Fortschritte 
im metastasierten 
Setting

Obwohl sich das Pankreaskarzinom nur für 3 % aller neu diagnostizierten Malignomerkrankungen verantwortlich zeichnet, stellt es in den westlichen Industrienationen die vierthäufigste Krebstodesursache dar. Die Inzidenz ist deutlich steigend, seriöse Berechnungen lassen bis zum Jahr 2030 eine Zunahme um 55 % erwarten. Weitere Fakten dieser Tumor­entität stellen die höchste Mortalitätsrate aller malignen Erkrankungen (5-Jahres-Überlebensrate 5,8 %) und die Tatsache dar, dass diese binnen der letzten 40 Jahre de facto nicht verbessert werden konnte. Die Hauptprobleme/Herausforderungen bei der Therapie des Pankreaskarzinoms umfassen die fast ausnahmslos späte Diagnosestellung bedingt durch die Absenz von Frühsymptomen, die hohe Rezidivrate trotz potenziell kurativer Resektion und Adjuvansbehandlung, das aggressive Tumorwachstum mit früher Fernmetastasierungsneigung, der zumeist dolente Krankheitsverlauf und eine Kumulation infauster biologische Attribute (multiple molekulare Aberrationen, ein dichtes desmoplastisches Stroma mit aktiv in die Karzinogenese involvierten Bindegewebszellen, die Devaskularisierung und das intratumoral hypoxische Milieu. Die konkreten Therapieoptionen und Hoffnungen pro futura im Stadium der Fernmetastasierung (rund die Hälfte aller erstdiagnostizierten Patienten) lassen sich wie folgt zusammenfassen.


 

 

Konventionelle Chemotherapie

Fortschritte in der systemischen Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms haben sich nur langsam abgezeichnet. Ursprünglich konnte selektiv für den Antimetaboliten 5-Fluo­rouracil (5-FU) ein marginaler therapeutischer Benefit festgestellt werden. 1997 zeigten dann Burris et al. in einer prospektiv-randomisierten Phase-III-Studie die Überlegenheit einer Gemcitabin-Monotherapie in Relation zu 5-FU. Dennoch konnten das mediane Überleben nur um 1,2 Monate bzw. die 1-Jahres-Überlebensrate von 2 % auf nur 18 % verbessert werden. Ein klinischer Benefit wurde bei 24 % versus 5 % aller Patienten dokumentiert. Im Weiteren wurden zahlreiche Gemcitabin-Kombinationsregimina mit der Intention einer Verbesserung des Therapieansprechens geprüft. In Metaanalysen zeichnete sich für die Kombination von Gemcitabin plus einem Platinum bzw. einem Fluoropyrimidin eine Verbesserung der Therapieergebnisse ab, dieser Vorteil war jedoch auf Patienten mit gutem Allgemeinzustand beschränkt. Erst kürzlich wurde in einer französischen Studie, dem PRODIDGE4/ACCORD-11-Trial, die Überlegenheit eines Polychemotherapie-Regimens (FOLFIRINOX, i. e., Oxaliplatin, Irinotecan, 5-FU und Leukovorin) gegenüber einer Gemcitabin-Monotherapie unter Beweis gestellt. Das mediane Gesamtüberleben betrug 11,1 versus 6,8 Monate zugunsten der Kombination. Der signifikante und auch klinisch relevante Überlebensvorteil (4,3 Monate) war beeindruckend, aber das Regime erwies sich hinsichtlich Verträglichkeit als nicht unproblematisch: Gravierende Nebenwirkungen (Grad-3- bzw. Grad-4-Toxizitäten) fanden sich bei 45 % aller eingeschlossenen Patienten, zumeist in Form von Diarrhöen, Fatigue und Emesis. Auch fast die Hälfte aller Patienten hatten schwerwiegende Neutropenien, febrile Neutropenien traten bei 5,4 % aller Patienten auf. FOLFIRINOX gilt heute – allerdings nur bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand und ohne signifikante Komorbiditäten – als Therapie der Wahl.

Therapie mit Biologika

Pankreaskarzinome sind eine äußerst heterogene Malignom-Entität, gemäß dem „Pancreas Cancer Genome Project“ liegen im Mittel zumindest 63 genetische Alterationen vor. Die Kombination von Gemcitabin mit verschiedenen zielgerichteten Substanzen führte vermutlich deshalb bis dato nur zu unbefriedigenden Ergebnissen. Ausschließlich für die Kombination von Gemcitabin + Erlotinib konnte in einer prospektiv-randomisierten Studie ein signifikanter Überlebensvorteil bei Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom ausgewiesen werden. Der Überlebensgewinn betrug jedoch nur 2 Wochen, wobei laut Subgruppenanalyse zudem nur jene Patienten profitierten, die binnen 6 Wochen nach Behandlungsbeginn eine akneiforme Hautreaktion (zumindest Grad 2) aufwiesen. Anti-EGFR-Therapien wie Cetuximab und Panitumumab, aber auch Antiangiogenese-Faktoren wie Bevacizumab ± Erlotinib ließen in Relation zu einer Gemcitabin-Monotherapie keinen signifikanten Überlebensvorteil erkennen. Auch andere VEGF-Inhibitoren wie Axitinib, Aflibercept sowie Multikinase-Inhibitoren wie Sorafenib ließen zumindest in Phase-II-Studien keinerlei therapeutischen Vorteil erkennen.

Neue viel versprechende Therapieoptionen

Es mehren sich die Hinweise, dass die Hauptursache für das Versagen konventioneller Tumortherapeutika beim Pankreaskarzinom die Tumordesmoplasie darstellen dürfte, also die Präsenz eines dichten Stromagewebes (80 % der Tumormasse), wobei die Bindegewebszellen bei der Karzinogenese eine wichtige Rolle spielen dürften. Auch zeichnen sich diese Zellen für die verminderte intratumorale Gefäßversorgung und das hypoxische Milieu verantwortlich. Nab-Paclitaxel (Abraxan®) ist eine Albumin-gebundene Formulierung von Paclitaxel mit hoher Stroma-Protein-Affinität und guten Bindungseigenschaften. In einer Phase-I/II-Studie zeichneten sich bei chemotherapeutisch nicht vorbehandelten Patienten für die Kombination mit Gemcitabin hervorragende Ergebnisse ab. Die objektive Remissionsrate betrug 48 %, das mediane Überleben betrug 12,2 Monate. Eine multinationale, prospektiv-randomisierte Phase-III-Studie mit über 800 Patienten hat ihr Rekrutierungssoll mittlerweile erfüllt, endgültige Ergebnisse werden 2013 vorliegen. Weitere ermutigende experimentelle bzw. erste klinische Daten bezüglich Anti-Desmoplasie-Therapiestrategie liegen über Aufschließung der extrazellulären Matrix mittels PEGylierter humaner, rekombinanter Hyaluronidase und Inhibition des zellulären Hedgehog-Signalwegs vor. Weitere innovative Therapiestrategien betreffen die Ausschaltung anderer Tumorsignalwege wie etwa den „Insulin like“-Wachstumsfaktor-Rezeptor bzw. den „Transforming growth factor β“ (TGF-β). Last, but not least gibt es in der medizinischen Fachliteratur zunehmend Hinweise dafür, dass der Human Equilibrative Nucleoside Transporter 1 (hENT-1) einen prädiktiven Biomarker für das Ansprechen von Gemcitabin darstellen dürfte.

 

 

RESÜMEE: Therapiefortschritte beim metastasierten Pankreaskarzinom haben sich nur allmählich abgezeichnet. Noch dominiert die konventionelle zytostatische Chemotherapie, wobei FOLFIRINOX den relativen Therapiestandard – selektiv bei Vorliegen eines guten Performance-Status – darstellt. Mit großem Interesse werden die Ergebnisse der Phase-III-Studie mit Gemcitabin ± Nab-Paclitaxel in naher Zukunft erwartet. Weiterer Erfolge hängen vom besseren Verständnis der Tumorbiologie, der Effizienz zielgerichteter Therapien gegen diverse Wachstumsfaktor-Signalwege und von der Entwicklung neuer Technologien bezüglich Identifizierung von Biomarkern ab, die eine Vorhersage des Therapieerfolgs gestatten.