Adjuvante und 
neoadjuvante Therapie

Das Adenokarzinom des Pankreas liegt im Ranking der Karzinommortalität weltweit an 4. Stelle mit einem medianen Überleben von 6–9 Monaten für fortgeschrittene, nicht-resektable Tumoren. In Österreich wurden im Jahr 2009 insgesamt 1.435 Neuerkrankungen beobachtet. Die Tatsache, dass 1.428 Patienten im selben Jahr daran verstorben sind, demonstriert eindrucksvoll die infauste Prognose dieser Neoplasie (Statistik Austria, 2010).

Die chirurgische Resektion des Pankreaskarzinoms stellt noch immer die einzige Chance auf Heilung dar und ist bei operablen Tumoren als erste Therapieoption anzusehen. Demgegenüber steht die Tatsache, dass in 80 % aller Fälle die Erkrankung erst in einem fortgeschritten Stadium diagnostiziert wird und eine Resektion nicht möglich ist. Ein Drittel dieser Patienten leidet an einem lokal fortgeschrittenen Tumor ohne Vorliegen von Fernmetastasen.

 

 

Neoadjuvante Therapiekonzepte

Die große Herausforderung der neoadjuvanten Therapie liegt in der lokalen Tumorverkleinerung, wobei die optimalen Behandlungskonzepte (präoperative Chemotherapie mit/ohne Radiotherapie, Gemcitabin oder Folfirinox, zielgerichtete Medikamente) erst im Rahmen randomisierter Studien definiert werden müssen. Zusätzlich gewinnt die Differenzierung zwischen „Borderline“- und „nicht resektablen“ Tumoren immer mehr an Bedeutung. Im ersteren Fall ist der Tumor technisch resektabel, aber es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor nicht R0-reseziert werden kann, bzw. ein erhöhtes Risiko eines Lokalrezidivs, während bei nicht-resektablen Tumoren eine primäre Inoperabilität außer Frage steht.
In einem rezent publizierten Konsensus (Abrams et al., Ann Surg Oncol 2009) wurde der Einsatz einer neoadjuvanten Chemotherapie für alle Patienten mit einem „borderline“-resektablen Pankreaskarzinom vorgeschlagen, wobei der Einschluss möglichst aller Patienten in Studien gefordert wird. Die Rationale einer neoadjuvanten Therapie liegt 1.) in der lokalen Tumorverkleinerung, 2.) in der Selektion von Patienten, die rasch Fernmetastasen entwickeln und von einer Resektion nicht profitieren und 3.) in der Identifikation eines effektiven Therapieschemas.

Borderline-resektable Tumoren

In einer ersten prospektiven Studie (Katz et al., J Amer Coll Surg 2008) erhielten alle Patienten mit „borderline“-resektablen Tumoren (160 von 2.454 Patienten) eine neoadjuvante Chemotherapie. Insgesamt 66 der 160 Patienten konnten radikal reseziert werden und hatten ein medianes Überleben von 40 Monaten im Vergleich zu jenen Patienten, deren Tumor trotz neoadjuvanter Chemotherapie nicht resektabel war und die im Mittel nur 13 Monate lebten.
Neben der Verabreichung einer alleinigen Chemotherapie wurde in Rahmen zahlreicher Studien auch die Effektivität einer Radiotherapie in Kombination mit einer auf 5-FU- oder Gemcitabin-basierten Chemotherapie sowie einer Induktionschemotherapie gefolgt von Radiochemotherapie evaluiert. Die bislang vorliegenden Daten stammen jedoch durchwegs von retrospektiven Analysen und Phase-II-Studien mit kleinen Fallzahlen. Neben der noch nicht endgültig geklärten optimalen Strahlentherapiedosis ist auch die Frage nach dem optimalen zytostatischen Kombinationspartner offen. Die meisten Daten existieren für 5-Fluorouracil (5-FU, als kontinuierliche Dauerinfusion während der gesamten Radiotherapie) bzw. Gemcitabin (Dosierungen sehr variabel von 50–1.000 mg/m2/Woche). Von den neueren Substanzen werden im Rahmen klinischer Studien v. a. Capecitabin und/oder Gemcitabin plus Erlotinib untersucht.

Nicht-resektable Tumoren

Für die Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem, nicht resektablem Adenokarzinom des Pankreas gilt eine systemische Chemotherapie als Goldstandard. Aufgrund der Ergebnisse einer Studie der GERCOR (Louvet C. et al., JCO 2005) und einer retrospektiven gepoolten Analyse mehrerer französischer Studien führt die konkomitante Radiochemotherapie nach einer Induktionschemotherapie zu einem signifikant besseren Langzeitüberleben als die Fortführung der alleinigen Chemotherapie. Rezent wurden die Ergebnisse der ersten randomisierten ECOG-Studie (Loehrer P. J. et al., JCO 2011) publiziert, wobei diese Studie aufgrund der schlechten Rekrutierung vorzeitig – nach 74 von ursprünglich 316 geplanten Patienten – abgebrochen werden musste. Dennoch konnte ein signifikanter Überlebensvorteil für die kombinierte Radiochemotherapie (Gemcitabin) im Vergleich zu Gemcitabin allein gezeigt werden (11,4 versus 9,2 Monate). Auch wenn die alleinige Chemotherapie weiterhin ein akzeptierter Therapiestandard ist, wird die kombinierte Radiochemotherapie für alle Patienten, welche nach einer „Induktionschemotherapie“ (für 2–4 Monate) keine Krankheitsprogression aufweisen, empfohlen.
Der vordringliche Aspekt in der Behandlung des lokal fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms ist, dass durch den Einsatz möglichst effektiver Therapiestrategien eine sekundäre Resektabilität erreicht werden kann. Wie in einer rezent veröffentlichten Übersichtsarbeit (Brunner T. B. et al., Rad Oncol 2010) zusammenfassend dargestellt wurde, liegen die Resektionsraten nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie im Bereich von 20–74 %. Beeindruckend waren auch die Ergebnisse einer Metaanalyse (Gillen S. et al., PloS 2010), die gezeigt hat, dass Patienten mit nicht-resektablem Pankreaskarzinom nach einer neoadjuvanten Therapie und nachfolgender Operation ein vergleichbares medianes Überleben (20,5 Monate) hatten wie Patienten, die primär kurativ operiert werden konnten (23,3 Monate).
Als radiosensitivierende Substanzen wurden bislang in erster Linie 5-FU bzw. Capecitabin oder Gemcitabin untersucht. Von den bislang für das lokal fortgeschrittene Pankreaskarzinom zugelassenen Chemotherapien scheint FOLFIRINOX (5-FU + Oxaliplatin, Irinotecan) mit einer Remissionsrate von etwa 30 %, im Gegensatz zu nur 10 % für Gemcitabin, die wirksamste Kombination zu sein.

Adjuvante Therapie nach Resektion

Aufgrund der Ergebnisse von zumindest zwei randomisierten Studien sind 6 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit Gemcitabin oder 5-FU zu empfehlen (Level I A). Durch den Einsatz einer postoperativen Chemotherapie kann das rezidivfreie, nicht aber das Gesamtüberleben signifikant verlängert werden. In einem direkten Vergleich von Gemcitabin und 5-FU waren die therapeutischen Ergebnisse (rezidivfreies und Gesamtüberleben) für beide Substanzen ident, allerdings traten im 5-FU-Arm signifikant häufiger gravierende Nebenwirkungen auf.

Chemo- vs. Chemoradiotherapie: In einer 2001 publizierten randomisierten Phase-III-Studie der European Study Group for Pancreatic Cancer (ESPAC) wurde erstmals ein Benefit für eine postoperative Chemotherapie nach potenziell kurativer Resektion beschrieben (Neoptolemos et al., Lancet 2001). In dieser sehr komplexen Studie, in welcher Patienten nach dem „Two-by-Two Factorial“-Design entweder eine adjuvante Radiochemo-, Chemotherapie oder keine Behandlung erhielten, zeigte sich – für viele Fachleute überraschend – kein Überlebensvorteil für die Radiochemotherapie, hingegen ein signifikanter Vorteil für Patienten, die eine adjuvante, auf 5-FU basierende Chemotherapie erhalten hatten (p = 0,0005).

Gemcitabin: Oettle et al. (JAMA 2007) konnten in einer randomisierten Phase-III-Studie ein signifikant längeres rezidivfreies Überleben (13,4 vs. 6,9 Monate; p < 0,001) beobachten. Die adjuvante Therapie mit Gemcitabin über 6 Monate war sowohl bei Patienten mit R0-Resektion (13,4 vs. 6,9 Monate) als auch mit R1-Resektion erfolgreich (15,8 vs. 5,5 Monate) und v. a. bei Frühstadien effektiv (medianes Überleben bei primärer Tumorgröße T 1,2: 48,2 vs. 10 Monate). Die Tatsache, dass das mediane Überleben nicht signifikant länger war (22,1 versus 20,5 Monate), wurde auf den Einsatz einer auf Gemcitabin basierenden palliativen Chemotherapie bei beinahe allen Patienten, die ein Rezidiv erlitten hatten, zurückgeführt.

5-Fluorouracil: Die im Rahmen des ASCO 2009 präsentierten Ergebnisse der ESPAC-3-Studie (Neoptolemos et al., JCO 2009) zeigten, dass eine adjuvante Chemotherapie mit Gemcitabin im Vergleich zu 5-FU/LV (Bolus) zu identen Ergebnissen hinsichtlich progressionsfreiem (14,3 versus 14,1 Monate) und Gesamtüberleben führt (23,0 versus 23,6 Monate), aber mit einer geringeren Inzidenz von Nebenwirkungen assoziiert war.
Der Einsatz einer postoperativen konkomitanten Radiochemotherapie wird weiterhin kontroversiell diskutiert und sollte nur in Rahmen klinischer Studien erfolgen. Patienten mit großem Tumor des Pankreaskopfes oder nach R1-Resektion dürften von einer kombinierten Radiochemotherapie am ehesten profitieren.

RESÜMEE: Nach (R0-)Resektion ist allen Patienten unabhängig vom Tumorstadium eine adjuvante Chemotherapie für 6 Monate mit Gemcitabin zu empfehlen. Eine zusätzliche Radiochemotherapie sollte v. a. im Falle einer R1-Resektion erwogen werden. Patienten mit „Borderline“- oder „nicht-resektablen“ Tumoren sollten eine neoadjuvante Therapie erhalten, wobei diese Patienten idealerweise im Rahmen klinischer Studien behandelt werden sollten. Außerhalb von Studien sollte eine Chemotherapie und nach 2–4 Zyklen (sofern in dieser Zeit keine Fernmetastasen aufgetreten sind) eine anschließende Radiochemotherapie angeboten werden.