Gesundheitsminister arbeitet offenbar an Wirkstoffverschreibung

(c) Richard Tanzer

Der Rechnungshof warnte bereits früh vor Lieferengpässen bei Medikamenten. Ein entsprechender Bericht wurde nun im zuständigen Ausschuss des Nationalrates behandelt. Und dabei ließen die Prüfer und der Gesundheitsminister aufhorchen.

Schon vor der Corona-Krise bestanden in Österreich Engpässe bei Medikamenten, die zu hohen Kosten im Spitalsbereich überbrückt wurden. Das bestätigt nun eine Rechnungshofprüfung über Arzneimittellieferungen aus dem Jahr 2018, mit der sich der Rechnungshofausschuss des Nationalrats am Dienstag befasste. In der Debatte darüber kam es zu überraschenden Aussagen. Die Ansicht des Rechnungshofs sowie von Gerald Loacker (NEOS), Wirkstoffverschreibungen würden helfen, Medikamentenengpässe leichter und kostengünstiger zu überwinden, teilt demnach Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Er knüpft damit auch an die Aussagen seines Vorgängers und Parteifreundes Rudolf Anschober an, der im Vorjahr mit einer entsprechenden Aussage für Aufsehen gesorgt hatte.

Könnten statt bestimmter Handelsmarken die Wirkstoffe durch den Arzt oder die Ärztin verschrieben werden, würde die Austauschbarkeit von Arzneimitteln erleichtert, argumentiert der Rechnungshof. „In zehn EU-Ländern ist das bereits verpflichtend“, in den meisten anderen bestehe zumindest diese Möglichkeit, sagte Mückstein, der sich auch eine „Arzneimittelsubstitutionen auf Apothekenebene“ vorstellen kann und dazu auch eine Änderung im Rezeptpflichtgesetz in Aussicht stellt. Entsprechende Vorarbeiten durch die Bundeszielsteuerungsagentur seien schon seit Ende 2019 im Gange, coronabedingt verschiebe sich aber die für heuer geplante Beschlussfassung im Parlament, erklärte Mückstein.

Der Abgeordnete David Stögmüller (Grüne) bemängelte vor diesem Hintergrund, die Pharmaindustrie betreibe für bestimmte Handelsmarken teures Lobbying. Compliance-Richtlinien sollten daher bei Absprachen mit den Landesbehörden eingeführt werden. Schon seit Jahren nähmen Lieferprobleme bei Arzneimitteln weltweit zu, erläutert der Rechnungshof in seinem Bericht. Nicht nur die daraus resultierenden höheren Kosten für heimische Krankenhäuser machen den Prüfern dabei Sorgen, sondern auch die Versorgungssicherheit der Patienten. Dem Gesundheitsminister legen sie daher ans Herz, die Lieferproblematik von Arzneimitteln in Österreich gesamthaft zu evaluieren und mit einer entsprechenden Strategie auf deren Lösung hinzuarbeiten.

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Zu den Empfehlungen, die Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker dem Ausschuss gab, gehört auch die Einrichtung einer Bewertungsinstanz des Bundes für kostenintensive Krankenhausmedikamente. Diese Stelle sollte neben der Preisregulierung auch dafür sorgen, dass es in Österreich keinen „Spitalstourismus“ gibt, sagte Kraker mit Hinweis auf die je nach Bundesland unterschiedlichen Beschaffungsformen.

Das von ihr angesprochene Bewertungsboard für den Einsatz von Medikamenten im stationären Bereich gibt es laut Mückstein bereits als Pilotprojekt der Bundesländer. Aufgrund positiver Erfahrungen damit sei eine Überführung dieser Bewertungsinstanz, deren Kosten der Bund trägt, in den Regelbetrieb geplant. Zur Lieferproblematik bei Arzneimitteln meinte Mückstein, sie sei eine Folge der Globalisierung: „Die Verlagerung der Produktion nach Asien ist ein Trend nicht nur in der Pharmabranche.“ Österreich sei aber mit seinen EU-Partnern dabei die Medikamentenforschung- und Produktion wieder zurück nach Europa zu holen beziehungsweise hier zu halten. So ziele die Arzneimittelstrategie für Europa darauf ab, den Zugang und die Verfügbarkeit erschwinglicher Medikamente in der Europäischen Union ebenso sicherzustellen wie die finanzielle Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme.

In seinem Bericht über die „Arzneimittelbeschaffung für ausgewählte Krankenanstalten in Salzburg und Tirol“ weist der Rechnungshof auf 870 Meldungen von Krankenanstalten zu Lieferengpässen in allen Indikationsgruppen hin, die zwischen 2014 und 2017 in der Salzburger Landesapotheke eingingen. Der Anstaltsapotheke des Landeskrankenhauses Innsbruck wurden im gleichen Zeitraum 600 Engpässe bei Medikamentenlieferungen gemeldet, unter anderem bei Immunglobulinen, Antibiotika, Zytostatika und Impfstoffen. Beide Apotheken fungieren als Arzneimittelbeschaffer für die jeweiligen Landeskrankenhäuser (LKH), die in Betriebsgemeinschaften der öffentlichen Hand zusammengefasst sind. Zur Bewältigung der Engpässe kauften beide Apotheken Arzneimittel häufig zu weit höheren Preisen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ein und begrenzten die Menge bestimmter Medikamente auf Kontingente. Weiters wurden Ersatztherapien mit den behandelnden Ärzten vereinbart. Laut Rechnungshof bestand im Jahr 2018 konkreter Handlungsbedarf bei mehr als 30% der gemeldeten Lieferengpässe (Salzburger Landesapotheke) beziehungsweise bei rund 100 Arzneimitteln (Apotheke des LKH Innsbruck). Die vergaberechtlichen Bestimmungen wurden bei der Medikamentenbeschaffung laut RH-Analyse nicht eingehalten, so erfolgte der Kauf ohne Ausschreibung. (red)