unseres Gesamtumsatzes in Forschung und Entwicklung. In unseren vier Forschungszentren sind weltweit mehr als 600 Mitarbeiter:innen tätig.“ Allerdings betreibt Ipsen selbst keine Grundlagenforschung, sondern übernimmt die Produkte in der klinischen Phase und treibt dann die Finalisierung der Studien sowie die Marktzulassung voran. „Daher sind für uns Partnerschaften mit Institutionen und akademischen Einrichtungen von sehr großer Bedeutung“, so Tschöp.

Das Leben von Betroffenen verändern

Einer der Meilensteine des Unternehmens in den letzten Jahren war 2019 die Einführung von Cabometyx, einem Tyrosinkinase-Inhibitor bei Nieren- und Leberzellkarzinom, der erst in der zweiten und dann in der ersten Linie zugelassen wurde und der das Leben von vielen Betroffenen verändert hat. „Zudem haben wir in den letzten zwei Jahren 20 neue Wirkstoffe durch Lizenzvereinbarungen und Akquisitionen hervorgebracht. Dadurch haben wir unsere Pipeline und auch unsere Zusammenarbeit mit biotechnologischen Firmen gestärkt – hier wird man in den nächsten Jahren viele spannende Ergebnisse sehen“, ist Tschöp überzeugt.

Auch speziell in Österreich sind ihrer Ansicht nach in den letzten Jahren spannende Entwicklungen passiert: „In Österreich wurden für unsere beiden Hauptprodukte neue Indikationen zugelassen: bei Cabometyx im Bereich differenziertes Schilddrüsenkarzinom und bei Dysport im Bereich Neurowissenschaften. Dadurch konnten wir uns in diesen Bereichen auch hierzulande breiter aufstellen, was ebenfalls wichtige Meilensteine für uns waren.“Im Hinblick auf die Zukunft ist Tschöp stolz darauf, dass sich noch weitere Indikationserweiterungen für bestehende Produkte, aber auch neue Präparate in der Pipeline des Unternehmens befinden: „So sind wir beispielweise mit einem Produkt zur Behandlung seltener Knochenerkrankungen in Registrierung bei der Europäi­schen Arzneimittel-Agentur (EMA). Weitere Produkte für seltene Erkrankungen befinden sich derzeit in Phase III.“

Zudem hat Ipsen mit März 2023 das Unternehmen Albireo gekauft, ein kleines Biotech-Start-up mit rund 240 Mitarbeiter:innen weltweit, das sich auf den Bereich seltene Lebererkrankungen, vor allem bei Kindern, fokussiert. „Das Produkt Bylvay ist in Europa und in den USA bereits zugelassen und damit auch in Österreich verfügbar. Hier befindet sich ebenfalls eine weitere Indikation in Registrierung bei der EMA und wir versuchen aktuell gemeinsam mit den Mitarbeitenden, die von Albireo gekommen sind, das Produkt Bylvay gerade im DACH-Bereich weiter zu stärken“, berichtet Tschöp.

Wunsch nach weniger Bürokratie

Tschöp attestiert Österreich eine ausgezeichnete Lebensqualität, ein hohes Bildungsniveau sowie eine exzellente medizinische Infrastruktur. „Was wir in Österreich aber auch sehen, sind hohe Lohnnebenkosten, ausgeprägte Bürokratie, wenig Digitalisierung und ein starres Arbeitsrecht“, merkt Tschöp an. Zudem würde sie sich in Österreich mehr Interesse an Innovationen per se wünschen. „Ich glaube, diese Rahmenbedingungen machen es nicht immer leicht, wenn man beispielsweise eine Firma bzw. ein Start-up gründen will, Forschung anlocken möchte etc. Diesbezüglich sollte Österreich digitaler werden und auch unkompliziertere Strukturen schaffen“, skizziert Tschöp ihre Verbesserungswünsche.

Zugang zu Innovationen verbessern

Zudem hat Tschöp beobachtet, dass es beispielsweise in den Neurowissenschaften und bei seltenen Erkrankungen nicht immer leicht ist, direkten Zugang zu Innovationen zu schaffen, da die medizinisch-ökonomische Evaluation relativ lange dauert. „Das sind sicherlich berechtigte und wichtige Instrumente, aber sie verzögern zeitlich sehr oft den Zugang der Patient:innen zu innovativen Medikamenten. Dabei fällt mir bei unseren Produkten auf, dass der Zugang im Bereich Onkologie schneller erfolgt als zum Beispiel in den Neurowissenschaften oder bei seltenen ­Erkrankungen. Hier sehe ich in den ­zuletzt genannten Bereichen Optimierungsbedarf“, erklärt Tschöp.

Die Ursache für diesen Unterschied in der Zeitdimension der Verfügbarkeit liegt ihrer Meinung nach in den unterschiedlichen Finanzierungsströmen: „Die Therapiekosten werden im Krankenhaussetting sofort übernommen, gerade im onkologischen Bereich, während man im niedergelassenen Bereich in Österreich durch die ganze medizinisch-ökonomische Evaluation von 180 Tagen geht.“

Weltweit steigende Gesundheitskosten

Tschöp sieht mehrere große Themen, die die Gesundheitsbranche in den nächsten Jahren beschäftigen werden, u.a. die weltweit steigenden Gesundheitskosten und der ungleiche Zugang zu Medikamenten in den verschiedenen Ländern. Zudem stehen ihrer Meinung nach die Pharmaunternehmen vor der Herausforderung, in Zukunft komplette Lösungen für Krankheitsbilder anzubieten: „Wir müssen uns vermehrt die gesamte Patient Journey anschauen. Entscheidende Fragen dabei sind: Wie können wir die Patient:innen begleiten, wie bekommen wir alle Beteiligten an einen Tisch, um die Versorgung besser zu gestalten?“ Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema, das ihr am Herzen liegt, ist Nachhaltigkeit: „Wir sollten uns als einzelne Unternehmen, aber auch als gesamte Branche intensiver mit Klimaschutz auseinandersetzen, sei es im Bereich Verpackungen, Reisen, Unterlagen etc.“