Kommentar: Warum sich alle gegen die Masken wehren

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Sie wird wieder kommen – die allgemeine Maskenpflicht. Dabei könnte man das Thema deutlich einfacher lösen. Doch dazu braucht es mehr Eigenverantwortung und Zusammenhalt. Beides wurde während des Lockdown gepriesen, ist aber wieder vergessen.

Eine kollektive Erfahrung aus der Zeit des Lockdown ist bei vielen Menschen wieder vergessen: Die Erfahrung, dass sich die eigene Gesundheit, das Leben, aber vor allem auch das Wirtschafts- und Sozialsystem nicht schützen lässt, wenn man nur auf sich alleine achtet. Genau das passiert aber mit den Lockerungen nun vielfach wieder. Man hält sich vielfach nicht an die einfachsten Maßnahmen wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Räumen. Wer es doch tut, wird nicht selten von jenen verlacht, die der Maskenträger eigentlich schützt. Die Gefahr des Virus für Wirtschaft und Gesundheit wird heruntergespielt.

Die Ausbreitung des Corona-Virus in den USA könnte mit dem Tragen von Masken innerhalb weniger Wochen unter Kontrolle sein, heißt es diese Woche von der US-Gesundheitsbehörde CDC. „Wenn wir jeden dazu bringen könnten, jetzt sofort eine Maske zu tragen, denke ich, könnten wir diese Pandemie in vier, sechs, acht Wochen unter Kontrolle bringen“, sagte CDC-Direktor Robert Redfield diese Woche. Eine landesweite Maskenpflicht gibt es aber nicht. Dafür sind die USA nach Zahlen der Johns-Hopkins-Universität mit mehr als 3,4 Millionen Infizierten und bisher mehr als 136.000 Toten das weltweit mit Abstand am stärksten von der Corona-Pandemie getroffene Land. Das CDC – um nur ein Beispiel von Wissenschaftern zu bringen, die ähnliches sagen – betont, dass eine Gesichtsbedeckung eine der wirkungsvollsten Waffen sei, um das Ausbreiten des Virus zu verlangsamen und zu stoppen.

Doch was steckt hinter der Ablehnung der Masken? Eine Mischung aus Einsamkeit, Trostlosigkeit und Sorge, dass der Alltag und die nahen Beziehungen auseinanderbrechen, haben während der Coronavirus-Pandemie vor allem junge Erwachsene im Alter von 18 bis 30 Jahren belastet, besagen Teilergebnisse einer Studie der Soziologin Barbara Rothmüller von der Sigmund Freud Universität Wien. Jugendliche wohnen meist mit anderen Familienmitgliedern unter einem Dach, haben ein großes soziales Netzwerk und kennen sich bestens mit digitalen Kommunikationswegen aus. Dennoch belastete sie die Phase der Ausgangsbeschränkungen. Auch ältere Menschen haben unter der Einsamkeit gelitten. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen hatten viele junge Erwachsene Sorge, dass ihre nahen Beziehungen auseinanderbrechen, heißt es in der Studie, die nun veröffentlich worden ist.

Denken wir die Erkenntnisse weiter: Viele Menschen sind nicht nur verängstigt ob des Lockdown sondern auch frustriert darüber. Nicht zuletzt wegen der Diskussion, ob die Maßnahmen notwendig waren oder nicht. Die Zustimmungsraten für die Regierung sinken. In manchen Ländern gibt es sogar bereits Proteste. Dazu kommt die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen der Krise, die erst noch kommen werden. Und wir hören die Aussagen von Experten, dass die Krise unser Gesellschafts- und wohl auch das Wirtschaftssystem verändern werden. Das alles macht uns Angst. Wir wollen zurück zur Zeit vor Corona. Wir wollen zurück zur Zeit vor der Maske. Und genau deshalb wird die Maske zum Zeichen der Krise und zum Zeichen des Protests. Oder anders gesagt: das Nicht-Tragen der Maske ist vielleicht auch ein Protest. Dagegen wird eine neuerliche Maskenpflicht nicht helfen. Das zeigen etwa aktuelle Proteste in Belgrad. Es braucht Aufklärung darüber, dass es gerade das simple Tragen einer Maske ist, das uns aus der Krise herausführen kann. Und das gelingt nur, wenn wir wieder mehr an das Gegenüber denken. Denn das hilft uns am Ende auch selbst. (rüm)