Sentinel-Lymphknotenmetastasen – Mikromorphometrische Klassifikation erlaubt Risikoabschätzung für weitere Lymphknotenmetastasen

Melanomzellen gelangen über die Lymphbahnen zu den regionalen Lymphknoten. Dort manifestieren sich Metastasen zuerst im ersten drainierenden Lymphknoten, dem so genannten Sentinel-Lymphknoten. Bei der Sentinel-Lymphknotenbiopsie wird dieser Sentinel-Lymphknoten in einem kleinen operativen Eingriff entfernt und sowohl histologisch als auch immunhistochemisch auf das Vorhandensein von Metastasen untersucht.

Standard: Regionale Lymphknotenausräumung

Ist der Sentinel-Lymphknoten frei von Melanomzellen, ist eine zusätzliche komplette Entfernung der regionalen Lymphknoten nicht notwendig, da man davon ausgehen kann, dass bei diesen Patienten das gesamte regionale Lymphknotengebiet frei von Metastasen ist. Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie leistet somit einen wichtigen Beitrag, allen Patienten mit negativem Sentinel-Lymphknoten eine komplette regionale Lymphknotenausräumung zu ersparen.
Bei Nachweis von Metastasen im Sentinel-Lymphknoten wird allerdings derzeit noch die Entfernung aller Lymphknoten in diesem regionalen Lymphknotengebiet empfohlen, um weitere Metastasen in den regional drainierenden Lymphknoten (den so genannten Non-Sentinel-Lymphknoten) frühzeitig entfernen zu können.
Allerdings wird in letzter Zeit die komplette regionale Lymphknotenausräumung bei Patienten mit positivem Sentinel-Lymphknoten immer mehr in Frage gestellt, da ein Großteil der Patienten (etwa 80%) keine Metastasen in den weiteren regionalen Non-Sentinel-Lymphknoten hat. Bei diesen Patienten werden daher alle regionalen Lymphknoten in einem nicht selten mit Komplikationen verbundenen operativen Eingriff unnötig entfernt. Außerdem konnte bisher noch nicht bewiesen werden, dass bei positiver Sentinel-Lymphknotenbiopsie eine komplette Lymphknotenausräumung einen Überlebensvorteil bringt.
Aus diesem Grund ist es wichtig, Parameter zu finden, um das Risiko für weitere regionale Lymphknotenmetastasen von Patienten mit positivem Sentinel-Lymphknoten bestimmen zu können.

Risikoabschätzung mit mikromorphometrischer Klassifikation

Sentinel-Lymphknotenmetastasen können in ihrer Ausdehnung zwischen wenigen Tumorzellen und einer vollständigen metastatischen Durchsetzung des Lymphknotens schwanken (Abb. 1 + 2). Es wird angenommen, dass das Ausmaß des Tumorbefalls im Sentinel-Lymphknoten Einfluss auf das Risiko für weitere regionale Lymphknotenmetastasen hat.
Sentinel-Lymphknotenmetastasen können aufgrund ihrer Ausdehnung klassifiziert werden. Mikromorphometrische Klassifikationen beurteilen dabei das Ausmaß der Sentinel-Lymphknotenmetastasen aufgrund des größten Durchmessers der Sentinel-Lymphknotenmetastasen oder anhand der maximalen zentripetalen Eindringtiefe der Sentinel-Lymphknotenmetastasen oder auch anhand der Lokalisation der Metastasen innerhalb des Sentinel-Lymphknotens. Diese drei Klassifikationen sind dabei ohne technischen Mehraufwand am vorhandenen histologischen Schnitt einfach zu bestimmen.
Bei der S-Klassifikation wird die maximale zentripetale Eindringtiefe der Sentinel-Lymphknotenmetastasen ermittelt und in drei Risikogruppen eingeteilt (S-Stadium I ≤ 0,3 mm; S-Stadium II > 0,3-1 mm; S-Stadium III > 1 mm).1 Bei der Messung des Durchmessers der Sentinel-Lymphknotenmetastasen haben sich in letzter Zeit zunehmend die Grenzwerte nach den Rotterdam-Empfehlungen durchgesetzt ( 1 mm).2 Eine weitere Möglichkeit, das Ausmaß der Sentinel-Lymphknotenmetastasen zu bestimmen, ist die Beurteilung des Verteilungsmusters der Metastasen innerhalb des Sentinel-Lymphknotens (subkapsulär, parenchymal, kombiniert subkapsulär und parenchymal, multifokal, extensiv).3

Welche Patienten haben kein Risiko für weitere Non-Sentinel-Metastasen?

In einer kürzlich erschienenen Arbeit haben wir mikromorphometrische Klassifikationen zur Beurteilung des Risikos für weitere regionale Lymphknotenmetastasen bei 121 Melanompatienten mit insgesamt 124 positiven Sentinel-Lymphknotenregionen untersucht. Es wurden dabei Patienten aus dem Krankenhaus Hietzing, dem Wilhelminenspital und der Rudolfstiftung untersucht.
Ziel war es, mithilfe dieser Klassifikationen eine Gruppe von Patienten zu finden, die trotz positivem Sentinel-Lymphknoten kein bzw. ein minimales Risiko für weitere Non- Sentinel-Lymphknotenmetastasen hat und daher keine komplette Lymphknotenausräumung benötigt. Wir konnten beobachten, dass Patienten mit einer Eindringtiefe der Sentinel-Lymphknotenmetastasen von unter 0,3 mm (S-Stadium I der S-Klassifikation), Metastasen mit einem Durchmesser unter 0,1 mm bzw. mit ausschließlich subkapsulär lokalisierten Sentinel-Lymphknotenmetastasen ein sehr geringes Risiko für weitere Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen aufweisen (0-5%).4 In unserer Arbeit waren, statistisch gesehen, alle drei verwendeten Klassifikationen gleich gut geeignet, das Risiko für weitere Non-Sentinel-Lymphknotenmetastasen beim Melanom abzuschätzen.
In einer weiteren Arbeit konnten wir zeigen, dass die Klassifikationen von Sentinel-Lymphknotenmetastasen nicht nur beim Melanom, sondern auch bei Patienten mit Mammakarzinom anwendbar sind.5

Value of micromorphometric criteria of sentinel-lymph node metastases in predicting further non-sentinel-lymph node metastases in patients with melanoma.
Fink AM, Weihsengruber F, Duschek N, Schierl M, Wondratsch H, Jurecka W, Rappersberger K, Steiner A. Melanoma Res 2011; 21: 139-43

1 Starz H, Siedlecki K, Balda BR. Sentinel-lymphonodectomy and s-classification: A successful strategy for better prediction and improvement of outcome of melanoma. Ann Surg Oncol 2004; 11: 162-8S
2 Van Akkooi AC, Nowecki ZI, Voit C, Schäfer-Hesterberg G, Michej W, De Wilt JH, Rutkowski P, Verhoef C, Eggermont AM. Sentinel node tumor burden according to the Rotterdam criteria is the most important prognostic factor for survival in melanoma patients: A multicenter study in 388 patients with positive sentinel nodes. Ann Surg 2008; 248: 949-55
3 Dewar DJ, Newell B, Green MA, Topping AP, Powell BW, Cook MG. The microanatomic location of metastatic melanoma in sentinel-lymph nodes predicts non-sentinel-lymph node involvement. J Clin Oncol 2004; 22: 3345-9
4 Fink AM, Weihsengruber F, Duschek N, Schierl M, Wondratsch H, Jurecka W, Rappersberger K, Steiner A. Value of micromorphometric criteria of sentinel- lymph node metastases in predicting further non-sentinel-lymph node metastases in patients with melanoma. Melanoma Res 2011; 21: 139-43
5 Fink AM, Wondratsch H, Lass H, Janauer M, Sevelda P, Salzer H, Jurecka W, Ulrich W, Chott A, Steiner A. Validation of the s classification of sentinel lymph node and microanatomic location of sentinel lymph node metas – tases to predict additional lymph node involvement and overall survival in breast cancer patients. Ann Surg Oncol; 2011;18:1691-7.