„Steigt der Spardruck, ist die Qualität der Versorgung gefährdet“

(c) Bernhard Noll / ÖÄK

Zehn Jahre war Thomas Szekeres Präsident der Wiener Ärztekammer, fünf Jahre stand er der ÖÄK vor. Im RELATUS MED-Interview zieht er Bilanz und wagt einen Ausblick.

Ihre Amtszeit als Präsident der Österreichischen Ärztekammer ist an diesem Wochenende zu Ende gegangen. Welche Bilanz ziehen Sie für sich? Ich bin weiterhin Mandatar in der Vollversammlung der Wiener Ärztekammer, scheide also nicht ganz aus. Allerdings scheide ich aus allen Funktionen. Die vergangenen Jahre waren vor allem durch die Pandemie eine ziemliche Herausforderung. Abläufe, die über Jahre unverändert waren, funktionierten plötzlich nicht mehr – aber alle Gesundheitsberufe und die Ärztinnen und Ärzte im Besonderen haben das gut gemeistert. Die Pandemie war sicher eine der prägenden Entwicklungen in meiner Amtszeit als Präsident der Österreichischen Ärzteammer. Auch die Arbeit in den vielen Beratungsgremien war aufwendig und ungerechtfertigterweise mit vielen Anfeindungen von Impfgegen verbunden. Man darf nicht vergessen, dass die Hälfte der Amtszeit in die Pandemie gefallen ist.

Und generell? Es ist mir, denke ich, gelungen einen Ausgleich zu schaffen zwischen unterschiedlichen Interessen – den Bundesländern, jungen, alten, selbstständigen und angestellten Kolleg:innen. Es ist auch wichtig einen Ausgleich zu finden in Außenwirkung und in Sprache nach außen. Die Politik hat uns sicherlich auf Augenhöhe wahrgenommen. Es ist uns einiges gelungen und anderes haben wir abgewehrt. Dazu gehört, dass man uns die Führung der Ärzteliste nehmen wollte. Nicht gelungen ist bisher, die Bundesländer zu überzeugen, dass die Ausbildung in der Hand der Ärztekammer gut aufgehoben ist. Die Kontrolle gehört hier in die Hand von Ärzten und nicht in die Hand von Bezirksbehörden. Im Management der Pandemie hat es überall dort gut funktioniert, wo die Ärztekammer eingebunden war. Als Beispiel führe ich hier Wien an, wo Tests und Versorgung gut funktioniert haben.

Welche Pandemie-Bilanz ziehen Sie? Das Thema Gesundheit und die Gesundheitsberufe stehen naturgemäß gerade in Zeiten einer Pandemie im Zentrum. Am auffälligsten war das in den ersten Wochen bei der Verfügbarkeit von Schutzmaterial – insbesondere Masken. Die Wiener Ärztekammer hat sehr früh begonnen selbst Material zu kaufen. Zu Beginn waren das noch wenige Schutzmasken zu überteuerten Preisen. Die Verfügbarkeit von Impfstoff sorgte für die nächste herausfordernde Phase der Pandemie. Als Präsident der Ärztekammer war es meine Aufgabe der Bevölkerung zu versichern, dass die Impfung wirkt und ungefährlich ist. Damit habe ich den Hass der Impfgegner und Pandemieleugner auf mich gezogen. Schlimmer war allerdings, dass Ärzt:innen, die tagtäglich für das Wohl ihrer Patienten gekämpft haben, bedroht wurden. Wichtig ist aber auch, dass während dieser Zeit die Ärzteschaft und Ärztekammer sehr positiv wahrgenommen worden sind. Da ist uns allen gemeinsam doch einiges gelungen. Eine Umfrage zur Marke ÖÄK hat gezeigt, dass wir sogar vor der Wirtschaftskammer liegen, knapp hinter dem Gewerkschaftsbund. Das muss man auch in Relation setzen zur Größe unserer Kammer.

Was wünschen Sie sich für das Gesundheitswesen in der Zukunft? Entscheidend ist für mich, dass die Gesundheitsversorgung gut funktioniert und Menschen einen niederschwelligen breiten Zugang zur Versorgung haben. Es muss gelingen, das zu gewährleisten. Wir werden in Zukunft sicher nicht mit weniger Geld auskommen, aber wird schwer, wenn gerade Milliarden ausgegeben worden sind. Ich habe Sorge, dass der Spardruck zunimmt. Es wird also eine Herausforderung sein, ausreichend finanzielle Ressourcen für das Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen. Gelingt das nicht, ist die Qualität der Versorgung nicht zu halten. Man muss auch darauf achten, dass das Gesundheitssystem für das Personal attraktiv ist. Hier geht es nicht nur um Einkommen, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen. Wir haben so viele aktive Ärzt:innen wie nie zuvor, dennoch werden sie überall gesucht.

Was braucht es hier zu Bekämpfung des Nachwuchsmangels? Wir müssen den Beruf attraktiv machen für junge Kolleg:innen. Da kommen auf die Politik noch einige Herausforderungen zu. Ohne qualifiziertes Personal kann man das Niveau nicht aufrechthalten. Es kommt die Pensionierungswelle der Babyboomer. Man muss sich deshalb bemühen, hier entsprechenden Nachwuchs auszubilden. Es sind auch immer mehr Frauen im Beruf, die andere Anforderungen haben. Da muss man flexibler werden und Angebote ausbauen, um als Dienstgeber attraktiv zu bleiben. (Das Interview führte Martin Rümmele)

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