Ärztekritik an neuer Debatte über Abbau von Spitalsbetten

Österreich habe zu viele teure Spitalsbetten, sagen Gesundheitsexperten – der Corona-Krise zum Trotz. Ärzte und Wiens Gesundheitsstadtrat weisen das zurück und werfen den Experten ihrerseits Unwissenheit vor.

Gesundheitsexperten, wie der Ökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) oder der Pathologe, Berater und Publizist Ernest Pichlbauer, sorgen mit einer neuen Debatte über zu viele Spitalsbetten in Österreich für Aufregung. Czypionka erklärte, dass das glimpfliche Abschneiden des Landes nicht mit der hohen Anzahl an Akutbetten zusammenhänge. Der Annahme, dass viele Spitalsbetten eine gute Versicherung gegen weitere Infektionswellen seien, widersprach er. Nur alle zehn bis 20 Jahre sei mit einer Pandemie zu rechnen, da sollte ein Land besser in die Vorsorge investieren statt in über lange Zeit überflüssige Infrastruktur. Es brauche Frühwarnsysteme, bei denen ein Stab aus Spezialisten rasch die richtigen Maßnahmen setzt, und die nötige Grundausstattung. Während Pichlbauer dem auf APA-Anfrage beipflichtete und ein Umschichten der Mittel in die Versorgung chronisch Kranker und der Pflege forderte, zeichnete die Ökonomin Maria Hofmarcher-Holzhacker ein differenzierteres Bild. Natürlich gebe es Ineffizienzen und die Notwendigkeit von Kapazitätsanpassungen, aber die hohe Bettenzahl habe in der Coronakrise vertrauensbildend gewirkt.

Nicht vergessen dürfe man auch, dass von 2008 bis 2018, die tatsächliche Bettenzahl in Fondskrankenanstalten bereits um 4.416 auf 44.183 zurückgenommen worden sei. Allein im Jahr 2018 habe das eine Kostenersparnis von mehr als 800 Millionen Euro gebracht, kumuliert in den zehn Jahren rund 4,2 Milliarden Euro. Allerdings sei die Personalquote pro Bett in diesem Zeitraum gestiegen. Außerdem, so Hofmarcher-Holzhacker, müsse sichergestellt sein, dass die ambulante Versorgung inklusive mobiler Pflege breit aufgestellt sei, bevor man sich der Kapazitätsanpassung im Spitalsbereich widme. Sie appellierte hier für einen gemeinsam von Sozialversicherung und Ländern gespeisten Finanzierungstopf, mit Vorgaben des Bundes.

Aus der Ärztekammer kam indes eine klare Absage an den Abbau von Spitalsbetten. Aussagen, dass man auch mit der Hälfte ausgekommen wäre, gingen „deutlich und auch sehr gefährlich“ an der Realität vorbei, meinte Vizepräsident Wolfgang Weismüller in einer Aussendung. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hat sich ebenfalls vehement gegen die Forderung gestellt, Spitalsbetten abzubauen. „Ich finde es absurd, diese Debatte jetzt führen zu müssen“, ärgerte sich Hacker. Die Experten sitzen nach Ansicht Hackers einer Fehleinschätzung der Zahlen aus den Corona-Dashborads auf. Dass so viele freie Kapazitäten ausgewiesen gewesen seien, liege daran, dass Tausende Operationen bewusst nicht durchgeführt worden und Behandlungen nach hinten verschoben worden seien. Wer daraus ableite, dass das Angebot in den Spitälern viel zu groß sei, sei in Wirklichkeit der Meinung, dass Patienten nicht behandelt werden sollten. (red)